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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 2000


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Kai Peter Ziegler


V. Staatsangehörigkeit

1. Erwerb

       19. Das BVerwG hielt in seinem Beschluß vom 10.3.1998 (1 B 249.97 - InfAuslR 1998, 401) die staatsangehörigkeitsrechtliche Ungleichbehandlung von minderjährigen und volljährigen Adoptivkindern deutscher Staatsangehöriger nach §§ 6 und 8 RuStAG für gerechtfertigt und ließ offen, ob diese Differenzierung auch dann zulässig sei, wenn eine Erwachsenenadoption gem. § 1772 Abs. 1 BGB der Annahme eines Minderjährigen gleichgestellt werde. Ein erwachsener türkischer Staatsangehöriger war von einem deutschen Staatsangehörigen adoptiert worden und strebte seine Einbürgerung an. Das BVerwG führte dazu aus, daß das BVerfG und das BVerwG dem Gesetzgeber im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG einen weiten Gestaltungsspielraum zuerkannt hätten, der es erlaube, mit einem plausiblen Grund unterschiedlichen Gegebenheiten differenzierend Rechnung zu tragen. Die Annahme des Gesetzgebers, daß die Gefahr eines Mißbrauchs der Adoption volljähriger Ausländer nach § 6 RuStAG zu Umgehungszwecken bei erwachsenen Ausländern typischerweise größer sei als bei ausländischen Kindern, sei sachlich nicht zu beanstanden und rechtfertige bereits die Ungleichbehandlung. Ferner solle damit bei volljährigen Ausländern eine doppelte Staatsangehörigkeit vermieden werden. Schließlich sei die Differenzierung auch durch den Gedanken des Minderjährigenschutzes und der Familieneinheit im Hinblick auf die typischerweise andere Lebenssituation und Unselbständigkeit minderjähriger Adoptivkinder gerechtfertigt.

       20. Nach der Auffassung des BVerwG in dem Beschluß vom 17.7.1998 (1 B 73.98 - InfAuslR 1998, 504) zielt der Antrag auf Registrierung als Aussiedler nicht auf den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit ab und hat im Regelfall keine einbürgerungsrechtliche Bedeutung i.S.d. Art. 3 RuStAG. Der Kläger hatte einen Antrag auf Registrierung als Aussiedler gestellt, ohne im Zusammenhang damit eine Erklärung gem. Art. 3 RuStAG abzugeben. Nach Auffassung des BVerwG kann eine Erklärung gegenüber dem Bundesverwaltungsamt oder der Ausländerbehörde aber wegen der großen Tragweite einer solchen Erklärung nur bei hinreichender Deutlichkeit als Erwerbserklärung i.S.d. Art. 3 Abs. 1 S. 1 RuStAG angesehen werden. Dazu müsse der nach außen bekundete Wille erkennen lassen, daß die Erklärung auf den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit abziele, ihrem wesentlichen Inhalt nach einbürgerungsrechtliche Bedeutung habe, an die Einbürgerungsbehörde gerichtet sein und eine unzuständige Behörde folglich dazu veranlassen solle, die Erklärung an die Einbürgerungsbehörde weiterzuleiten. Die Bitte um Registrierung als Aussiedler ziele als solche aber nicht auf den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit ab, sondern in erster Linie auf die Einbeziehung in die Verteilung der Personen, die in den Erstaufnahmeeinrichtungen vorläufig untergebracht seien. Anträge auf Registrierung als Aussiedler seien daher staatsangehörigkeitsrechtlich neutral, so daß ihnen ohne besondere Umstände keine statusrechtliche Erklärung zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit entnommen werden könne.

       21. Der VGH Baden-Württemberg urteilte am 23.7.1998 (13 S 2212/96 - ESVGH 49, 24), daß der Ehegatte einer Deutschen nach § 9 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 4 RuStAG nur in den deutschen Staatsverband eingebürgert werden könne, wenn er imstande sei, sich und seine Angehörigen am Orte seiner Niederlassung zu ernähren. Dieser zwingenden Einbürgerungsvoraussetzung stehe der Bezug von Arbeitslosenhilfe entgegen. Ein Palästinenser war mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet und beantragte erfolglos seine Einbürgerung. Seine Ehefrau hatte ein Monatseinkommen von 2100 DM, der Kläger bezog Arbeitslosenhilfe und die Eheleute erhielten monatlich DM 1.400 Kindergeld zuzüglich DM 217 Wohngeld. Das VG verpflichtete das Land, den Kläger nach § 9 RuStAG einzubürgern, da es annahm, er könne sich und seine Angehörigen ernähren. Auf die Berufung des Landes hob der VGH das Urteil auf und wies die Klage ab. Er führte aus, daß der Kläger nach § 9 Abs. 1 RuStAG als Ehegatte einer Deutschen einzubürgern sei, sofern die Voraussetzungen des § 8 RuStAG gegeben seien. Zwingende Voraussetzung sei nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 RuStAG jedoch, daß der Antragsteller sich und seine Angehörigen ernähren könne, was weder der Kläger noch seine Ehefrau aus eigenem Einkommen gewährleisten könnten. Die Arbeitslosenhilfe des Klägers sei eine der Sozialhilfe ähnlich Leistung, die u.a. von der Bedürftigkeit abhänge und das Familieneinkommen bleibe auch bei Berücksichtigung der Transferleistungen hinter den Regelsätzen der Sozialhilfe zurück. Diese müßten aber erreicht werden, weil andernfalls für ein menschenwürdiges Leben Sozialhilfe ergänzend bezogen werden müsse. Die zwingende Einbürgerungsvoraussetzung sei daher nicht erfüllt und die Einbürgerung zu versagen.

       22. Aus Sicht des VG Stuttgart in seinem Urteil vom 14.1.1998 (7 K 1613/97 - InfAuslR 1998, 237) steht der Ausweisungsgrund des § 46 Nr. 1 AuslG einer Einbürgerung nur dann entgegen, wenn der Ausländer persönlich eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik darstellt. Die bloße Zugehörigkeit zu einer Vereinigung, die ihrerseits wegen Gefährdung der inneren Sicherheit nach Art. 9 Abs. 2 GG oder § 14 VereinsG verboten werden könne, reiche dagegen noch nicht aus. Der vereinsrechtliche Verbotsgrund müsse sich in der Person des Ausländers konkretisiert haben. Ein türkischer Staatsangehöriger lebte als anerkannter Asylberechtigter seit 1980 ununterbrochen in der Bundesrepublik, war ab 1985 in Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis und stellte 1992 einen Antrag auf Einbürgerung, der trotz seiner Ausbürgerung aus der Türkei abgelehnt wurde. Er erhob erfolgreich Klage vor dem VG, das hierzu ausführt, daß der Kläger die Voraussetzungen des Einbürgerungsanspruchs nach § 86 Abs. 1 AuslG erfülle und § 86 Abs. 3 i.V.m. § 85 Abs. 2 S. 2 AuslG nicht entgegenstünden, da kein Ausweisungsgrund nach § 46 Nr. 1 AuslG vorliege. Zur Annahme dieses Ausweisungsgrundes müsse die Anwesenheit des Ausländers eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik darstellen, sich ein vereinsrechtlicher Verbotsgrund also in der Person des Ausländers konkretisiert haben. Dies könne dem Kläger aber nicht nachgewiesen werden, da er 1984 zwar Vorstandsmitglied eines kurdischen Kulturvereins gewesen sei, er aber seit 1981 an keiner Auseinandersetzung mit politischem Hintergrund mehr teilgenommen habe und 1985 ausgetreten sei. Damals habe weder der Verein etwas mit der PKK zu tun gehabt, noch sei die PKK verboten gewesen. An der Gründungsversammlung eines zweiten Freundschaftsvereins habe er zwar teilgenommen, doch sei dieser Verein erst 1996 verboten worden, wonach der Kläger keinerlei Aktivitäten mehr für den Verein entfaltet habe. Anders als bei §§ 8 und 9 RuStAG, die vom Einbürgerungsbewerber ein aktives Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung verlangten, habe der Gesetzgeber sich beim Einbürgerungsanspruch nach den §§ 85 und 86 AuslG für die Integration bestimmter Personengruppen entschieden und bewußt ein größeres Risiko für die Staatssicherheit in Kauf genommen.