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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1994


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Peter-Tobias Stoll

XIII. Umwelt- und Naturschutz

f. Artenschutz und biologische Vielfalt

    213. Zu dem am 21. März 1994 für Deutschland in Kraft getretenen Übereinkommen vom 5. Juni 1992 über die biologische Vielfalt487 erklärte die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, daß die Umsetzung der Naturschutzbestimmungen des Übereinkommens in die Zuständigkeit der Länder falle.488 Dort könne das Übereinkommen neue Impulse für die Verstärkung von Naturschutzmaßnahmen geben. Die von der Konvention geforderte nationale Strategie zum Schutz der biologischen Vielfalt in Deutschland werde zur Zeit vorbereitet.489 Die Bundesregierung habe sich intensiv für die Zeichnung und Ratifikation der Übereinkommen auch innerhalb der Europäischen Union eingesetzt und unterstütze ihre Umsetzung u.a. durch Finanzbeiträge und auch durch die Bereitschaft, die 4. internationale technische Konferenz der FAO über Erhaltung und nachhaltige Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen in Deutschland auszurichten.490 Der Begriff der "nachhaltigen Nutzung" bedeute nach der Begriffsbestimmung in Art. 2 des Übereinkommens "die Nutzung der biologischen Vielfalt in einer Weise und in einem Ausmaß, die nicht zum langfristigen Rückgang der biologischen Vielfalt führe, wodurch ihr Potential erhalten bleibt, die Bedürfnisse und Wünsche heutiger und künftiger Generationen zu erfüllen." Dazu führte die Bundesregierung aus:

    "Diese Zielsetzung kann nach Auffassung der Bundesregierung nur erreicht werden, wenn ein ausreichend großer Anteil natürlicher und naturnaher Lebensräume in Form von Schutzgebieten erhalten bzw. wieder hergestellt wird und außerhalb der Schutzgebiete grundsätzlich alle Nutzungen nach dem Prinzip der Nachhaltigkeit erfolgen, d.h. die Regenerationsfähigkeit der natürlichen Ressourcen nicht beeinträchtigen."491
    Zu den in Art. 15 des Übereinkommens statuierten souveränen Rechten der Staaten in bezug auf ihre natürlichen Ressourcen und zu der ihnen zugewiesenen Kompetenz, den Zugang zu den genetischen Ressourcen zu regeln, führte die Bundesregierung auf Parlamentarische Anfrage aus:
    "Nach Auffassung der Bundesregierung sind in der Bundesrepublik Deutschland keine Maßnahmen erforderlich, um die im Übereinkommen über die biologische Vielfalt geforderte Sicherung der souveränen Rechte der Staaten in bezug auch auf ihre natürlichen Ressourcen durchzusetzen oder den Zugang zu genetischen Ressourcen zu regeln. Im Rahmen des für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland geltenden Rechts ist der Zugang zu genetischen Ressourcen grundsätzlich für jedermann frei, soweit nicht durch individuellere Eigentumsrechte (u.a. auch Sortenschutz, Patentrechte) Nutzungsbeschränkungen bestehen. Weitere Nutzungsbeschränkungen ergeben sich vor allem aus dem Naturschutzrecht, um die Erhaltung der biologischen Vielfalt generell zu gewährleisten; dabei wären besonders gefährdete Tier- und Pflanzenarten vor allem durch die Bundesartenschutzverordnung geschützt und unterliegen damit Nutzungsbeschränkungen. Die bestehenden Rechtsvorschriften werden bei Bedarf neuen Erkenntnissen angepaßt."492
    Für andere Vertragsparteien bestehe die Möglichkeit, in Ausübung ihrer souveränen Rechte in bezug auf ihre natürlichen Ressourcen nationale Regelungen zu treffen oder weiterzuentwickeln, um eine umweltverträgliche Nutzung zu gewährleisten.493 Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 3 des Übereinkommens und das darin vorgesehene Protokoll über geeignete Verfahren im Bereich der sicheren Weitergabe, Handhabung und Verwendung der durch Biotechnologie hervorgebrachten lebenden Organismen erklärte die Bundesregierung auf Anfrage, daß sie sich auf der ersten Vertragsstaatenkonferenz zu dem Übereinkommen für eine Prüfung einsetzen werde, ob, mit welchem Regelungsinhalt und mit welcher Regelungsdichte entsprechende Vorschriften als Protokoll des Übereinkommens ausgearbeitet werden können oder sollen.494

    214. Im Hinblick auf den internationalen Artenschutz wurde im Bundestag ein besserer Schutz von Tropenhölzern diskutiert.495 Im Vorfeld der Vertragsstaatenkonferenz zum Washingtoner Artenschutzübereinkommen haben Deutschland und andere EG-Mitgliedstaaten Änderungsanträge zu den Anhängen I und II des Übereinkommens vorbereitet. Die Bundesregierung prüfte gemeinsam mit den betroffenen Ursprungsländern, ob die Aufnahme bestimmter Arten in Anhang II des Übereinkommens beantragt werden soll, wobei es vor allem um verschiedene Tropenholzarten ging.496

    215. Das Abkommen vom 31. März 1992 zur Erhaltung der Kleinwale in der Nord- und Ostsee trat für Deutschland am 29. März 1994 in Kraft.497 Auf Parlamentarische Anfrage erklärte die Bundesregierung, daß sie im Hinblick auf das Übereinkommen ein Forschungsvorhaben durchgeführt habe, mit dem u.a. auch ein System freiwilliger Meldungen von Fischern zur Erfassung von Beifängen eingerichtet worden sei. Daneben sei geplant, ein wissenschaftliches Beobachtungsprogramm für die deutsche Fischerei durchzuführen. Die Problematik der Beifänge werde von der Bundesregierung als eine entscheidende Gefährdungsursache für die Bestände von Kleinwalen angesehen. Auf der ersten Vertragsstaatenkonferenz des Abkommens werde sich daher die Bundesregierung dafür einsetzen, daß über die bestehenden Meldesysteme hinaus bei den Vertragspartnern Beobachterprogramme zur wissenschaftlichen Erfassung von Beifängen eingerichtet werden, um die Gefährdung der Kleinwale durch bestimmte Fangarten genauer zu untersuchen.498

    216. Auf der 4. Vertragsstaatenkonferenz zur Bonner Konvention zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten im Juni 1994 wurden 54 Arten neu in die Anhänge der Konvention aufgenommen. Darunter befinden sich 50 Wasservogelarten, deren Aufnahme auf Antrag der Bundesrepublik Deutschland erfolgte.499


    487 BGBl. 1992 II, 1741, BGBl. 1995 II, 350; siehe Langenfeld (Anm. 4), Ziff. 140, Walter (Anm. 29), Ziff. 185; Umwelt 2/1994, 56.
    488 BT-Drs. 12/6568.
    489 Ibid., 5.
    490 Ibid., 6.
    491 Ibid.
    492 BT-Drs. 13/59, 20.
    493 BT-Drs. 13/59, 23.
    494 Ibid., 19.
    495 Woche im Bundestag 10/94 vom 25.5.1994, 34.
    496 Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BT-Drs. 12/6568; siehe auch BT-Drs. 12/7825.
    497 BGBl. 1993 II, 1113; BGBl. 1994 II, 662.
    498 BT-Drs. 13/160, 84.
    499 Umwelt 9/1994, 327.