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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1995


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Rainer Grote

XII. Zusammenarbeit der Staaten

7. Grenznachbarliche Zusammenarbeit

    197. Am 12. Dezember 1995 unterzeichnete die Bundesregierung einen Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wasserwirtschaft an den Grenzgewässern.428 Bis dahin erfolgte die Zusammenarbeit im bayerisch-tschechischen Grenzgewässerabschnitt ohne einen Grenzgewässervertrag durch beauftragte Grenzgewässerbevollmächtigte beider Seiten. Im sächsisch-tschechischen Grenzgewässerabschnitt wurde die Kooperation nach Erlöschen des Grenzgewässerabkommens zwischen der DDR und der CSFR von 1974 durch Grenzgewässerbevollmächtigte beider Seiten fortgesetzt.429 Durch das Abkommen sollen die Instandhaltung und Instandsetzung sowie die abgestimmte Bewirtschaftung der Grenzgewässer gewährleistet und die Verbesserung ihrer Wasserqualität ermöglicht werden. Zu diesem Zweck wollen die Vertragsparteien in einer Reihe von Bereichen zusammenarbeiten, zu denen u.a. die Unterhaltung und der Ausbau von Wasserläufen, der Bau, Betrieb und die Unterhaltung von Wasserbauwerken, der Schutz vor Hochwasser und Eisgefahr, die Nutzung der Wasserenergie, die Einleitung von Wasser und Abwasser sowie die Ausweisung von Wasserschutzgebieten gehören (Art. 3). Zur Erfüllung des Vertrages bilden die Vertragsparteien eine deutsch-tschechische Grenzgewässerkommission, die einen Ständigen Ausschuß für den bayerischen Grenzabschnitt und einen Ständigen Ausschuß für den sächsischen Grenzabschnitt einsetzt (Art. 4). Zusammensetzung und Verfahren der Grenzgewässerkommission sind in einem als Anlage beigefügten Statut geregelt, das Bestandteil des Vertrages ist. Nach Art. 9 werden sich die Vertragsparteien im Rahmen der Kommission im Interesse des Schutzes und der rationalen Nutzung der Grenzgewässer über bedeutsame wasserwirtschaftliche Vorhaben und daraus zu erwartende Auswirkungen auf Qualität und Menge der Grenzgewässer gegenseitig informieren. Sie wirken darauf hin, daß die Verunreinigung der Grenzgewässer vermindert wird und daß notwendige Maßnahmen zur Begrenzung, Kontrolle und Senkung von negativen Folgen der Tätigkeiten auf ihrem Staatsgebiet auf die Grenzgewässer und auf die Umwelt in ihrer Umgebung getroffen werden. Nach Art. 12 werden wasserwirtschaftliche Maßnahmen an den Grenzgewässern nach den Rechtsvorschriften und von den Behörden jener Vertragspartei beurteilt, auf deren Staatsgebiet die Maßnahmen durchgeführt werden. In die hierfür durchzuführenden Verwaltungsverfahren muß jedoch der Standpunkt der anderen Vertragspartei einbezogen werden.

    198. Darüber hinaus unterzeichnete die Bundesregierung im Berichtszeitraum mit der Tschechischen Republik Verträge über den Bau einer Grenzbrücke an der gemeinsamen Staatsgrenze im Zuge der Europastraße E 49430 und über den Zusammenschluß der deutschen Autobahn A 6 und der tschechischen Autobahn D 5 an der gemeinsamen Staatsgrenze durch Errichtung einer Grenzbrücke.431

    199. Der Zusammenschluß von Straßen im deutsch-polnischen Grenzbereich und der Bau von Grenzbrücken im Raum Forst und Erlenholz (Olszyna)432 und im Raum Guben und Gubinek433 war im Berichtszeitraum ebenfalls Gegenstand entsprechender Abkommen zwischen der Bundesrepublik und der Republik Polen. Darüber hinaus beendete die deutsch-polnische Raumordnungskommission im Berichtszeitraum ihre Arbeiten an den gemeinsamen, grenzüberschreitenden raumordnerischen Leitbildern für den Raum entlang der deutsch-polnischen Grenze. Die Leitbilder enthalten u.a. detaillierte Vorschläge für die Modernisierung der Grenzübergänge im Straßen- und Schienenverkehr.434 Die Raumordnungskommission empfahl allen Planungsträgern der nationalen, regionalen und kommunalen Ebene, gemäß den gesetzlichen Vorschriften beider Länder die erarbeiteten Leitbilder und Ziele in ihre Planung einzubeziehen und insbesondere die grenzüberschreitenden Aspekte entsprechend ihrer Bedeutung zu berücksichtigen.435 In ihrer Bewertung der Vorschläge für den Deutschen Bundestag führte die Bundesregierung aus:

    "Die raumordnerischen Leitbilder dienen als Grundlage für die Raumordnungspolitiken beider Nachbarländer im Einzugsbereich des Raumes entlang der deutsch-polnischen Grenze. Sie stellen ein positives Beispiel der guten Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Polen dar. Darüber hinaus wird damit eine weitere Voraussetzung geschaffen, daß sich diese Außengrenze der Europäischen Union zu einem Kooperationsraum entwickelt. Dies erleichtert die gewünschte Integration Polens in die EU.
    Die enge raumordnungspolitische Kooperation und die erzielten Ergebnisse stellen ein Beispiel für andere Grenzräume in Europa dar. Die deutsch-polnische Raumordnungskommission hat damit Pionierarbeit geleistet, so daß die Europäische Kommission die deutsch-polnische Zusammenarbeit zu den deutlichsten Erfolgen grenzüberschreitender Raumplanung in Europa zählt."436

    200. Ferner schloß die Bundesregierung im Berichtszeitraum ein Abkommen mit Polen über die Erhaltung der Grenzbrücken im Zuge der deutschen Bundesfernstraßen und der polnischen Landesstraßen an der deutsch-polnischen Grenze.437 In der Anlage zu dem Abkommen, die Vertragsbestandteil ist, wird festgelegt, welcher Vertragspartei die Erhaltung welcher Grenzbrücke obliegt. Der erhaltungspflichtige Vertragsstaat ist für die Verkehrssicherheit der von ihm zu erhaltenden Grenzbrücken verantwortlich und stellt den anderen Vertragsstaat von Ansprüchen Dritter frei (Art. 3). Bei der Errichtung neuer Grenzbrücken ist die Anlage jeweils im Wege eines Notenwechsels zu ergänzen (Art. 11).

    201. Das Ratifikationsverfahren zu dem Abkommen vom 18. April 1994 über den Autobahnzusammenschluß und den Bau einer Grenzbrücke über die Mosel im Raum Perl und Schengen leitete die Bundesregierung am 29. Juni 1995 ein.438

    202. Am 11. April 1995 schloß der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit mit dem Minister für Umweltschutz, Natürliche Ressourcen und Forstwesen der Republik Polen ein Abkommen über die Durchführung des gemeinsamen Umweltschutzpilotprojekts "Abwasserbehandlungsanlage Gubin-Guben" sowie einen Zuwendungsvertrag mit dem Unternehmen der Abwasserbehandlung Gubin-Guben GmbH und der Stadt Gubin, die am selben Tag in Kraft traten.439 Gegenstand des Abkommens ist die Zusammenarbeit der Vertragsparteien bei der Förderung von Umweltschutzinvestitionen auf dem Gebiet der Republik Polen aus den Mitteln des Bundesumweltministeriums für das Projekt "Abwasserbehandlungsanlage Gubin-Guben". Nach der Präambel des Abkommens wird damit das Ziel verfolgt, zu einer Verminderung der Umweltbelastungen in der deutsch-polnischen Grenzregion, insbesondere zur Reduzierung der Schadstoffbelastung von Lausitzer Neiße und Oder, beizutragen. Gefördert wird die Errichtung einer Abwasserbehandlungsanlage nach der besten verfügbaren Technik, zu deren Durchführung der Gubener Wasser- und Abwasserzweckverband und die Stadt Gubin durch Gesellschaftsvertrag das Abwasserbehandlungsunternehmen Gubin-Guben GmbH gegründet haben, und die Durchführung eines Ausbildungsprogramms für das Personal der Anlage. In der Abwasserbehandlungsanlage wird Abwasser grenzüberschreitend aus dem Einzugsgebiet des Gubener Wasser- und Abwasserzweckverbandes und aus dem Einzugsgebiet der Stadt Gubin behandelt (Art. 1). Das Bundesumweltministerium gewährt dem Unternehmen der Abwasserbehandlung Gubin-Guben GmbH zur Förderung des Projekts eine Zuwendung in Höhe von bis zu sechs Millionen Mark, deren Einzelheiten in dem Zuwendungsvertrag geregelt sind (Art. 2). Der polnische Minister für Umweltschutz sorgt für die Erfüllungen der Verpflichtungen aus dem Zuwendungsvertrag, sollte die GmbH hierzu nicht in der Lage sein. Er tritt auch in die Rückzahlungsverpflichtung ein, die sich im Falle der Nichterfüllung des Zuwendungsvertrages für die GmbH ergibt, wenn diese selbst der Verpflichtung nicht nachkommt (Art. 3). In Anhängen zu dem Zuwendungsvertrag werden die Wasser-Emissionsanforderungen an den Ablauf der Abwasserbehandlungsanlage in Gubin und die Anforderungen an die Klärschlammentsorgung festgelegt.


    428 BGBl. 1997 II, 925. Der Bundestag hat dem Vertrag mit Gesetz vom 24.4.1997 zugestimmt, ibid., 924.
    429 Umwelt Nr. 12/1995, 453 f.
    430 BGBl. 1996 II, 2663; Zustimmungsgesetz vom 26.11.1996, BGBl. 1996 II, 2662.
    431 BGBl. 1997 II, 786. Das Zustimmungsgesetz zu dem Vertrag ist am 16.4.1997 ergangen, BGBl. 1997 II, 785.
    432 Abkommen vom 20.3.1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über den Autobahnzusammenschluß sowie über den Bau und den Umbau einer Grenzbrücke im Raum Forst und Erlenholz (Olszyna), BGBl. 1996 II, 836. Das Zustimmungsgesetz ist am 15.5.1996 ergangen, BGBl. 1996 II, 835.
    433 Abkommen vom 20.3.1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über den Zusammenschluß der deutschen Bundesstraße B 97 und der polnischen Landstraße 274 sowie über den Bau einer Grenzbrücke im Raum Guben und Gubinek, BGBl. 1996 II, 844. Das Zustimmungsgesetz ist ebenfalls am 15.5.1996 ergangen, BGBl. 1996 II, 843.
    434 Bericht der Bundesregierung über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Raumordnung entlang der deutsch-polnischen Grenze, BT-Drs. 13/2685, 17 ff., Tabellen 1 und 2.
    435 Entschließung der deutsch-polnischen Raumordnungskommission zu den Raumordnerischen Leitbildern für den Raum entlang der deutsch-polnischen Grenze vom 24.5.1995, BT-Drs. 13/2685, 3.
    436 BT-Drs. 13/2685, 2.
    437 Abkommen vom 20.3.1995, BGBl. 1996 II, 827. Das Zustimmungsgesetz ist am 15.5.1995 ergangen, BGBl. 1996 II, 826.
    438 BT-Drs. 13/1885; Zustimmungsgesetz vom 9.2.1996, BGBl. 1996 II, 215.
    439 BGBl. 1995 II, 419.