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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1994


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Peter-Tobias Stoll

V. See- und Flußrecht

a. Seerecht

    24. Die Bemühungen, das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 1982 (SRÜ)61 unter Beteiligung auch derjenigen Staaten, die es bisher nicht gezeichnet hatten, in Kraft zu setzen, wurden im Berichtszeitraum fortgesetzt und erfolgreich abgeschlossen. Das SRÜ trat daraufhin zum 16. November 1994 insgesamt und unter anderem auch für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft.62 Das Übereinkommen war mit der Schlußakte der Seerechtskonferenz auf der Schlußsitzung der 3. Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen, die vom 6. bis 10. Dezember 1982 in Montego Bay (Jamaika) stattfand, zur Zeichnung aufgelegt worden.63 Die Schlußakte wurde von 140 Staaten � darunter auch Deutschland � und der Europäischen Gemeinschaft gezeichnet.64 Davon zu unterscheiden ist die Zeichnung des Abkommens selbst: Bis zum Schluß der Zeichnungsfrist am 9. Dezember 1984 lagen 159 Zeichnungen vor.65 Eine Reihe von Staaten � unter ihnen auch die Bundesrepublik Deutschland, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten � zeichneten jedoch das Übereinkommen nicht.66 Maßgeblich war dafür insbesondere die Kritik der westlichen Industrieländer an Teil XI des Übereinkommens, der den Tiefseebodenbergbau regelt:

    "Diese [Kritik] bezog sich insbesondere auf die unzureichende Berücksichtigung ... [der] Interessen [der westlichen Industrieländer] an den Entscheidungsverfahren der künftigen internationalen Meeresbodenbehörde sowie den Regelungen zu Abgabelasten, Abbaubeschränkungen, Behördenunternehmen, Technologietransfer und zur Überprüfungskonferenz. Die mittel- und osteuropäischen Staaten sowie einige Entwicklungsländer haben sich in den letzten Jahren der kritischen Bewertung des SRÜ-Tiefseebergbauteils angeschlossen."67
    Die Bundesrepublik Deutschland versuchte ihren Standpunkt als Nichtunterzeichnerstaat mit Beobachterstatus in der Vorbereitungskommission geltend zu machen, die in dem SRÜ vorgesehen war und 1983 ihre Arbeit aufnahm. Diese Kommission habe sich aber "... aus rechtlichen (Mandat) und politischen Gründen (fehlende Teilnahme der USA) zur Lösung der wirtschafts- und finanzpolitisch umstrittenen Kernfragen als ungeeignet" erwiesen.68
    Ab Juli 1990 wurden "die Bemühungen um Modifikation der SRÜ-Tiefseebodenbergbauregelungen (Teil XI)" in Form eines "Konsultationsprozesses unter Leitung des VN-Generalsekretärs (sog. Dialog)" fortgesetzt.
    "Die Schaffung dieses neuen Forums ermöglichte die Einbeziehung der USA, die nach 1982 den Seerechtsverhandlungen ferngeblieben waren. Ziel war die Erarbeitung von Tiefseebodenbergbauregelungen, die ein Inkrafttreten des SRÜ auf breiter Ebene und unter Einschluß der Industrieländer ermöglichen. Das politische Mandat hierfür konnte nach Überwindung anfänglicher Widerstände eines Teils der Entwicklungsländer in der jährlichen Seerechtsresolution der VN-Generalversammlung verankert werden."69
    Da aufgrund des Ratifikationsstandes das Inkrafttreten des SRÜ nach dessen Art. 308 Abs. 1 SRÜ zum 16. November 1994 bevorstand70, verstärkten die Vereinten Nationen im Berichtsjahr ihre Bemühungen, die Bedenken einzelner Staaten gegen das Übereinkommen, die sich insbesondere auf den Teil XI bezogen, auszuräumen und damit diesen Staaten zu ermöglichen, dem Übereinkommen beizutreten.71

    25. In vier weiteren informellen Konsultationen des Generalsekretärs von November 1993 bis Juni 1994 gelang ein Durchbruch: Die Parteien einigten sich auf einen Entwurf eines Übereinkommens zur Durchführung des Teils XI des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 (Agreement Relating to the Implementation of Part XI of the United Nations Convention on the Law of the Sea of 10 December 1982 [Durchführungsübereinkommen])72 und darauf, den Entwurf der Generalversammlung nach Wiederaufnahme der 48. Tagung am 27. und am 28. Juli 1994 zur Beschlußfassung vorzulegen. Ein von der Konsultationsrunde vorgeschlagener Resolutionsentwurf wurde daraufhin mit 121 Stimmen ohne Gegenstimme und bei 7 Enthaltungen als Resolution 48/263 angenommen.73 Dabei führte der deutsche Vertreter für die Europäische Union aus:

    "On behalf of the European Union we wish to express our very great satisfaction at seeing the efforts made in the consultations organized by the Secretary General terminate in a positive and very tangible outcome. It is a particular privilege for me to be able to announce that the European Community has decided to sign the agreement on the application of Part XI of the United Nations Convention on the Law of the Sea as soon as that instrument is open for signing. After four years of arduous consultations, crowned by the adoption of the Resolution, the United Nations Convention on the Law of the Sea � together with the Agreement on the application of Part XI thereof is now acceptable to the largest possible number of States. We are pleased to note the elimination of the inadequacies and imperfections of some of the provisions in the arrangements relating to the sea-bed, to which the Community drew attention when it signed the Convention on 7 December 1984. Need I point out that during these twelve long years since it was open for signing, universal participation in the United Nations Convention on the Law of the Sea, a real triumph of codification and progressive development of international law, has been to some extent prevented, precisely because of those questions which were the subject of the consultations which have just been concluded? We are convinced, Mr. President, that the texts which this assembly is going to adopt will constitute the lever which will set in motion that accumulation of legal wisdom and ingenuity that is the United Nations Convention on the Law of the Sea, to the great benefit of humanity."74
    Das Durchführungsübereinkommen trägt nach seiner Präambel den "politischen und wirtschaftlichen Veränderungen, einschließlich marktorientierter Ansätze, die sich auf die Durchführung des Teils XI auswirken"75 in dem Wunsch Rechnung, "die weltweite Teilnahme am Seerechtsübereinkommen zu erleichtern."76 Es sieht vor, daß seine Vertragsstaaten Teil XI des Seerechtsübereinkommens im Einklang mit dem Durchführungsübereinkommen anwenden sollen (Art. 1 des Durchführungsübereinkommens, Ziff. 4 der Resolution 48/263).77 Dementsprechend soll das Durchführungsübereinkommen und Teil XI des Seerechtsübereinkommens zusammen als eine Übereinkunft ausgelegt und angewendet werden. Im Falle eines Widerspruchs zwischen beiden ist das Durchführungsübereinkommen maßgebend (Art. 2 des Durchführungsübereinkommens78). Die materiellen Regelungen, die damit zur Anwendung kommen, sind in einer Anlage enthalten, die Bestandteil des Übereinkommens ist (Art. 1 Abs. 2). Darin werden in neun Abschnitten besondere Regelungen getroffen, die sich auf die ursprünglichen Bestimmungen des Teil XI des Übereinkommens beziehen.79 Es werden damit insgesamt nicht nur materielle, sondern auch institutionelle und verfahrensbezogene Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens angesprochen. In dem Bestreben, sicherzustellen, daß das Durchführungsübereinkommen in gleichem Maße Geltung beanspruchen kann wie das Seerechtsübereinkommen, hat die Generalversammlung in der Resolution 48/263, Ziff. 5 ihre Auffassung erklärt,
    " ... daß künftige Ratifikationen oder förmliche Bestätigungen des Seerechtsübereinkommens oder Beitritte dazu gleichzeitig auch die Zustimmung darstellen, durch das Durchführungsübereinkommen gebunden zu sein, und daß ein Staat oder Rechtsträger nicht seine Zustimmung bekunden darf, durch das Durchführungsübereinkommen gebunden zu sein, wenn er nicht zuvor seine Zustimmung bekundet hat oder gleichzeitig bekundet, durch das Seerechtsübereinkommen gebunden zu sein."
    In dem Übereinkommen selbst tragen die Art. 4 bis 7 dem Interesse Rechnung, daß sich die Geltung des Seerechtsübereinkommens mit dem des Durchführungsübereinkommens deckt. Nach Art. 4 Abs. 1 soll nach Annahme des Durchführungsübereinkommens jede Ratifikation, jeder Beitritt oder jede förmliche Bestätigung des Seerechtsübereinkommens auch die Zustimmung darstellen, durch das Durchführungsübereinkommen gebunden zu sein. Nach Abs. 3 des Art. 4 werden den Staaten erleichterte Möglichkeiten eingeräumt, ihre Zustimmung zu erklären, durch das Durchführungsübereinkommen gebunden zu sein.80 Ein vereinfachtes Verfahren ist nach Art. 5 für diejenigen Staaten vorgesehen, die zum Zeitpunkt der Annahme des Durchführungsübereinkommens bereits das Seerechtsübereinkommen ratifiziert hatten, ihm beigetreten waren oder es förmlich bestätigt hatten.81 Art. 7 sieht schließlich eine vorläufige Anwendung des Durchführungsübereinkommens vor, die dann eingreifen soll, wenn es bis zum Inkrafttreten des Seerechtsübereinkommens am 16. November 1994 noch nicht in Kraft getreten ist. Das Durchführungsübereinkommen wurde am 29. Juli 1994 zur Zeichnung aufgelegt und sogleich von 41 Mitgliedstaaten der VN, darunter allen EU-Staaten und den USA und der EU selbst gezeichnet.
    Deutschland hinterlegte am 10. Oktober 1994 am Sitze der Vereinten Nationen in New York seine Beitrittsurkunde.82 Dazu erklärte Bundesaußenminister Kinkel:
    "Der heutige Beitritt Deutschlands zum Seerechtsübereinkommen rechtzeitig vor dessen Inkrafttreten demonstriert den aktiven Einsatz der Bundesregierung für die Ziele der Vereinten Nationen. Das Seerechtsübereinkommen schafft eine umfassende Ordnung für den Meeresraum, d.h. für über zwei Drittel der Erdoberfläche. Deutschland, das als einer der ersten großen Industriestaaten Vertragspartei wird, nimmt hier eine Vorreiterrolle ein. Besonders begrüße ich, daß es durch den rechtzeitigen Beitritt gelungen ist, den künftigen Internationalen Seegerichtshof endgültig nach Hamburg zu holen."83
    Er führte aus, daß aus der Sicht der Bundesregierung mit dem Durchführungsabkommen "... den Bedenken, die von allen Industrieländern an der ursprünglich im SRÜ enthaltenen Tiefseebergbauregelung geäußert wurden, in zufriedenstellender Weise Rechnung getragen" werde84 und erläuterte dies im einzelnen wie folgt:
    "� Die Organe der Internationalen Meeresbodenbehörde werden nur insoweit eingerichtet und sie tagen nur, soweit das zur Erledigung der reduzierten Aufgaben erforderlich ist. Ihre Kosten werden bis ein Jahr nach Inkrafttreten des Übereinkommens aus dem VN-Haushalt bestritten und danach durch Beiträge der Mitgliedstaaten, bis sich die Meeresbodenbehörde durch eigene Einnahmen aus dem Tiefseebergbau selbst finanzieren kann. Bis dahin sind die fünf größten Beitragszahler (USA, Japan, Deutschland, Rußland, Frankreich) Mitglieder des Finanzausschusses, der über alle finanziellen Fragen im Konsens entscheidet.
    � Bei Sachentscheidungen des Rates der Meeresbodenbehörde ist neben einer Zweidrittelmehrheit zum einen auch die Hälfte der Stimmen in den aus jeweils vier Mitgliedern bestehenden drei Gruppen der Importeure und Verbraucher, der acht größten Tiefseebergbaustaaten sowie der Landproduzenten und Exporteure, desweiteren auch die Hälfte der Stimmen der außerhalb dieser drei Gruppen im Rat vertretenen Entwicklungsländer notwendig. Dieses Abstimmungssystem nach Kammern erlaubt es den genannten Gruppen, ihre wichtigen Interessen zu schützen.
    � Die Funktionen des Behördenunternehmens werden zunächst vom Sekretariat der Internationalen Meeresbodenbehörde wahrgenommen. Der Rat wird über die Unabhängigkeit des Behördenunternehmens entscheiden, wenn es in der Lage ist, sich auf wirtschaftlicher Basis an einem Joint-Venture zu beteiligen. Es darf seine Operationen nur im Rahmen von Joint-Ventures beginnen, und die Mitgliedstaaten brauchen seine Operationen nicht zu finanzieren.
    � Die Vorschriften über die Überprüfungskonferenz und den mandatorischen Technologietransfer werden für unanwendbar erklärt.
    � Die Produktionsbegrenzung beim Tiefseebergbau wird aufgegeben und durch eine Antisubventionsregelung auf der Basis des entsprechenden GATT-Kodex bzw. entsprechender Nachfolgeübereinkommen ersetzt.
    � Der Kompensationsfonds für negativ vom Tiefseebergbau betroffene Produzentenländer unter den Entwicklungsländern wird durch einen Fonds der wirtschaftlichen Anpassungsmaßnahmen ersetzt, der nur aus den Abgaben der Tiefseebergbauunternehmen an die internationale Meeresbodenbehörde gespeist werden darf, soweit sie nicht zur Deckung der Verwaltungskosten gebraucht werden. Entsprechende Anpassungsmaßnahmen sollen von bestehenden Institutionen (Weltbank, regionale Entwicklungsbanken, IWF) ausgearbeitet werden.
    � Das komplizierte Abgabensystem wird aufgegeben. Es soll durch ein später auszuarbeitendes System ersetzt werden. Dafür sind Prinzipien festgelegt."

    26. Bei Hinterlegung der Beitrittsurkunde gab die Bundesrepublik Deutschland eine Reihe von Erklärungen ab85:
    Einleitend wies sie darauf hin, daß für sie "die Verbindung zwischen Teil XI des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 und dem Übereinkommen vom 28. Juli 1994 zur Durchführung des Teils XI des Seerechtsübereinkommens, wie in Art. 2 Abs. 1 des letztgenannten Übereinkommens vorgesehen, von grundlegender Bedeutung" ist.
    Die Bundesrepublik Deutschland nahm gemäß Art. 287 SRÜ zur Wahl der Mittel für eine friedliche Beilegung von Streitigkeiten Stellung. Danach spricht sich Deutschland "in Ermangelung eines anderen friedlichen Mittels" in dieser Reihenfolge für die folgenden Mittel zur Beilegung von Streitigkeiten aus:

1. den in Übereinstimmung mit Anlage VI errichteten Internationalen Seegerichtshof;
2. ein in Übereinstimmung mit Anlage VIII gebildetes besonderes Schiedsgericht;
3. den Internationalen Gerichtshof.
    Ferner wird, "wiederum in Ermangelung jedes anderen friedlichen Mittels ... die Gültigkeit des besonderen Schiedsverfahrens für jede Streitigkeit über die Auslegung oder Anwendung des Seerechtsübereinkommens in bezug auf die Fischerei, den Schutz und die Bewahrung der Meeresumwelt, die wissenschaftliche Meeresforschung oder die Schiffahrt einschließlich der Verschmutzung durch Schiffe und durch Eindringen" anerkannt.
    Wiederum wortgleich mit der Erklärung bei Zeichnung gab Deutschland eine allgemeine Erklärung zur Rechtswahrung im Hinblick auf bereits abgegebene oder künftig abzugebende Erklärungen von Staaten bei Zeichnung, Ratifikation oder Beitritt zum Seerechtsübereinkommen ab und bezog sich dabei auf Erklärungen, die die Deutsche Bundesregierung während der dritten Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen abgegeben hat.86
    Im Hinblick auf "Küstenmeer, Archipelgewässer, Meerengen" heißt es, daß die Bestimmungen über das Küstenmeer einen Ausgleich "zwischen den berechtigten Wünschen der Küstenstaaten nach Schutz ihrer Souveränität und denen der internationalen Gemeinschaften nach Ausübung des Durchfahrtsrechts" schaffen. Weiterhin heißt es:
    "Das Recht, das Küstenmeer bis auf 12 sm auszudehnen, wird die Bedeutung des Rechts der friedlichen Durchfahrt durch das Küstenmeer für alle Schiffe einschließlich Kriegsschiffe, Handelsschiffe und Fischereifahrzeuge beträchtlich verstärken; das ist ein Grundrecht der Völkergemeinschaft. Keine Bestimmung des Übereinkommens, das insoweit geltendes Völkerrecht widerspiegelt, kann als Berechtigung für einen Küstenstaat betrachtet werden, die friedliche Durchfahrt für eine bestimmte Kategorie fremder Schiffe von einer vorherigen Genehmigung oder Benachrichtigung abhängig zu machen."
    In diesem Zusammenhang wies Deutschland auf die Regelungen zur Transitpassage hin:
    "Voraussetzung für die Anerkennung des Rechts der Küstenstaaten auf Ausdehnung des Küstenmeers ist das Rechtssystem der Transitdurchfahrt durch Meerengen, die der internationalen Schiffahrt dienen."
    Ausdrücklich wird darauf verwiesen, daß Art. 38 "das Recht der Transitdurchfahrt nur in den Fällen ein[schränke], in denen eine Route zur Verfügung steht, die unter navigatorischen und hydrographischen Gesichtspunkten, einschließlich des schiffahrtswirtschaftlichen, ebenso geeignet ist."
    Zur Durchfahrt durch Archipelgewässer heißt es:
    "Nach dem Übereinkommen ist die Durchfahrt auf Archipelschiffahrtswegen nicht von der Bezeichnung bestimmter Schiffahrtswege oder Flugstrecken durch die Archipelstaaten abhängig, soweit bestehende Strecken durch das Archipel vorhanden sind, die normalerweise für die internationale Schiffahrt genutzt werden."
    Bei der ausschließlichen Wirtschaftszone handele es sich um einen "völkerrechtlich neue[n] Begriff." In dieser Zone würden den Küstenstaaten "genau umrissene Rechte und Hoheitsbefugnisse über die Ressourcen eingeräumt." Hervorgehoben wird, daß "alle übrigen Staaten ... weiterhin die Freiheit der Hohen See in bezug auf Schiffahrt, Überflug sowie jede sonstige völkerrechtlich zulässige Nutzung des Meeres" genießen. "Diese Nutzung wird auf friedliche Weise wahrgenommen, d.h. im Einklang mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen." Die Ausübung dieser Rechte könne "nicht so ausgelegt werden, als beeinträchtige sie die Sicherheit des Küstenstaates oder seiner Rechte und Pflichten aus dem Völkerrecht":
    "Demgemäß kann der Begriff einer 200-Meilen-Zone mit allgemeinen Rechten bzgl. Souveränität und Hoheitsbefugnissen des Küstenstaats weder im allgemeinen Völkerrecht noch aufgrund der einschlägigen Bestimmungen des Übereinkommens als rechtsgültig anerkannt werden."
    Zum Verweis der Regelungen der ausschließlichen Wirtschaftszone auf diejenigen der Hohen See heißt es:
    "In den Artikeln 56 und 58 wurde ein sorgsam ausbalanciertes prekäres Gleichgewicht zwischen den Belangen der Küstenstaaten und den Freiheiten und Rechten aller übrigen Staaten geschaffen. Dieses Gleichgewicht umfaßt den Hinweis in Art. 58 Abs. 2 auf die Art. 88-115, die für die ausschließliche Wirtschaftszone gelten, sofern sie nicht mit Teil V unvereinbar sind. Keine Bestimmung des Teils V ist unvereinbar mit Art. 89, der Souveränitätsansprüche für ungültig erklärt. Nach dem Übereinkommen hat der Küstenstaat keine übrigen Rechte in der ausschließlichen Wirtschaftszone. Insbesondere schließen die Rechte und Hoheitsbefugnisse des Küstenstaats in dieser Zone nicht das Recht ein, über militärische Übungen oder Manöver benachrichtigt zu werden, oder das Recht, diese zu genehmigen. Außer im Fall künstlicher Inseln hat der Küstenstaat das Recht, in der ausschließlichen Wirtschaftszone nur solche Anlagen und Bauwerke, die wirtschaftlichen Zwecken dienen, zu genehmigen, zu bauen, zu betreiben und zu nutzen."
    Zu den Regelungen über die Hohe See wird angemerkt, daß die Bundesrepublik Deutschland "als ein geographisch benachteiligter Staat mit gleichwohl bedeutenden Interessen an den herkömmlichen Nutzungen des Meeres ... dem bestehenden Grundsatz der Freiheit der Hohen See verpflichtet [bleibe]".
    "Dieser Grundsatz, der jahrhundertelang für alle Nutzungen des Meeres maßgebend war, ist in den Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens erneut bekräftigt und in verschiedenen Bereichen neuen Erfordernissen angepaßt worden; diese Bestimmungen müssen daher soweit irgend möglich im Einklang mit jenem traditionellen Grundsatz ausgelegt werden."
    Zur Regelung der Transitfreiheit der Binnenstaaten heißt es, daß "der Transit durch das Hoheitsgebiet der Transitstaaten die Souveränität dieser Staaten nicht beeinträchtigen" dürfe:
    "Nach Art. 125 Abs. 3 beeinträchtigen die in Teil X vorgesehenen Rechte und Erleichterungen in keiner Weise die Souveränität und die berechtigten Interessen der Transitstaaten. Die genaue Bedeutung der Transitfreiheit muß in jedem Einzelfall zwischen dem Transitstaat und dem betreffenden Binnenstaat durch Vereinbarung festgelegt werden."
    Soweit keine Vereinbarungen über die Bedingungen und Einzelheiten der Ausübung des Zugangsrechts getroffen worden seien, bestimme sich der Zugang von Personen und Waren für den "Transit durch das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland" nur nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften, "insbesondere hinsichtlich der Verkehrsmittel und -wege und der Benutzung der Verkehrsinfrastruktur."
    Im Hinblick auf die wissenschaftliche Meeresforschung wird festgestellt, daß "die traditionelle Freiheit der Forschung durch das Übereinkommen eine beträchtliche Einengung" erfahren hat, aber dennoch für "Staaten, internationale Organisationen und private Rechtsträger in einigen Meeresgebieten, z.B. dem Meeresboden außerhalb des Festlandsockels und auf der Hohen See" erhalten geblieben ist. Im Hinblick auf die ausschließliche Wirtschaftszone und den Festlandsockel heißt es weiter:
    "Die ausschließliche Wirtschaftszone und der Festlandsockel, die für die wissenschaftliche Meeresforschung von besonderem Interesse sind, unterliegen jedoch einem Zustimmungsverfahren, dessen Grundlage die Verpflichtung des Küstenstaates nach Art. 246 Abs. 3 ist, unter normalen Umständen seine Zustimmung zu erteilen. In diesem Zusammenhang stellen die Förderung und Schaffung günstiger Bedingungen für die wissenschaftliche Forschung, die in dem Übereinkommen gefordert sind, allgemeine Grundsätze dar, welche die Anwendung und Auslegung aller einschlägigen Bestimmungen des Übereinkommens bestimmen."
    Weiterhin heißt es:
    "Die Regelung der wissenschaftlichen Meeresforschung auf dem Festlandsockel jenseits von 200 sm spricht dem Küstenstaat die Ermessensfreiheit ab, seine Zustimmung nach Art. 246 Abs. 5 a außerhalb der Gebiete, die er entsprechend den Voraussetzungen nach Art. 246 Abs. 6 öffentlich bezeichnet hat, zu versagen. Die Verpflichtung, im Zusammenhang mit der Bezeichnung Informationen über die Ausbeutung oder über Aufsuchungsarbeiten mitzuteilen, wird in Art. 246 Abs. 6 berücksichtigt, der bei den mitzuteilenden Informationen ausdrücklich Einzelheiten ausschließt."
    Schließlich erklärte die Bundesrepublik Deutschland, daß sie als Mitglied der Europäischen Gemeinschaft dieser hinsichtlich bestimmter, durch das Übereinkommen geregelter Angelegenheiten Zuständigkeiten übertragen hat und kündigte an, daß "... im Einklang mit Anlage IX des Übereinkommens zu gegebener Zeit eine Erklärung abgegeben werde, in der Art und Umfang der der Europäischen Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeit im einzelnen aufgeführt werden." Eine solche Erklärung gaben die Europäischen Gemeinschaften bei der Zeichnung ab.87

    27. Der 12. Deutsche Bundestag beschloß am 29. Juni 1994 den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zu dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 (Vertragsgesetz Seerechtsübereinkommen).88 Nach Art. 1 Abs. 1 des Gesetzes wird dem Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen zugestimmt. Art. 1 Abs. 2 und Art. 2 des Zustimmungsgesetzes enthalten eine besondere Regelung im Hinblick auf das Durchführungsübereinkommen, das zum Zeitpunkt der Beschlußfassung über das Gesetz noch nicht endgültig beschlossen und noch nicht zur Zeichnung aufgelegt war. Die Regelung sieht vor, daß die Bundesregierung ermächtigt wird,

    "ohne Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung ein Übereinkommen zur Durchführung des Teiles XI des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen von 1982 (Durchführungsübereinkommen) in Kraft zu setzen, das nach Zielsetzung, Inhalt und Art der Regelung dem Entwurf eines solchen Übereinkommens in der Fassung vom 8. April 1994, BT-Drs.12/... [sic]) entspricht."
    Damit zusammenhängend schreibt Art. 1 Abs. 2 vor, daß die Beitrittsurkunde zum Seerechtsübereinkommen erst hinterlegt werden darf, wenn die Bundesregierung eine entsprechende Rechtsverordnung erlassen hat.89 Zur Begründung dieses Verfahrens verweist die Bundesregierung darauf, daß ein Beitritt zum SRÜ nur zu verantworten sei, "wenn zentrale Bestimmungen des Teils XI des Seerechtsübereinkommens, die den Tiefseebergbau betreffen, geändert werden � Regelungen, die bisher einer Ratifikation des Seerechtsübereinkommens durch die Industriestaaten und andere am Tiefseebergbau interessierte Staaten, wie Rußland, China, Indien, Südkorea entgegenstanden."90 Der Entwurf des Durchführungsabkommens werde aber "gegenwärtig" noch "in den Hauptstädten geprüft" und erst in einer letzten Konsultationsrunde "endgültig gebilligt und redaktionell überprüft werden." Weiterhin wird ausgeführt:
    "Durch Art. 2 wird sichergestellt, daß die Bundesrepublik Deutschland ihre Bindung an dieses Durchführungsübereinkommen � trotz Beendigung des 12. Deutschen Bundestages � unmittelbar nach seiner Annahme durch die VN-Generalversammlung noch so rechtzeitig herbeiführen kann, daß sie im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Seerechtsübereinkommens am 16. November 1994 Vertragsstaat des Seerechtsübereinkommens und des Durchführungsübereinkommens ist. Auf diese Weise erfüllt die Bundesrepublik Deutschland die Voraussetzungen, an die die Errichtung des Internationalen Seegerichtshofs in der Freien und Hansestadt Hamburg geknüpft ist."91
    Die Bundesregierung weist in ihrer Begründung außerdem darauf hin, daß der Entwurf, "... früheren Vorbildern in vergleichbaren Situationen folgt (vgl. z.B. Ermächtigung zu einer Verordnung über Inspektionen nach dem INF-Vertrag � BGBl. 1988 II, 429, 534) ... [und] sehr eng gefaßt" sei:
    "Die Bundesregierung kann nur tätig werden, wenn das endgültige Übereinkommen dem hier vorgelegten Entwurf (vgl. Anhang zur Anlage 5) nach Zielsetzung Inhalt und Art der Regelung entspricht. Andernfalls ist eine erneute Befassung der gesetzgebenden Körperschaften erforderlich."

    28. Aufgrund des Art. 2 des Übertragsgesetzes beschloß die Bundesregierung am 4. Oktober 1994 eine "Verordnung zu dem Übereinkommen vom 28. Juli 1994 zur Durchführung des Teiles XI des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982". Mit ihr wird gemäß Art. 1 das in New York am 28. Juli 1994 von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnete Übereinkommen in Kraft gesetzt.92

    29. Im Hinblick auf die Schaffung des Internationalen Seegerichtshofs mit Sitz in Hamburg93 führte der deutsche Vertreter in der Diskussion über Resolution 48/263 in der Generalversammlung am 27. Juli 1994 im Namen der Europäischen Union aus94:

    "The European Union ... attaches great importance, since diverging interests will continue to exist among users of the sea, to the provisions of the Convention setting up a system for compulsory settlement of disputes and establishing the International Tribunal for the Law of the Sea, the operation of which, especially in its initial phase, will have to follow the ... principals of economy."
    Als Vorsitzender der deutschen Delegation bemerkte er im Hinblick auf den Seegerichtshof95:
    "We would like it to be established on a universal basis from the outset. To this end we have undertaken to find a means whereby such participation may be achieved from the start of the tribunal's operation. It goes without saying that we fully share, with the regard to the tribunal although, the desire for economy already expressed on behalf of the Twelve."
    Die zur Gründung des Seegerichtshofs erforderlichen Regelungen hat die Vorbereitungskommission nicht fertigstellen können.96 Sie schlug deshalb vor, eine ad hoc-Versammlung der Vertragsstaaten im Jahre 1994 einzuberufen, um Fragen der Organisation des Gerichtshofs zu diskutieren.97 Der Generalsekretär berief daraufhin eine solche Versammlung der Vertragsstaaten nach Art. 319 Abs. 2 e SRÜ für den 21. und 23. November 1994 ein.98 Es wurde beschlossen, die erste Wahl von Mitgliedern des Seegerichtshofs einmalig auf den 1. August 1996 zu verschieben. Die Nominierung von Kandidaten solle am 16. Mai 1995 beginnen und zum 17. Juni 1996 enden. Nominierungen könnten auch Staaten vornehmen, die im Begriff seien, Vertragsstaaten des Übereinkommens zu werden. Ihre Nominierungen würden aber unberücksichtigt bleiben, sofern die Staaten nicht bis zum 1. Juli 1996 ihre Ratifikations- oder Beitrittsurkunden hinterlegt hätten. Am 5. Juli 1996 solle der Generalsekretär dann eine Liste der Kandidaten zirkulieren lassen. Was den Haushalt des Gerichtshofs anbelangt, so gibt es Überlegungen, diesen in der Anfangsphase aus dem UN-Haushalt zu bestreiten.99

    30. Zur innerstaatlichen Umsetzung nahm die Bundesrepublik Deutschland eine Reihe von technischen Änderungen mit der "2. Verordnung zur Änderung seeverkehrsrechtlicher Vorschriften (Ausführungsverordnung zum Seerechtsübereinkommen)" vom 7.12.1994100 vor.

    31. Darüber hinaus beschloß die Bundesregierung am 19. Oktober 1994 eine Proklamation über die Ausweitung des deutschen Küstenmeeres.101 Im Hinblick auf die Nordsee heißt es darin, daß die seewärtige Abgrenzung des Küstenmeers der Bundesrepublik Deutschland in einem Abstand von 12 sm, gemessen von der Niedrigwasserlinie und den geraden Basislinien, verlaufe. Die bestehende Tiefwasserreede bleibe Bestandteil des Küstenmeers. Weiterhin heißt es in der Proklamation, daß die Bundesregierung über die seitliche Abgrenzung des Küstenmeers zum Königreich der Niederlande und zum Königreich Dänemark zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden werde. Weiterhin wird ausgeführt:

    "Die in Anlage B § 1 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die Regelung der Zusammenarbeit in der Emsmündung (Ems-Dollart-Vertrag) vom 8. April 1960 (BGBl. 1963 II, S. 602) getroffene Regelung bleibt unberührt."
    Im Hinblick auf die Ostsee ergibt sich die seewärtige Abgrenzung des Küstenmeers nach der Proklamation aus einer durch eine Reihe von Punkten bestimmten Linie. Es wird darauf hingewiesen, daß die mit der Proklamation vorgenommene Ausweitung in Teilgebieten der Ostsee hinter dem völkerrechtlich zulässigen Abstand von 12 sm zurückbleibe. Ausdrücklich wird erklärt, daß damit keine Aufgabe des weitergehenden Rechtsanspruches verbunden sei. Im Hinblick auf die seitliche Abgrenzung des Küstenmeers zum Königreich Dänemark heißt es, daß die Bundesregierung darüber zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden werde. Für die seitliche Abgrenzung zur Republik Polen wird darauf verwiesen, daß diese dem Vertrag vom 14. November 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über die Bestätigung der zwischen ihnen bestehenden Grenze102 entspreche. Zur Begründung der damit vorgesehenen Erweiterungen des Küstenmeers bezieht sich die Bundesregierung auf eine entsprechende Aufforderung des gemeinsamen EG-Sonderrats der Verkehrs- und Umweltminister auf seiner Sitzung am 25. Januar 1993 und auf eine gleichlautende Empfehlung der 3. Internationalen Nordseeschutzkonferenz. Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, daß die Ausdehnung der Verkehrssicherheit und der Verbesserung des Umweltschutzes diene, weil damit ein staatliches Eingreifen � etwa bei Tankerunfällen, aber auch bei der Verfolgung von Straftaten � frühzeitig möglich sei. Außerdem biete sich damit für die Bundesrepublik die Möglichkeit, Regelungen für den Schiffsverkehr sowie für die Erhaltung und den Schutz der Meeresumwelt für diesen Bereich zu erlassen. Außerdem wird darauf hingewiesen, daß mit der Ausdehnung des Küstenmeers nun eine einheitliche Situation an der Küste geschaffen werde, da vor der Küste Mecklenburg-Vorpommerns das Küstenmeer schon zu Zeiten der ehemaligen DDR auf 12 sm ausgedehnt worden sei. Allerdings kann nach den Ausführungen der Bundesregierung die bestehende steuerliche Situation bei der Umsatzbesteuerung von Bordverzehr und Fahrpreisen bei bestimmten Ausflugsfahrten aufgrund des EG-Rechts nicht beibehalten werden. Die duty-free-Einkaufsmöglichkeiten blieben jedoch in vollem Umfang bestehen.103 Weiterhin hat die Bundesregierung ausgeführt, daß Deutschland der erste Staat sei, der nach dem Verfahren des Art. 211 SRÜ für seine inneren Gewässer moderne Anlaufbedingungen in Kraft gesetzt habe.104

    32. Ebenfalls mit Wirkung vom 17. Januar 1995 proklamierte die Bundesrepublik Deutschland am 25. November 1994 die Errichtung einer ausschließlichen Wirtschaftszone der Bundesrepublik Deutschland in der Nordsee und in der Ostsee.105 In der Proklamation heißt es unter I., daß die Bundesrepublik Deutschland vom 1. Januar 1995 an in der Nordsee und in der Ostsee vor der seewärtigen Grenze ihres Küstenmeeres eine ausschließliche Wirtschaftszone errichtet. Die seewärtige Abgrenzung der ausschließlichen Wirtschaftszone ist für die Nordsee (II.) und für die Ostsee (III.) durch Angabe entsprechender Koordinaten definiert.
    Was den genauen Verlauf der Abgrenzung in der Ostsee anbelangt, so wird darauf hingewiesen, daß die Verbindungslinien zwischen einzelnen Punkten jeweils unter dem Vorbehalt vertraglicher Vereinbarungen mit den jeweils betroffenen benachbarten Staaten bestehe. Weiter wird ausgeführt, daß über die endgültige Position besonders genannter Punkte, die für die seitliche Abgrenzung der ausschließlichen Wirtschaftszone der Bundesrepublik Deutschland zum Königreich der Niederlande in der Nordsee einerseits und zum Königreich Dänemark in der Nordsee bzw. der Ostsee andererseits sowie über die landwärtige Abgrenzung dieser Punkte nach Konsultationen zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden solle. Im Hinblick auf die Abgrenzung der Seegebiete in der Oderbucht wird ausgeführt, daß die Modalitäten der Anwendung des Art. 5 Abs. 2 des Vertrages vom 22. Mai 1989 zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Volksrepublik Polen einer späteren Regelung nach Konsultationen mit der Republik Polen vorbehalten blieben.
    Bei der Errichtung der ausschließlichen Wirtschaftszone hat sich die Bundesrepublik Deutschland von dem Ziel leiten lassen, die Vorschriften zum Schutz der Meeresumwelt, insbesondere auf dem Gebiet der Strafverfolgung, wirksamer durchsetzen zu können.106 Als erste europäische Staaten hätten damit Deutschland und Frankreich die im SRÜ angelegten Sicherheits- und Umweltschutzbefugnisse der ausschließlichen Wirtschaftszone ausgeschöpft.107

    33. Erneut108 wurde im Jahre 1994 die Vereinbarung vom 26. Januar 1982 über die Hafenstaatkontrolle109 geändert. Inhalt der am 3. Mai 1994 angenommenen und am 3. Mai 1994 für alle Vertragsparteien in Kraft getretenen Änderungen110 ist eine Änderung des Titels der Vereinbarung, die zukünftig "Pariser Vereinbarung über die Hafenstaatkontrolle" heißen soll. Daneben wird die Verweisung nach Abs. 1.1 der Anlage 1 der Vereinbarung geändert. In ihr wird statt der IMO-Entschließung A.681 (17) nun auf die IMO-Entschließung A.742 (18) verwiesen.

    34. Am 27. Mai 1994 stimmte der Bundestag mit Gesetz dem "2. Zusatzprotokoll vom 17. November 1992 zum Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Republik Brasilien über den Seeverkehr" zu.111 Nach diesem Zusatzprotokoll werden in Anbetracht der Schaffung des Gemeinsamen Europäischen Binnenmarktes und den dazu erlassenen Regelungen, die den internationalen Seeverkehr der Mitgliedstaaten regeln, die in Art. 3 Abs. 2 des Vertrages sowie die in Abschnitt I Abs. 1 des Zusatzprotokolls genannten Rechte auch Schiffen von Seefahrtsunternehmen zugestanden, die in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft niedergelassen sind.112

    35. Das Abkommen vom 28. Juni 1992 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Litauen über die Seeschiffahrt trat am 24. März 1994 in Kraft.113 Entsprechenden Abkommen mit der Ukraine114 und Vietnam115 stimmte der Bundestag zu. Die im wesentlichen gleichlautenden Abkommen sehen vor, daß die Vertragsparteien die Entwicklung des Seeverkehrs zwischen ihren beiden Ländern fördern sollen (Art. 2 Abs. 1). Ferner sollen die Vertragsparteien "die einschlägigen internationalen Übereinkünfte über Schiffssicherheit, über die sozialen Bedingungen der Seeleute, über den Transport gefährlicher Güter und über den Meeresumweltschutz ratifizieren" (Art. 3 Abs. 2). Art. 4 der Abkommen betrifft die Nichtdiskriminierung und sieht vor, daß die Vertragsparteien "im internationalen Seeverkehr diskriminierende Handlungen jeder Art, die zu einer Benachteiligung der Seeschiffahrtsinteressen der anderen Vertragspartei führen", unterlassen sollen. Im Abkommen mit der Ukraine und Litauen ist ergänzend geregelt, daß die Vertragsparteien auch solche Handlungen unterlassen sollen, die die "freie Auswahl der Seeschiffahrtsunternehmen entgegen den Grundsätzen des freien Wettbewerbs beeinträchtigen" könnten. In den Häfen und Hoheitsgewässern wird auf der Grundlage der Gegenseitigkeit "den Schiffen der anderen Vertragsparteien die gleiche Behandlung wie ihren eigenen im internationalen Verkehr eingesetzten Schiffen" gewährt, Art. 5 Abs. 1. Art. 6 sieht vor, daß die Seeschiffahrtsunternehmen der anderen Vertragspartei das Recht haben, "Einnahmen aus Dienstleistungen der Seeschiffahrt im Hoheitsgebiet der ersten Vertragspartei zu Zahlungen im Zusammenhang mit der Schiffahrt zu verwenden oder sie in frei konvertierbarer Währung ins Ausland zu transferieren. Der Transfer soll auf der Grundlage des amtlichen Wechselkurses und innerhalb der üblichen Fristen vorgenommen werden." Nach Art. 9 sollen "alle erforderlichen Maßnahmen [getroffen werden], um die Beförderung auf dem Seeweg zu erleichtern und zu fördern, um unnötige Verlängerungen der Liegezeiten zu vermeiden und die Erledigung der Zoll- und sonstigen in den Häfen zu beachtenden Formalitäten nach Möglichkeit zu beschleunigen und zu vereinfachen sowie den Gebrauch vorhandener, der Entsorgung dienender Einrichtungen zu erleichtern." Art. 7 der Abkommen betrifft die vom Anwendungsbereich des Abkommens ausgeschlossenen Bereiche und stellt fest, daß die geltenden Rechtsvorschriften der Vertragsparteien u.a. über "das Vorrecht der eigenen Flagge für die nationale Küstenschiffahrt, Bergungs-, Bugsier-, Lots- und andere Dienste, die den eigenen Seeschiffahrts- oder sonstigen Unternehmen sowie Staatsangehörigen vorbehalten sind", zu beachten sind.

    36. Am 4. August 1994 trat das Abkommen vom 20. April 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Norwegen über den Transport von Gas durch eine Rohrleitung vom norwegischen Festlandsockel und anderen Gebieten in die Bundesrepublik Deutschland (Euro-Pipe-Abkommen) in Kraft.116

    37. Im Berichtszeitraum wurden mit zwei Verordnungen "Änderungen des Internationalen Übereinkommens von 1974 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See und des Protokolls von 1978 zu diesem Übereinkommen" in Kraft gesetzt.117 Die Änderungen betreffen Vorschriften zur Bauart der Schiffe, zum Brandschutz, der Feueranzeige und Feuerbekämpfung, zu Rettungsmitteln und -vorrichtungen, zur Ladungssicherung und zur Beförderung gefährlicher Güter sowie ein am 11. November 1988 von der Internationalen Konferenz über das harmonisierte Besichtigungs- und Zeugniserteilungssystem beschlossene Protokoll. Diesem Protokoll wurde ferner mit der "2. Verordnung über die Inkraftsetzung von Änderungen des Internationalen Freibord-Übereinkommens von 1966" vom 20. September 1994118 Rechnung getragen.


    61 UN Doc.A/Conf. 62/122 vom 7.10.1982.
    62 BGBl. 1995 II, 602. Siehe dazu insgesamt Symposium on the Entry into Force of the Convention on the Law of the Sea: A Redistribution of Competences Between States and International Organisations in Relation to the Management of the International Commons?, ZaöRV 55 (1995), 273-655.
    63 Siehe zur Vorgeschichte: Denkschrift zum Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10.12.1982 und zum Entwurf eines Übereinkommens in der Fassung vom 8.4.1994 zur Durchführung des Teils XI des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen von 1982; BT-Drs. 12/7829, 229.
    64 Ibid., 231.
    65 Neben der Europäischen Gemeinschaft als solcher haben zehn ihrer Mitgliedstaaten das Übereinkommen gezeichnet: Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Portugal und Spanien.
    66 Daneben auch Albanien, Ecuador, der Heilige Stuhl, Israel, Jordanien, Kiribati, Peru, San Marino, Syrien, Tonga und die Türkei.
    67 Denkschrift B, Ziff. 1, BT Drs. 12/7829, 327.
    68 Ibid.
    69 Ibid., Ziff. 2: Zwischen Juli 1990 und April 1994 tagten 14 Runden, die folgende Problemfelder behandelten: "Kosten für die SRÜ-Mitgliedstaaten (d.h. Strukturen der künftigen internationalen Meeresbodenbehörde); Behördenunternehmen; Entscheidungsverfahren der Organe der Meeresbodenbehörde; Überprüfungskonferenz für den SRÜ-Tiefseebergbauteil; Technologietransfer; Produktionsbeschränkungen beim Tiefseebergbau; Kompensation für Landproduzenten aus Entwicklungsländern; finanzielle Verpflichtungen der Tiefseebergbauunternehmen; Einrichtung eines Finanzausschusses."
    70 Nach Art. 308 Abs. 1 tritt das Übereinkommen 12 Monate nach Hinterlegung der 60. Ratifikations- oder Beitrittsurkunde in Kraft.
    71 Das bevorstehende Inkrafttreten des Übereinkommens war für die Bundesrepublik Deutschland deswegen von besonderer Bedeutung, weil die Entscheidung der 3. Seerechtskonferenz vom 21.8.1981, Hamburg zum Sitz des Internationalen Seegerichtshofs zu wählen, in der Erwartung getroffen wurde, daß die Bundesrepublik Deutschland bei Inkrafttreten des Übereinkommens Vertragspartei ist und es danach bleibt; Denkschrift, BT-Drs. 12/7829, A, Ziff. 11; einleitende Note zum offiziellen Entwurf des Seerechtsübereinkommens vom 28.8.1981 und Ziff. 38 der Schlußakte, UN Doc.A/Conf 62/L.78.
    72 Anhang zur Resolution 48/263 vom 28.7.1994.
    73 Vom 28.7.1994. Enthalten haben sich Kolumbien, Nicaragua, Panama, Peru, die Russische Föderation, Thailand und Venezuela.
    74 Stellungnahme des deutschen Vertreters in der 48. Generalversammlung zu Tagesordnungspunkt 36 vom 27.7.1994.
    75 Präambel, Abs. 5.
    76 Präambel, Abs. 6.
    77 In ihrer Denkschrift führt die Bundesregierung unter B II dazu aus: "Mit der grundlegenden Regelung des Art. 1 werden die Vertragsparteien des Übereinkommens verpflichtet, Teil XI SRÜ nur im Einklang mit diesem Übereinkommen anzuwenden. Die Anlage zum Übereinkommen, die dessen eigentlichen materiellen Regelungsgehalt im Sinne von Änderungen oder einvernehmlichen Interpretationen von Teil XI SRÜ enthält, ist integraler Bestandteil des Übereinkommens."
    78 "Art. 2 stellt eine weitere Verbindung zwischen Teil XI SRÜ und diesem Übereinkommen her, indem es Auslegung und Anwendung von beiden als ein einziges Vertragsinstrument vorschreibt. Bei Unvereinbarkeit der Regelungen haben die des Übereinkommens Vorrang", ibid.
    79 Sie betreffen die Kosten für die Vertragsstaaten und institutionelle Vereinbarungen (Abschnitt 1), das Unternehmen (Abschnitt 2), die Beschlußfassung in der Meeresbodenbehörde (Abschnitt 3), die in Art. 155 Abs. 1, 3 und 4 vorgesehene Überprüfungskonferenz (Abschnitt 4), den Technologietransfer ("Weitergabe von Technologie", Abschnitt 5) und die Produktionspolitik (Abschnitt 6), sowie die wirtschaftliche Hilfe für Entwicklungsstaaten (Abschnitt 7), die finanziellen Bestimmungen der Verträge (Abschnitt 8) und schließlich den Finanzausschuß (Abschnitt 9).
    80 Zu Art. 4 bemerkt die Bundesregierung in ihrer Denkschrift (Anm. 63): "In Abs. 3 wird es den Staaten und Internationalen Organisationen (wie der Europäischen Gemeinschaft) freigestellt, ihre Bindung an das Übereinkommen durch Zeichnung, Ratifikation, Beitritt, förmliche Bestätigung oder in einem vereinfachten Verfahren (vgl. Art. 5) herbeizuführen."
    81 Dazu heißt es in der Denkschrift (ibid.): "Diese Regelung hat den Zweck, den Staaten, die das SRÜ bereits vor Annahme des Übereinkommens ratifiziert haben, oder ihm beigetreten sind, die Möglichkeit zu eröffnen, die Bindung an das Übereinkommen ohne erneutes Ratifikations- oder Beitrittsverfahren herbeizuführen."
    82 BGBl. 1995 II, 602.
    83 Presseerklärung des Auswärtigen Amtes vom 14.10.1994, 626/94.
    84 Denkschrift, Teil B Ziff. 2.
    85 BGBl. 1995 II, 602.
    86 Vgl. UN Doc.A/Conf.62/SR.190 und Denkschrift (Anm. 63), A, 231.
    87 "Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaften in bezug auf die durch das Seerechtsübereinkommen geregelten Angelegenheiten (Erklärung nach Anlage IX Artikel 2 des Übereinkommens)" und "Gemeinschaftstexte, die im Bereich des Schutzes und der Bewahrung der Meeresumwelt Anwendung finden und sich unmittelbar auf die durch das Abkommen geregelten Themen beziehen", Denkschrift, Teil A, Anlage 1, BT-Drs. 12/7829, 306, 308, 309.
    88 BGBl. 1994 II, 1798.
    89 Siehe dazu unten, Ziff. 28.
    90 Begründung zum Vertragsgesetz, BT-Drs. 12/7829, 7.
    91 Siehe oben, Anm. 71 sowie unten, Ziff. 29.
    92 BGBl. 1994 II, 2565.
    93 Siehe Annex VI Art. 1 Abs. 2 SRÜ.
    94 Siehe Anm. 74.
    95 Ibid.
    96 UN Doc.A/49/631 vom 16.11.1994, Ziff. 209 ff.
    97 UN Doc.LOS/PCN/L.115/Rev.1, Ziff. 43.
    98 Siehe UN Doc.SPLOS/1 vom 11.11.1994 und den Bericht in SPLOS/3 vom 28.2.1995.
    99 Woche im Bundestag 12/94 vom 22.6.1994, 99.
    100 BGBl. 1994 I, 3744.
    101 Bekanntmachung der Proklamation der Bundesregierung über die Ausweitung des deutschen Küstenmeers vom 11.11.1994, BGBl. 1994 I, 3428.
    102 BGBl. 1991 II, 1328.
    103 Innenpolitik VI/1994, 11.
    104 Bull. Nr. 109 vom 25.11.1994, 998.
    105 BGBl. 1994 II, 3769 � Bekanntmachung der Proklamation der Bundesrepublik Deutschland über die Errichtung einer ausschließlichen Wirtschaftszone der Bundesrepublik Deutschland in der Nordsee und in der Ostsee vom 29.11.1994.
    106 Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage, BT-Drs. 12/6539.
    107 Bull. Nr. 109 vom 25.11.1994, 998.
    108 Siehe Walter (Anm. 29), Ziff. 28.
    109 BGBl. 1982 II, 585.
    110 BGBl. 1995 II, 260.
    111 BGBl. 1994 II, 658.
    112 Das 2. Zusatzprotokoll trat nach seinem Art. 2 Abs. 1 am 25.5.1995 in Kraft, BGBl. 1995 II, 773.
    113 Abkommen vom 28.7.1992, BGBl. 1994 II, 100; Inkrafttreten: BGBl. 1994 II, 2355; siehe Walter (Anm. 29), Ziff. 29.
    114 Vom 10.6.1993, BGBl. 1994 II, 3522; in Kraft getreten am 11.1.1995, BGBl. 1995 II, 270.
    115 Vom 29.6.1993, BGBl. 1994 II, 3518.
    116 Siehe dazu ausführlich Walter (Anm. 29), Ziff. 26; Bek. vom 29.11.1994, BGBl. 1994 II, 3859 � die Ratifikationsurkunden sind am 4.7.1994 ausgetauscht worden.
    117 "5. Verordnung über die Inkraftsetzung von Änderungen des Internationalen Übereinkommens von 1974 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See und des Protokolls von 1978 zu diesem Übereinkommen"( 5. SOLAS-ÄndV) vom 14.12.1993, BGBl. 1994 II, 585 � betrifft die vom Schiffssicherheitsausschuß der Internationalen Seeschiffahrtsorganisationen angenommene Entschließung MSC. 22 (59) vom 23.5.1991 zur Änderung des Internationalen Übereinkommens von 1974 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See, BGBl. 1979 II, 141 , und setzt die Entschließung MSC 19 (58) vom 25.5.1990, BGBl. 1992 II, 58 in Kraft. Die 6. SOLAS-ÄndV vom 20.9.1994, BGBl. 1994 II, 2458 betrifft weitere Entschließungen des Schiffssicherheitsausschusses sowie das am 11.11.1988 von der Internationalen Konferenz über das harmonisierte Besichtigungs- und Zeugniserteilungssystem beschlossene Protokoll von 1988.
    118 BGBl. 1994 II, 2457.