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52. Das deutsch-schweizerische Rückübernahmeabkommen vom 20. Dezember 1993 trat am 1. Februar 1994 in Kraft.152 Zu dem Abkommen führte die Bundesregierung aus, daß die Schweiz nach der Neuregelung des deutschen Asylrechts zu den sicheren Drittstaaten zähle. Das neue Abkommen trage dem Prinzip Rechnung, daß jeder Staat die Verantwortung für diejenigen Ausländer trägt und sie wieder zurückzunehmen hat, die in einen Nachbarstaat weitergereist sind, obwohl sie die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt nicht erfüllen. Außerdem sei in Art. 12 eine enge Zusammenarbeit zwischen den schweizerischen und deutschen Grenzbehörden bei der Bekämpfung der Schleuserkriminalität und der illegalen Einreise vereinbart worden.
53. Ein Rückübernahmeabkommen wurde am 9. September 1994 mit der Republik Bulgarien abgeschlossen und trat am 15. Januar 1995 einschließlich eines Durchführungsprotokolls in Kraft.153 Nach Art. 2 werden die bulgarischen Behörden bulgarische Staatsangehörige, wenn sie sich illegal auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, ohne besondere Formalitäten selbst dann übernehmen, wenn sie nicht im Besitz eines gültigen Reisepasses oder Personalausweises sind, sofern nachgewiesen oder glaubhaft gemacht wird, daß diese Personen die bulgarische Staatsangehörigkeit besitzen. Als Nachweise nennt Abs. 2 insbesondere Staatsangehörigkeitsurkunden, Pässe aller Art, Paßersatzdokumente mit Lichtbild, Wehrpässe und Militärausweise. Im Hinblick auf die Glaubhaftmachung verweist Art. 2 Abs. 3 auf andere Dokumente für Militärangehörige, Führerscheine, Geburtsurkunden, Firmenausweise, Versicherungsnachweise, Zeugenaussagen, eigene Angaben des Betroffenen und schließlich die Sprache der Betroffenen.
54. Mit der Regierung der Tschechischen Republik unterzeichnete die Bundesregierung am 3. November 1994 in Bonn neben einem Vertrag über die gemeinsame Staatsgrenze154 und einem Abkommen über den Kleinen Grenzverkehr155 auch ein Rückübernahmeabkommen156 und ein "Abkommen über die Zusammenarbeit hinsichtlich der Auswirkungen von Wanderungsbewegungen".157 Das Rückübernahmeabkommen trat einschließlich eines Durchführungsprotokolls am 1. Januar 1995 in Kraft.158 Das Abkommen sieht in seinem Art. 9 die Einsetzung eines Expertenausschusses vor, der die Anwendung des Abkommens verfolgen, Vorschläge zur Lösung von mit der Anwendung des Abkommens zusammenhängenden Fragen vorlegen und Vorschläge zur Änderung und Ergänzung des Abkommens ausarbeiten soll. Außerdem soll er geeignete Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Einreise von Ausländern ausarbeiten und empfehlen. Anläßlich der Unterzeichnung führte Bundesinnenminister Kanther aus:
"Mit dem Vertrag nehmen die Bundesrepublik Deutschland und die Tschechische Republik ihre gemeinsame europäische Verantwortung wahr, um die durch die Migrationsbewegung entstehenden Belastungen abzumildern. Beide Staaten anerkennen damit das sich aus dem Grundsatz der guten Nachbarschaft ergebende Prinzip, daß jeder Staat die Verantwortung für diejenigen Ausländer trägt und sie wieder zurückzunehmen hat, die in den Nachbarstaat weitergereist sind, obwohl sie die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt nicht erfüllen."159 |
55. Weitere Rücknahmeabkommen schloß Deutschland mit Kroatien161 und mit Bulgarien162 ab. Das Abkommen mit Kroatien enthält neben den üblichen Bestimmungen eine Sonderregelung für die Rückführung der in die Bundesrepublik Deutschland eingereisten kroatischen ehemaligen Kriegsflüchtlinge (Art. 5). Danach soll grundsätzlich am 1. Mai 1994 eine phasenweise Rückführung der ehemaligen Kriegsflüchtlinge beginnen. Die Rückführung der Kriegsflüchtlinge, die aus einem Ort gekommen sind, der in den besetzten, umkämpften oder zerstörten Gebieten der Republik Kroatien liegt, sowie der kroatischen Kriegsflüchtlinge aus der Republik Bosnien-Herzegowina soll bis zum Januar 1995 vorläufig ausgesetzt sein, sofern dort nicht zwischenzeitlich ein Waffenstillstand eintritt oder die Republik Kroatien mit der Rückführung von Kriegsflüchtlingen in die Republik Bosnien-Herzegowina beginnt. Ausdrücklich vorgesehen ist eine Zusammenarbeit mit dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen. Die erste Phase der Rückführung soll von Mai 1994 bis Ende Oktober 1994 dauern. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland werde sich dabei von den familiären und wirtschaftlichen Verhältnissen der ehemaligen Kriegsflüchtlinge leiten lassen. Für die erforderliche enge Zusammenarbeit werde ein gemeinsamer Expertenausschuß gebildet.
56. Auf bilateraler Ebene nahm die Bundesregierung im Wege des Austauschs von Verbalnoten mehrfach zur Frage der völkerrechtlichen Verpflichtung von Staaten zur Rückübernahme ihrer Staatsangehörigen Stellung. Einer Verbalnote an die Republik Makedonien163 fügte sie ein in englischer Sprache abgefaßtes Papier über "Readmission Obligations Among States" bei, in dem es unter Nr. 1 heißt:
"Under general international law each State has the sovereign right to decide upon the admission in stay of foreigners in its territory, notwithstanding any international obligations deriving from the Geneva Convention, for example." |
"Each state is correspondingly obliged to readmit its nationals – even against their will – without further preconditions or delay if they do not (or no longer) possess a right to stay in the country concerned. This obligation to readmit is, in particular, independent of formal proof of nationality (e.g. by personal documents) if the nationality of the person involved is beyond doubt between the States concerned. The state whose nationality the person to be repatriated possesses cannot refuse to readmit that person for formal reasons, such as missing personal documents."164 |
"Gerade die Tatsache, daß die Betroffenen verpflichtet sind, Deutschland zu verlassen, bedeutet, daß sie Deutschland unfreiwillig verlassen werden; die Anforderungen von äthiopischer Seite, die Erklärung zur freiwilligen Ausreise zu fordern, hat somit zur Folge, daß die äthiopischen Staatsangehörigen Deutschland de facto nicht verlassen, weil es vorstellbar ist, daß die Betreffenden ihre Mitwirkung verweigern und diese Erklärung nicht abgeben, um ihren Aufenthalt in Deutschland zu sichern. ... Dies bedeutet, daß Äthiopien durch das Erfordernis einer Erklärung zur freiwilligen Ausreise seiner völkerrechtlichen Verpflichtungen, eigene Staatsangehörige zurückzunehmen, nicht nachkommt. Die Bundesregierung bittet, die äthiopische Regierung von dieser Rechtsauffassung zu unterrichten und bittet um Bestätigung, daß die äthiopische Regierung – im Einklang mit den Regeln des Völkerrechts – ihre eigenen Staatsangehörigen zurücknimmt; ohne Bedingungen, die dies faktisch verhindern." |
"So verständlich das Interesse an derartigen Angaben auch erscheint, ist im Zusammenhang mit dem Abkommen für die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention) vom 28. Juli 1951 überwiegende Meinung in Literatur und Staatenpraxis, daß eine solche Mitteilung gegenüber den Herkunftsstaaten zu unterbleiben hat, sofern der Betroffene nicht damit einverstanden ist." |
57. Am 29. September 1994 wurde das Protokoll über die Festlegung der technischen Bedingungen über die Übergabe von Personen an der Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen unterzeichnet, das sich auf die Durchführung des Übereinkommens zwischen den Regierungen der Staaten der Schengen-Gruppe und der Regierung der Republik Polen betreffend die Rückübernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt vom 29. März 1991 und auf das deutsch-polnische Abkommen über die Zusammenarbeit hinsichtlich der Auswirkungen von Wanderungsbewegungen vom 7. Mai 1993 bezieht. Es trat am Tag der Unterzeichnung in Kraft.167 Das Protokoll betrifft technische Aspekte der Übergaben von Personen an der Grenze und enthält Formblätter zum Antrag auf Übernahme bestimmter Personen und ein Übergabeprotokoll.168
58. Initiativen, das Ausländerrecht dergestalt zu ändern, daß es Ehegatten ein eigenständiges Aufenthaltsrecht gibt, blieben im Berichtsjahr erfolglos.169
59. Mehrfach nahm die Bundesregierung im Berichtsjahr zu der Problematik der ausländischen, überwiegend vietnamesischen ehemaligen Vertragsarbeitnehmer der DDR Stellung.170 Sie verwies auf die von der Innenministerkonferenz am 4. Mai 1993 beschlossene Bleiberechtsregelung, nach der diesen Personen eine Aufenthaltsbefugnis erteilt werden kann, sofern sie ihren Lebensunterhalt aus legaler Erwerbstätigkeit bestreiten können.171 Im Dezember 1994 seien jedoch insgesamt 40.000 Vietnamesen "vollziehbar ausreisepflichtig" gewesen. Dabei habe es sich um abgelehnte Asylbewerber, illegal eingereiste Personen und um etwa 10.000 Personen gehandelt, die nicht die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis aufgrund der Bleiberegelung erfüllt hätten. Die Durchsetzung der Ausreisepflicht sei bislang daran gescheitert, daß sich Vietnam weigere, die eigenen ausreisepflichtigen Staatsangehörigen aufzunehmen. Selbst denjenigen, die freiwillig zurückkehren wollten, werde die Rückkehr in aller Regel nicht gestattet. Die Tatsache, daß Rückführungen derzeit nicht möglich seien, schaffe einen erheblichen Anreiz für Vietnamesen zur illegalen Einreise nach Deutschland. Die weitere deutsch-vietnamesische Zusammenarbeit werde deswegen überprüft. Dabei gehe es auch um eine Neubestimmung des weiteren Ausbaus der bilateralen Zusammenarbeit mit Vietnam, insbesondere in den Bereichen Entwicklungspolitik und wirtschaftliche Zusammenarbeit.172
60. Zur Änderung des Europawahlgesetzes und dem damit eingeräumten aktiven und passiven Wahlrecht von Unionsbürgern, siehe unten, XV.a., Ziff. 265.