Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Logo Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

Sie befinden sich hier: Publikationen Archiv Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland 1994

Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1994


Inhalt | Zurück | Vor

Peter-Tobias Stoll

VII. Personalhoheit und Staatsangehörigkeit

a. Staatsangehörigkeit

    47. Im Deutschen Bundestag wurden im Berichtszeitraum mehrere Gesetzentwürfe zu einer Novellierung des Staatsangehörigkeitsrechts eingebracht, aber letztlich nicht weiter verfolgt. Zwar bestand Einigkeit darin, daß die Staatsangehörigkeit einer Novellierung bedürfe. Doch fand die Absicht des von der SPD-Fraktion vorgelegten Gesetzentwurfes, "möglichst weiten Teilen der ausländischen Bevölkerung" den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit zu ermöglichen, nicht die Billigung der CDU/CSU-Fraktion.143
    Die Bundesregierung wies darauf hin, daß es oftmals an den Rechtsvorschriften des jeweiligen Herkunftslandes liege, wenn ein Ausländer 15 Jahre warten müsse, ehe er eingebürgert werde. In dieser Sache gebe es auf Regierungsebene Gespräche zwischen Deutschland und u.a. der Türkei. Es wäre möglicherweise eine Beeinträchtigung der Verhandlungsposition, wenn der Bundestag vorher einer der Gesetzesinitiativen zustimme.144

    48. Im Hinblick auf die Vermeidung von doppelten Staatsbürgerschaften erklärte die Bundesregierung auf Anfrage im Deutschen Bundestag, sie achte darauf, daß Einbürgerungen nur unter Vermeidung von Mehrstaatigkeit vorgenommen würden. Etwas anderes gelte nur, wenn im Einzelfall eine Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit nicht möglich oder nicht zumutbar sei:

    "Auch der in den Koalitionsvereinbarungen entwickelte Status einer deutschen Kinderstaatszugehörigkeit für Angehörige der dritten Ausländergeneration führt nicht zur Mehrstaatigkeit, da er erlischt, wenn nicht binnen eines Jahres nach Vollendung des 18. Lebensjahres des Berechtigten der Verlust der weiteren Staatsangehörigkeit nachgewiesen wird. Die Bundesregierung wird dabei in den Herkunftsländern darauf hinwirken, daß den Ausländern die Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit zugunsten des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit in einem einfacheren Verfahren ermöglicht wird."145

    49. Im Hinblick auf deutsche Staatsangehörige, die in Polen leben, bekräftigte die Bundesregierung aus Anlaß einer Parlamentarischen Anfrage die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 8. September 1993146, wonach der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag keine Regelung enthält, die die deutsche Staatsangehörigkeit beeinträchtigen kann.147 Im Hinblick auf wiederholte Klagen deutscher Staatsangehöriger über die Kosten bei Aufgabe der polnischen Staatsangehörigkeit erklärte die Bundesregierung auf Anfrage, daß sie bei der polnischen Regierung mehrmals wegen bürokratischer Hindernisse und der hohen Entlassungsgebühren vorstellig geworden sei. Weiterhin erklärte sie:

    "Die Bundesregierung ist darüber hinaus der Auffassung, daß jeder Staat bei der Regelung seiner Staatsangehörigkeiten, wozu die Kosten der Entlassung ebenso zu zählen sind, souverän ist. Dies entspricht den Regeln des Völkerrechts. Die Höhe der Entlassungskosten wird bei Einbürgerungen von der Bundesregierung und den Bundesländern insofern berücksichtigt, als Entlassungsgebühren, die das Bruttogehalt eines Monats übersteigen, grundsätzlich als unzumutbar angesehen werden mit der Folge, daß dann auf eine Entlassung verzichtet und Mehrstaatigkeit hingenommen wird. Auf die Gebühren der Entlassung eines Deutschen, der auch eine weitere Staatsangehörigkeit besitzt, aus dieser zweiten Staatsangehörigkeit kann diese Regelung allerdings keinen Einfluß nehmen."148


    143 BT-Drs. 12/4533 (Gesetzentwurf der SPD Fraktion); 12/5684 (Entwurf des Bundesrates); 12/7318 (Beschlußempfehlung des Innenausschusses); 12/7424 (Entschließungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen).
    144 Woche im Bundestag 3/94 vom 9.2.1994, 16.
    145 Antwort der Bundesregierung auf eine Schriftliche Anfrage, BT-Drs. 13/160, 4.
    146 BvR Nr. 2124/92.
    147 Antwort der Bundesregierung auf eine Schriftliche Anfrage, BT-Drs. 12/7058, 2.
    148 Antwort der Bundesregierung auf eine Schriftliche Anfrage, BT-Drs. 12/6966, 2.