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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1995


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Rainer Grote

X. Diplomatie und Konsularwesen

    126. Die Bundesregierung nahm im Berichtszeitraum im Rahmen einer Kleinen Anfrage zu den Problemen Stellung, die sich für die ausländischen Botschaften im Zusammenhang mit dem Umzug nach Berlin ergeben. Sie führte dazu aus, die Frage finanzieller Schwierigkeiten einzelner Staaten durch den Berlinumzug und deren Präsenz sowohl in Berlin als auch in Bonn seien in den vergangenen Jahren Gegenstand häufiger Kontakte und Informationsgespräche zwischen den Vertretern der Botschaften und der Bundesregierung auf allen Ebenen gewesen. Nicht zuletzt im Hinblick auf dieses Problem habe sie mit Verbalnote vom 12. Juli 1994 den Botschaften freigestellt, ihren Sitz in Bonn oder Berlin zu nehmen und gegebenenfalls an dem jeweils anderen Ort eine Außenstelle einzurichten, wie sie gegenwärtig schon 39 Botschaften in Berlin zwecks Vorbereitung ihres Umzugs unterhielten. Zu der Frage, welche Überlegungen es gebe, um eine "Doppelakkreditierung" in Bonn und Berlin zu ermöglichen, stellte die Bundesregierung klar:

    "Eine 'Doppelakkreditierung' in einem Staat ist im Völkerrecht nicht vorgesehen. Sie wäre auch ohne rechtliche Wirkung, da die Beglaubigung von Botschaftern als Missionschefs allein beim Staatsoberhaupt erfolgt und sich auf das gesamte Staatsgebiet erstreckt. Die ausländischen Staaten können, wie bereits unter Punkt 3 dargelegt, Außenstellen in Bonn oder Berlin einrichten, die die für sie erforderliche Zusammenarbeit mit den deutschen Verfassungsorganen am jeweiligen Ort gewährleisten. Im übrigen werden auch nach dem Berlinumzug sämtliche Bundesministerien sowohl in Bonn als auch in Berlin mit Dienststellen vertreten sein."279

    127. Die geplante Errichtung eines deutschen Generalkonsulates in Kaliningrad war Gegenstand parlamentarischer Anfragen. Die Bundesregierung erklärte hierzu, die russische Seite habe gebeten, die angestrebte Einrichtung einer konsularischen Vertretung in Kaliningrad einstweilen zurückzustellen. Es liege jedoch weiter im deutschen und im eigenen russischen Interesse, die wirtschaftlichen, kulturellen und touristischen Kontakte auch des Gebiets Kaliningrad mit Deutschland fortzuentwickeln. Die Einrichtung eines deutschen Generalkonsulats in Kaliningrad bleibe daher auf der Tagesordnung der deutsch-russischen Beziehungen.280 Dies gelte auch für die Möglichkeit einer gemeinsamen Vertretung der EU-Mitgliedstaaten, die dem Ostseerat angehören, in Kaliningrad.281

    128. In ihrer Unterrichtung an den Deutschen Bundestag über die Gestaltung des Prozesses der deutschen Einheit konstatierte die Bundesregierung eine starke Erweiterung des Netzes deutscher Auslandsvertretungen seit der Einheit durch Neuerrichtung von Auslandsvertretungen anstelle geschlossener DDR-Vertretungen. Aufgrund dieser enormen Belastungen seiner Personal- und Stellenstruktur sei das Auswärtige Amt gezwungen, das bestehende Netz der Auslandsvertretungen kritisch zu überprüfen und zu straffen. Ersatzlose Schließungen seien nicht vorgesehen, vielmehr solle die Straffung durch Herabstufung von Botschaften auf Geschäftstträgerebene, Umwandlung von Generalkonsulaten in Außenstellen bzw. Bestellung eines Honorarkonsuls erfolgen. Erste Maßnahmen dieser Art würden bereits im laufenden Jahr umgesetzt.282

    129. Im Berichtszeitraum nahmen die Botschaften in Asmara (Eritrea)283 und Port-au-Prince (Haiti)284 � letztere nach vorübergehender Schließung285 � ihren Dienstbetrieb auf. Das Generalkonsulat in Palermo (Italien) wurde geschlossen.286

    130. Auf parlamentarische Anfrage teilte die Bundesregierung mit, daß sie zur Zeit nicht beabsichtige, ein Verbindungsbüro im Irak zu eröffnen.287 Die Botschaft in Bagdad ist seit 1991 nicht mehr besetzt.

    131. Am 12. September 1995 unterzeichnete die Bundesregierung ein Abkommen mit dem Europäischen Währungsinstitut über den Sitz des Instituts.288 Darin wird der Anwendungsbereich der im Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften garantierten Unverletzlichkeit der Räume und Archive im Hinblick auf das Institut präzisiert (Art. 3, 4). Nach Art. 5 unterliegt die Bundesregierung einer Verpflichtung zur Ergreifung geeigneter Maßnahmen zum Schutz der Räumlichkeiten des EWI gegen unbefugtes Eindringen oder Beschädigungen aller Art. Das EWI wird von allen direkten Steuern befreit (Art. 6). Gemäß Art. 16 werden seinem Präsidenten der Diplomatenstatus und die damit verbundenen Vorrechte und Immunitäten nach dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen gewährt.

    132. Die Bundesrepublik schloß ferner am 10. November 1995 ein Abkommen mit den Vereinten Nationen über den Sitz des Freiwilligenprogramms der Vereinten Nationen.289 Das Abkommen regelt Angelegenheiten, die mit der Niederlassung und der ordnungsgemäßen Tätigkeit des Freiwilligenprogramms in der Bundesrepublik Deutschland und von der Bundesrepublik Deutschland aus zusammenhängen. Nach Art. 4 gelten das Übereinkommen über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen vom 13. Februar 1946 und das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 für das Sitzgelände des Freiwilligenprogramms, die Vereinten Nationen einschließlich des Freiwilligenprogramms, seines Vermögens, seiner Gelder und seiner Guthaben. Das Sitzabkommen gilt sinngemäß auch für andere Büros der Vereinten Nationen, die mit Zustimmung der Bundesregierung gegebenenfalls in der Bundesrepublik ihren Standort erhalten. Es kann ferner durch Vereinbarung zwischen der Bundesregierung, den Vereinten Nationen und anderen zwischenstaatlichen Einrichtungen, die mit den Vereinten Nationen institutionell verbunden sind, auf diese Einrichtungen sinngemäß anwendbar gemacht werden. Im Zustimmungsgesetz wird die Bundesregierung ermächtigt, entsprechende völkerrechtliche Vereinbarungen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates in Kraft zu setzen.

    133. Am 2. Juli 1995 traten die Vereinbarung über das Sekretariat des Kommissars des Rates der Ostseestaaten für demokratische Institutionen und Menschenrechte und das zugehörige Protokoll in Kraft.290 Das Sekretariat, das seinen Sitz in Kopenhagen hat, verfügt danach über Geschäfts- und Prozeßfähigkeit (Art. III). Seine Exterritorialität wird vom Sitzstaat anerkannt (Art. IV). Dem Kommissar werden die Erleichterungen, Vorrechte und Immunitäten eingeräumt, die den in Dänemark akkreditierten Chefs diplomatischer Missionen gewährt werden, während die Bediensteten des Sekretariats über eine eingeschränkte Immunität verfügen (Art. IX, X). In dem zugehörigen Protokoll ist festgelegt, daß die Bediensteten des Sekretariats einschließlich des Kommissars, die dänische Staatsangehörige sind, nur Anspruch auf Vorrechte und Immunitäten haben, die denen in dem Übereinkommen über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen entsprechen.
    Zum diplomatischen Status des zu Europol abgeordneten deutschen Personals s. unten XII.4., Ziff. 176.


    279 BT-Drs. 12/1710.
    280 BT-Drs. 13/1127, 2.
    281 Ibid., 4.
    282 Materialien zur Deutschen Einheit und zum Aufbau in den neuen Bundesländern, BT-Drs. 13/2280, 35.
    283 GMBl. 1995, 723.
    284 GMBl. 1995, 415.
    285 Vgl. Stoll (Anm. 10), Ziff. 120.
    286 GMBl. 1995, 958.
    287 Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zu ihrer Haltung zur Lage der Kurden im Irak, BT-Drs. 13/1361, 3.
    288 BGBl. 1996 II, 654.
    289 BGBl. 1996 II, 905. Der Bundestag hat dem Abkommen mit Gesetz vom 5.6.1996 zugestimmt, BGBl. 1996 II, 903.
    290 Vereinbarung vom 2.6.1995 zwischen der Regierung des Königreichs Dänemark und den Regierungen der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Finnland, der Republik Lettland, der Republik Litauen, des Königreichs Norwegen, der Republik Polen, der Russischen Föderation, des Königreichs Schweden und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über das Sekretariat des Kommissars der Ostseestaaten für demokratische Institutionen und Menschenrechte, einschließlich der Rechte von Personen, die Minderheiten angehören, in Kopenhagen, BGBl. 1995 II, 786.