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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1994


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Peter-Tobias Stoll

VII. Personalhoheit und Staatsangehörigkeit

b. Ausübung diplomatischen Schutzes

    50. Auf eine Parlamentarische Anfrage149 berichtete die Bundesregierung ausführlich über ihre Maßnahmen im Zusammenhang mit der Inhaftierung von 23 Personen durch spanische Sicherheitskräfte in Sevilla am 21. April 1992 während der dort stattfindenden Ausstellung "Expo 92". Die Personen, die allesamt ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hatten und deutsche, lateinamerikanische bzw. türkische Staatsangehörige waren, waren zunächst inhaftiert und dann später nach Frankreich abgeschoben worden. Im November 1993 hatten spanische Gerichte festgestellt, daß Festnahme und Ausweisung rechtswidrig gewesen seien. Nach den Ausführungen der Bundesregierung haben Botschaft und Konsulat die Verhafteten versorgt und sich für ihre Freilassung eingesetzt sowie Bedenken gegen die Inhaftierung zum Ausdruck gebracht. Deutsche Stellen hätten eine Haftprüfung gefordert und gegen die Form des Vorgehens der Sicherheitskräfte protestiert. Gegen die zusagewidrige Abschiebung in einem Gefangenentransporter mit extra gesicherten Käfigen habe der Generalkonsul in scharfer Form protestiert. Er habe erreichen können, daß die Betroffenen an der französischen Grenze freigelassen und nicht – wie vorgesehen – der französischen Polizei zum Weitertransport nach Deutschland übergeben wurden. Bezugnehmend auf die von der Bundesregierung befürwortete engere Zusammenarbeit in den Mitgliedstaaten der EU führte die Bundesregierung aus: "Da die spanischen Gerichte die Unrechtmäßigkeit des Vorgehens der Sicherheitsbehörden feststellten, zeigt der geschilderte Fall, daß deutschen Bürgern und den in Deutschland lebenden Ausländern auch in den Partnerstaaten Rechtsschutz gewährt wird."150

    51. Im Berichtszeitraum beschäftigte sich die Bundesregierung mit der in § 119 des Bundessozialhilfegesetzes verankerten Möglichkeit, im Ausland lebenden Deutschen Sozialhilfe zu zahlen. Das Bundesministerium für Familie und Senioren vertrat am 2. März 1994 im Fachausschuß die Ansicht, daß diese Regelung möglichst bald abgeschafft werden solle. Neben der Mißbrauchsgefahr sei nämlich zu bedenken, daß Sozialhilfezahlungen ins Ausland die Aufgabenstellung der Sozialhilfe, integrierend zu wirken, nicht erreichen könnten. Die Bundesregierung führte aus, daß es ein besonderes Problem im Hinblick auf deutsche Staatsangehörige in Polen gebe. Ihnen werde über das deutsche Rote Kreuz (DRK) geholfen. Bislang seien dort rund 5.000 deutsche Staatsangehörige bekannt, denen geholfen werden müsse. Für 1995 rechne man mit einem Anstieg auf etwa 10.000. Seit 1972 gebe es mit Polen ein pauschaliertes Verfahren, um den Deutschen in diesem Land zu helfen. In Zusammenarbeit mit der Botschaft und anhand von Zahlenangaben polnischer Stellen werde das Existenzminimum für Polen ermittelt. Die Differenz zwischen diesem Existenzminimum und den Zahlungen, die Deutsche von polnischen Stellen erhielten, zahle die Bundesregierung. Werde dieses "verdeckte Verfahren" für Polen durch einen Sozialhilfeanspruch ersetzt, käme es zu einer "Explosion der Leistungen". Dies könne nach Ausführung der Regierung nicht ohne Folgen für das deutsch-polnische Verhältnis bleiben. Die Alternative sei ein Förderprogramm ohne Rechtsanspruch, das lediglich auf Richtlinien basiere. Da lediglich in Litauen eine nennenswerte Zahl deutscher Staatsangehöriger lebe, würden solche Zahlungen für die Staaten der ehemaligen Sowjetunion (GUS) nicht geleistet. Den Anspruch auf Hilfeleistungen hätten nicht Deutschstämmige, sondern lediglich diejenigen, die die deutsche Staatsangehörigkeit nachweisen könnten.151


    149 BT-Drs. 12/6610.
    150 Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BT-Drs. 12/6451; Woche im Bundestag 2/94 vom 26.1.1994, 59.
    151 Woche im Bundestag 5/94 vom 9.3.1994, 60.