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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1994


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Peter-Tobias Stoll

XV. Europäische Gemeinschaften

c. Sonstige Entwicklungen

    273. Die Änderung des Protokolls über die Satzung der Europäischen Investitionsbank wurde mit Rechtsakt vom 25. März 1993 von Deutschland ratifiziert und trat im Berichtszeitraum in Kraft.693 Mit der Änderung wird der Satzung der Europäischen Investitionsbank ein Art. 30 angefügt, mit dem der Rat der Gouverneure der Bank ermächtigt wird, einen europäischen Investitionsfonds zu errichten.

    274. Das Abkommen vom 9. Oktober 1992 zwischen Deutschland und den Europäischen Gemeinschaften über die Durchführung des Art. 11 des Anhangs VIII des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften wurde im Berichtszeitraum ratifiziert und trat in Kraft.694 Das Abkommen betrifft Rechte von Beamten oder Bediensteten auf Zeit der Gemeinschaften und dient dazu, die in Art. 11 des in Anhang VIII des Statuts enthaltenen Regelungen so durchzuführen, daß die rechtlichen und technischen Voraussetzungen geschaffen werden können, den Rechten dieser Personengruppe im Hinblick auf die Rentenversicherung Rechnung zu tragen.

    275. Gestützt auf Art. K.3 Abs. 2 b des Vertrages über die Europäische Union beschloß der Rat am 30. November 1994 gemeinsame Maßnahmen über Reiseerleichterungen für Schüler von Drittstaaten mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat.695

    276. Zu den Zielen und Schwerpunkten der deutschen Präsidentschaft gehörte auch eine Ratsentscheidung über die Einrichtung europäischer Betriebsräte und Entscheidungen zu den Richtlinien über die Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverhältnisse.696

    277. Das Grünbuch der Kommission über die europäische Sozialpolitik � Weichenstellung für die Europäische Union697 � wurde intensiv im Bundestag diskutiert. Der Bundestag nahm eine Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung am 15. April an.698 Darin wird der Überzeugung Ausdruck gegeben, daß ein Sockel von gemeinschaftsweit verbindlichen Mindeststandards in sozialen Kernbereichen Ziel einer europäischen Sozialpolitik ist. Mindeststandards seien das geeignete Instrument, um stufenweise, unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungskraft der Mitgliedstaaten, wirtschaftliche und soziale Konvergenz i.S. des Fortschritts zu verwirklichen. Weiterhin tritt der Bundestag dafür ein, daß sozialpolitische Entscheidungen soweit wie möglich von allen 12 Mitgliedstaaten gemeinsam getroffen werden und fordert dazu auf, das Abkommen der Elf über die Sozialpolitik voll anzuwenden, wenn ein Konsens trotz intensiver Bemühungen nicht zustande kommt. Ferner appelliert der Bundestag an Großbritannien, dem Sozialabkommen doch noch beizutreten.699

    278. Eine wichtige Rolle spielte im Berichtszeitraum die EG-Bananenmarktordnung.700 Die Bananenmarktordnung war ursprünglich in die Einfuhrliste � Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz � übernommen worden.701 Am 3. Februar 1994 beschloß der Deutsche Bundestag jedoch auf Empfehlung des Wirtschaftsausschusses, die Aufhebung der Vorschriften der 122. Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste zu verlangen, durch die die EG-Bananenmarktordnung in die Einfuhrliste übernommen worden war. Dem entsprach die Bundesregierung mit Erlaß der 124. Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste vom 18. März 1994.702 Zur Begründung führt die Bundesregierung aus703:

    "Durch Aufhebung der Einfuhrliste hinsichtlich der EG-Bananenmarktordnung wird weder deren Geltung noch ihre Bußgeldbewehrung berührt. Als vorrangiges Gemeinschaftsrecht gilt die EG-Bananenmarktordnung bis zu ihrer Aufhebung durch eine Änderung der Verordnung ... durch den Rat der Europäischen Gemeinschaft oder durch ein entsprechendes Urteil des EuGH fort. Solange die EG-Bananenmarktordnung fortgilt, sind der Zoll und andere deutsche Behörden verpflichtet, die Beachtung der EG-Bananenmarktordnung sicherzustellen."704
    Auf eine Kleine Anfrage nahm die Bundesregierung ausführlich zu den Auswirkungen der EG-Bananenmarktordnung Stellung:
    "Die Bundesregierung ist der Überzeugung, daß sich die Gemeinsame Marktorganisation für Bananen (GMO) sowohl für die Erzeuger von Bananen und den Außenhandel der lateinamerikanischen und karibischen Staaten als auch für die Verbraucher und den Handel mit Bananen in der Bundesrepublik Deutschland nachteilig auswirkt. Die Bundesregierung hat deshalb vor dem Europäischen Gerichtshof Klage gegen den Außenhandelsteil der GMO erhoben. Mit einer Entscheidung über diese Klage ist jedoch nicht vor Mitte 1994 zu rechnen. Die Bundesregierung hat daher bereits im Oktober 1993 bei der Europäischen Kommission eine Erhöhung des Bananenzollkontingents beantragt. Die Kommission der EU hat jedoch mehrfach erklärt, daß sich für die Behandlung des deutschen Antrags keine Mehrheit finden lasse. ... Sie sieht sich in dieser Haltung bestärkt durch den GATT-Panel-Spruch vom 11. Februar 1994, der ergeben hat, daß wichtige Elemente der GMO (allgemeine Zollregelung, Null-Zollsatz für AKP-Bananen, Verteilungsregelung der Importlizenzen auf traditionelle Dollar-Bananenhändler und EG-/AKP-Bananenhändler) nicht mit dem GATT vereinbar sind."705


    693 Zustimmungsgesetz vom 13.1.1994, BGBl. 1994 II, 90, in Kraft getreten am 1.5.1994, BGBl. 1994 II, 802.
    694 Zustimmungsgesetz vom 11.5.1994, BGBl. 1994 II, 622, in Kraft getreten am 1.10.1994, BGBl. 1995 II, 51.
    695 94/795/JI ABl. Nr. 327, 1 vom 19.12.1994.
    696 Ziele und Schwerpunkte (Anm. 176), 15.
    697 KOM (93), 551 endg. -Rats-Dok. Nr. 10401/93 vom 3.1.1994, siehe auch BT-Drs. 12/7243.
    698 BT-Drs. 12/7243.
    699 Woche im Bundestag 7/94 vom 20.4.1994, 28, 30 und 31.
    700 Verordnung (EWG) Nr. 404/93 vom 13.2.1993.
    701 Einfuhrliste in der Fassung der Verordnung vom 22.12.1993, BAnz. Nr. 246 vom 31.12.1993 � Beilage, 11153.
    702 BT-Drs. 12/7155, verkündet am 23.3.1994 im BAnz. Nr. 57 vom 23.3.1994, 3054.
    703 BT-Drs. 12/7155, 4.
    704 Siehe auch Woche im Bundestag 7/94 vom 20.4.1994, 72 und Woche im Bundestag 10/94 vom 25.5.1994, 64.
    705 BT-Drs. 12/7230; Woche im Bundestag 8/94 vom 27.4.1994, 27.