Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Logo Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

Sie befinden sich hier: Publikationen Archiv Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland 1994

Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1994


Inhalt | Zurück | Vor

Peter-Tobias Stoll

VIII. Ausländer

b. Asylrecht

    61. Am 27. Juni 1994 stimmte der Bundestag dem Dubliner Übereinkommen vom 15. Juni 1990 zu173, das Zuständigkeitsregelungen über die Durchführung von Asylverfahren innerhalb der Europäischen Union schafft. Zuvor wurde am 26. April 1994 in Bonn ein Protokoll zu den Konsequenzen des Inkrafttretens des Dubliner Übereinkommens für einige Bestimmungen des Durchführungsübereinkommens zum Schengener Übereinkommen (Bonner Protokoll) verabschiedet.174 Nach Art. 1 des Übereinkommens finden die Bestimmungen nach Titel II Kapitel 7 des Schengener Durchführungsabkommens sowie die in diesem Abkommen enthaltenen Begriffsbestimmungen "Asylbegehren" und "Behandlung eines Asylbegehrens" entsprechend Art. 1 des Übereinkommens mit dem Inkrafttreten des Dubliner Übereinkommens keine Anwendung mehr.

    62. Zur Zusammenarbeit der Staaten im Hinblick auf Asyl- und Flüchtlingsrecht in gesamteuropäischer Perspektive führte die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage hin aus175, daß das Dubliner Übereinkommen, das wahrscheinlich im 1. Halbjahr 1995 in Kraft treten könne, einen ersten Schritt darstelle. In der Europäischen Union würden Verhandlungen über die Harmonisierung des Asyl- und Flüchtlingsrechts geführt. Dabei gehe es zum einen um die "Auslegung und Anwendung des Flüchtlingsbegriffs des Genfer Abkommens" und andererseits um "Mindestgarantien für Asylverfahren". Ziel der Bundesregierung sei es, langfristig auch die Staaten, die nicht Mitglied der Europäischen Union sind, in ein europäisches Asylrechtssystem einzubinden.176 Im Hinblick auf die Empfehlung zur Einrichtung eines Fonds zur finanziellen und logistischen Unterstützung der neuen Mitgliedstaaten des Europarates angesichts der Zunahme von Asylsuchenden führt die Bundesregierung aus, daß sie für eine europäische Lastenverteilung eintrete. Die Bundesregierung begrüße zwar die Einrichtung eines solchen Fonds, doch sehe sie wegen der bereits erbrachten oder in Aussicht genommenen erheblichen Vorleistungen keine Möglichkeit für einen zusätzlichen Finanzbeitrag.

    63. Zu der Empfehlung, das Recht auf Asyl entweder in der europäischen Menschenrechtskonvention oder in einem separaten Abkommen mit einer Klarstellung des Status des Asylsuchenden und der Vertriebenen zu verankern sowie Kriterien zur Festlegung des Flüchtlingsstatus zu entwickeln, führte die Bundesregierung aus, daß die Parlamentarische Versammlung des Europarats bereits mit Empfehlung 293 vom 26. September 1961 dem Ministerkomitee die Verankerung eines Rechts auf Asyl im 2. Zusatzprotokoll zur EMRK empfohlen habe. Das Ministerkomitee habe die Empfehlung nicht aufgegriffen, da das Recht, Asyl zu gewähren, dem Ermessen des jeweiligen Staates vorbehalten sein müsse. Ein weiterer Versuch, das Recht auf Asyl völkervertragsrechtlich zu verankern, sei mit der Genfer Asylkonferenz der Vereinten Nationen im Jahre 1977 unternommen worden. Dazu bemerkte die Bundesregierung:

    "Diese Konferenz scheiterte letztlich gerade deshalb, weil die Schaffung eines Individualrechts auf Asyl im internationalen Rahmen nicht konsensfähig gewesen ist. Diese Sachlage gilt auch heute noch."


    173 BGBl. 1994 II, 791; BT-Drs. 12/6485; Langenfeld (Anm. 4), Ziff. 58; Walter (Anm. 29), Ziff. 63.
    174 BGBl. 1995 II, 739.
    175 BT-Drs. 12/8342.
    176 Siehe auch: Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BT-Drs. 12/6819 und Ziele und Schwerpunkte der deutschen Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union, Aktuelle Beiträge zur Wirtschafts- und Finanzpolitik 14/1994 vom 24.6.1994.