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209. Die Bundesregierung nahm im Berichtszeitraum ferner zu parlamentarischen Fragen zu der geplanten Versenkung der ausgedienten Ölplattform "Brent Spar" im Atlantik Stellung. Für die seit 1976 als Zwischenlager betriebene und 1991 stillgelegte Anlage lief 1995 die Betriebsgenehmigung aus. Die britische Regierung hatte der britischen Shell die Genehmigung zur Versenkung der Plattform im Meer erteilt. Zur völkerrechtlichen Bewertung dieses Vorgangs führte die Bundesregierung aus:
"Die britische Regierung hat die Vertragsparteien des Übereinkommens über den Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks (OSPAR-Übereinkommen) durch das OSPAR-Sekretariat über die Genehmigung der Versenkung der Brent-Spar-Offshore-Anlage in der Tiefsee des Nordostatlantiks informiert. [...]
Nach dem auch für das Vereinigte Königreich geltenden Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe und Luftfahrzeuge vom 15. Februar 1972 (Oslo-Übereinkommen, BGBl. II 1977 S. 165) und auch nach dem neuen OSPAR-Übereinkommen vom 22. September 1992 (BGBl. II S. 1355), das international noch nicht in Kraft getreten ist, aber durch politische Erklärung der Zeichnerstaaten bereits Anwendung findet, kann in besonders begründeten Einzelfällen die Versenkung von Plattformen genehmigt werden. Dabei sind alle nur möglichen Maßnahmen zu unternehmen, um eine Verschmutzung der Meeresumwelt zu verhüten. Die übrigen Vertragsstaaten sind von der Genehmigung zu informieren, und es ist Gelegenheit zu Konsultationen zu geben. Die von der britischen Regierung zur Verfügung gestellten gutachterlichen Unterlagen sehen die mit der Einbringung der Anlage verbundene Meeresverschmutzung mit dem Hinweis auf die starke Verdünnung durch das Meerwasser als vernachlässigbar an. Nach den vorliegenden Unterlagen entspricht die Versenkung der Anlage "Brent Spar" nach Einschätzung der Bundesregierung nicht dem in dem genannten Meeresschutz-Übereinkommen verankerten Vorsorgeprinzip. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hat sich deshalb in einem Schreiben vom 9. Mai 1995 an das für die Genehmigung verantwortliche britische Ministerium für Landwirtschaft, Fischerei und Ernährung nachdrücklich gegen das Vorhaben ausgesprochen."457 |
210. Die Bundesregierung setzte sich auf der 4. Internationalen Nordseeschutz-Konferenz am 8./9. Juni 1995 in Esbjerg (Dänemark) nachdrücklich für die landseitige Entsorgung von Offshore-Anlagen ein.458 Die Umweltminister der Nordsee-Anrainerstaaten kamen dabei überein, daß solche Anlagen grundsätzlich an Land zu entsorgen seien. Die beiden Hauptbetreiberländer Norwegen und Großbritannien behielten sich allerdings Ausnahmen für besondere Fälle vor.459 Im Rahmen des OSPAR-Übereinkommens wurde ein Moratorium bei der Versenkung von Offshore-Anlagen bis zu einem verbindlichen Beschluß zur Landentsorgung vereinbart.460
211. Auf der 18. Konsultativsitzung der Vertragsstaaten des Londoner Übereinkommens von 1972 über die Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und anderen Stoffen vom 4. bis 8. Dezember 1995 wurde vereinbart, Ende 1996 auf einer diplomatischen Konferenz ein Änderungsprotokoll zu unterzeichnen. Durch das Änderungsprotokoll soll die Systematik des Übereinkommens grundlegend umgestaltet werden. Während das Londoner Übereinkommen von 1972 Einbringungsverbote für bestimmte Stoffe und Abfälle vorsieht, zu denen ab 1996 auch radioaktive Stoffe und Industrieabfälle gehören, soll im neuen Übereinkommen dem Vorsorgeprinzip entsprechend ein generelles Verbot für das Einbringen von Abfällen verankert werden, von dem nur eng begrenzte Ausnahmen zugelassen werden.461 Die Umsetzung dieser neuen Regelung erfordert insbesondere von den Entwicklungsländern, die heute noch die Entsorgung im Meer praktizieren, den Aufbau entsprechender Entsorgungsstrukturen an Land. Um diesen Staaten den Beitritt zum neuen Übereinkommen zu erleichtern, soll dieser Umweltbereich im Rahmen der bestehenden bilateralen und internationalen technischen Zusammenarbeit stärker berücksichtigt werden. In der Folge der Ereignisse um die "Brent Spar" wurde ferner von Dänemark, das darin von der Bundesrepublik unterstützt wurde, die Forderung nach einem weltweiten Moratorium für das Versenken von Plattformen eingebracht. Über zwei Drittel der teilnehmenden Staaten lehnten das Moratorium strikt ab. Die "Scientific Group" wurde aber mit der Bewertung der bestehenden Richtlinien und Regeln beauftragt.462 Die Bundesregierung bewertete die Beschlüsse zur neuen Konvention trotz aller Schwächen als eine deutliche Verbesserung gegenüber dem bestehenden Übereinkommen. Obwohl abzusehen sei, daß eine Reihe der deutschen Vorschläge nicht akzeptiert werde, werde Deutschland weiterhin aktiv mitarbeiten und bei der diplomatischen Konferenz, bei der über alle noch offenen Fragen entschieden werden soll, weitere Verbesserungsvorschläge einbringen.463
212. Am 15. Mai 1995 trat für die Bundesrepublik Deutschland das Internationale Übereinkommen von 1990 über die Vorsorge, Bekämpfung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Ölverschmutzung in Kraft.464
213. Zur bilateralen Zusammenarbeit im Bereich des Gewässerschutzes mit der Tschechischen Republik und Polen s. oben XII.7., Ziff. 197, 202.