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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 2000


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Ludger Radermacher


IX. Internationaler Menschenrechtsschutz

Europäische Menschenrechtskonvention

a) Recht auf Freiheit und Sicherheit (Art. 5 Abs. 1 EMRK)

       35. In seinem Urteil vom 15.6.1999 (3 A 209/97 - NJW 2000, 970 f.) überprüfte das VG Schleswig in einem Fall, in dem es um die Rechtmäßigkeit der polizeilichen Ingewahrsamnahme eines Ruhestörers ging, die Vorschrift des § 204 Abs. 1 Nr. 2 SchlHLVwG auch am Maßstab des Art. 5 EMRK. Die genannte Vorschrift des Landesrechts erlaubt es, eine Person in Gewahrsam zu nehmen, wenn dies unerläßlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern. Das Gericht führte aus, daß nach Art. 5 Abs. I c EMRK eine Freiheitsentziehung nur dann zulässig ist, wenn sie notwendig ist, um den Betreffenden an der Begehung einer strafbaren Handlung zu hindern. Entgegen einer strikten Wortlautauslegung sei damit auch die Ingewahrsamnahme zwecks Verhinderung von Ordnungswidrigkeiten erfaßt. Es könne kaum angenommen werden, die Staaten hätten sich insoweit binden wollen, daß in einem Staat präventiv-polizeilicher Gewahrsam ausgeschlossen sein solle, wenn der Staat das zu verhindernde Unrecht nur unter die Sanktion einer Geldbuße und nicht einer Kriminalstrafe gestellt habe. Nicht nur könne die Einordnung für dasselbe Unrecht in den einzelnen Staaten unterschiedlich sein, sondern es könne auch die Einstufung einer Handlung als Ordnungswidrigkeit oder Straftat aus kriminalpolitischen Gründen wechseln, ohne daß dies etwas an dem Bedürfnis zur Verhinderung einer solchen Handlung, notfalls auch durch Ingewahrsamnahme, ändere.