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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1994


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Peter-Tobias Stoll

XI. Rechtshilfe und Auslieferung

b. Auslieferung

    126. Im Hinblick auf das Steuerstrafverfahren gegen den in die Schweiz geflüchteten Eduard Zwick führte die Bundesregierung auf Anfrage aus, daß eine Auslieferung aus der Schweiz nicht in Frage komme. Eine Auslieferung auf der Grundlage des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 komme nicht in Betracht, weil nach Art. 5 des Übereinkommens vor Auslieferungen in Abgaben-, Steuer-, Zoll- und Devisenstrafsachen eine Vereinbarung erforderlich sei, die mit der Schweiz nicht bestehe, weil nach schweizerischem Recht einem Ersuchen in der internationalen Rechtshilfe nicht entsprochen werden könne, wenn Gegenstand des ausländischen Verfahrens eine Verkürzung fiskalischer Abgaben sei. Das 2. Zusatzprotokoll zum Europäischen Auslieferungsübereinkommen beziehe zwar fiskalische Straftaten ein; insoweit habe die Schweiz jedoch � wie eine Reihe anderer Staaten auch � einen Vorbehalt angebracht. Die Bundesregierung verfolge das Ziel, zur Erleichterung der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen in weitestmöglichem Umfang Vereinbarungen zu schließen, die eine Auslieferung auch wegen fiskalischer Delikte vorsehen. Von Deutschland abgeschlossene bilaterale Auslieferungsverträge, insbesondere mit den USA, Kanada und Australien, bezögen solche fiskalischen Straftaten ein.291

    127. Im Hinblick auf die Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und der organisierten Kriminalität führte die Bundesjustizministerin im Rechts- und Innenausschuß des Europäischen Parlaments aus, daß Bemühungen unternommen würden, auf europäischer Ebene Übereinstimmung über eine schnelle Auslieferung von Straftätern als wichtiges Element im Kampf gegen die organisierte Kriminalität zu erreichen.292

    128. In einem Bericht über den Vollzug des Überstellungsausführungsgesetzes vom 21. März 1983293, das der Umsetzung des Übereinkommens vom 21. März 1983 über die Überstellung verurteilter Personen294 dient295, führte die Bundesregierung aus, daß von dem Übereinkommen insgesamt nur zögerlich Gebrauch gemacht worden sei.296 Maßgeblich für die geringe Anwendung des Übereinkommens in Deutschland sei u.a. das bestehende Mißtrauen der Strafvollstreckungsbehörden in die Vollstreckungspraxis der anderen Mitgliedstaaten. Die Bundesregierung sei im Rahmen des Möglichen bestrebt, eine verstärkte Anwendung des Übereinkommens zu erreichen. Die mit dem Überstellungsausführungsgesetz neu eingeführte Festhalteanordnung sei im Berichtszeitraum lediglich in acht Fällen erlassen, aber in keinem Fall vollstreckt worden. Die Festhalteanordnung erlaubt es, verurteilte Personen, die nach ihrer Überstellung in ihren Heimatstaat in der Bundesrepublik Deutschland zu einem Zeitpunkt angetroffen werden können, zu dem im Hinblick auf die Höhe der noch zu verbüßenden Sanktionen Grund zu der Annahme besteht, daß sie sich der Vollstreckung der Sanktion im Heimatstaat durch Flucht entzogen haben, für die Dauer von maximal 18 Tagen zu inhaftieren. Sie dient dem Ziel, während dieser Zeit durch geeignete Nachforschungen im Vollstreckungsstaat festzustellen, ob die Vollstreckung nach dessen Recht ausnahmsweise als beendet anzusehen ist und somit auch der deutsche Strafvollstreckungsanspruch erloschen ist.297


    291 Recht, Informationen des Bundesministeriums der Justiz, 4/94, 72.
    292 Recht, Informationen des Bundesministeriums der Justiz, 5/94, 75.
    293 BGBl. 1991 I, 1954.
    294 BGBl. 1991 II, 1006.
    295 Es ist zusammen mit dem Übereinkommen am 1.2.1992 in Kraft getreten, BGBl. 1991 I, 1232.
    296 BT-Drs. 12/7177. Nach dem Bericht sind seit dem Inkrafttreten nur zehn Überstellungen nach Deutschland sowie 23 Überstellungen aus Deutschland ins Ausland erfolgt. 17 Fälle davon hätten die Niederlande, weitere Fälle Dänemark, Schweden, Österreich, die Schweiz, Großbritannien und die Tschechische Republik betroffen.
    297 Ibid.