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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1995


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Rainer Grote

XIII. Umwelt- und Naturschutz

3. Luftreinhaltung und Klimaschutz

    214. Die Klimaschutzpolitik war im Vorfeld der 1. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen, die vom 28. März bis 7. April 1995 in Berlin stattfand, wiederholt Gegenstand von Stellungnahmen der Bundesregierung.465 Im Mittelpunkt stand dabei die Überprüfung der Angemessenheit der Verpflichtungen der Industrieländer zur Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen. Die Rahmenkonvention verpflichtet die Industrieländer lediglich, ihre Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2000 auf das Niveau von 1990 zurückzuführen, läßt aber offen, was nach diesem Zeitpunkt zu geschehen hat. Die Bundesregierung machte deutlich, daß sie diese Verpflichtungen für nicht ausreichend hält:

    "Die Weiterentwicklung der Klimarahmenkonvention durch ein Klimaprotokoll mit konkreten Zielen und Maßnahmen zur Begrenzung und/oder Reduktion von Treibhausgasemissionen ist für Deutschland nach wie vor ein zentraler Baustein einer internationalen Klimaschutzstrategie. Die Bundesregierung hält es für notwendig, daß ein Protokoll mit substantiellem Inhalt sobald wie möglich verabschiedet wird. [...] Die Reaktionen zahlreicher anderer Staaten haben jedoch entschlossenen Widerstand gegen die Annahme eines Protokolls in Berlin offenbart. Die überwiegende Zahl unserer internationalen Verhandlungspartner hält für die Ausarbeitung eines Protokolls mehrjährige Verhandlungen für unerläßlich. [...] Daher hat Deutschland davon abgesehen, einen eigenen Protokollentwurf vorzulegen � dies erschien nach den Gesprächen und Kontakten mit den anderen Staaten als kontraproduktiv. Um jedoch den übrigen Staaten die Überlegungen Deutschlands zu vermitteln, hat die Bundesregierung ein 'Elementepapier' mit weiterführenden Vorstellungen für den Inhalt eines Klimaprotokolls vorgelegt. [...]
    Die Verhandlungen haben ebenfalls gezeigt, daß es kontraproduktiv gewesen wäre, hinsichtlich der für die Zeit nach 2000 vorgeschlagenen Reduktionsschritte bereits jetzt Zahlen zu nennen. Auch hiervon hat Deutschland daher abgesehen, gleichzeitig aber � mit der Forderung, daß sich die Industrieländer verpflichten sollen, nach dem Jahr 2000 ihre CO2-Emissionen einzeln oder gemeinsam bis zum Jahr (x) um (y) Prozent zu reduzieren � deutlich gemacht, daß wir solche Reduktionsschritte für unabdingbar halten."466
    Das auf der 1. Vertragsstaatenkonferenz beschlossene "Berliner Mandat" sieht die Einsetzung einer ad-hoc-Arbeitsgruppe vor, die bis 1997, rechtzeitig zur Verabschiedung durch die 3. Vertragsstaatenkonferenz, ein Klimaprotokoll erarbeiten soll. Das Mandat enthält für den Verhandlungsprozeß eine Reihe von Vorgaben. Hierzu gehören insbesondere die Verschärfung der bestehenden Verpflichtungen der Industrieländer nach Art. 4 §§2 (a) und (b) der Konvention, die Ausarbeitung von Politiken und Maßnahmen sowie die Festlegung quantifizierter Begrenzungs- und Reduktionsziele für Treibhausgasemissionen für die Zeiträume 2005, 2010 und 2020. Für die Entwicklungsländer enthält das Mandat eine Formulierung, mit der die Einführung neuer Verpflichtungen ausgeschlossen, gleichzeitig aber die bestehenden, auch für die Entwicklungsländer geltenden allgemeinen Verpflichtungen nach Art. 4 §1 der Klimarahmenkonvention bestätigt werden und deren beschleunigte Umsetzung gefordert wird. In ihrer Erklärung zu den Ergebnissen der Berliner Klimakonferenz vor dem Deutschen Bundestag führte Bundesumweltministerin Merkel hierzu aus:
    "Jeder, der die Konferenz und die Vorbereitungskonferenzen für diese erste Vertragsstaatenkonferenz miterlebt hat, weiß, daß wir außerordentlich schwierige Verhandlungen bis zum Jahr 1997 vor uns haben. Jeder weiß auch, daß zwei Jahre nicht sehr viel Zeit sind.
    Ich möchte deshalb ganz klar sagen: Die Bundesregierung wird mit allem Nachdruck für anspruchsvolle Protokollverpflichtungen eintreten."467
    Auf der 1. Vertragsstaatenkonferenz wurde ferner vereinbart, mit einer Pilotphase für Vorhaben der "Joint Implementation" zu beginnen, an der alle interessierten Vertragsparteien auf freiwilliger Basis teilnehmen können. Während der Pilotphase wird es keine Anrechnung der mit Pilotprojekten erzielten Emissionsminderungen auf die bestehenden Verpflichtungen der Industrieländer geben. In seiner Rede auf der Vertragsstaatenkonferenz setzte sich Bundeskanzler Kohl nachhaltig für das Konzept der "Joint Implementation" ein:
    "Für das Klima unserer Erde ist es letztlich ohne Belang, welches Land oder welcher Industriebetrieb das CO2 oder ein anderes klimaschädigendes Gas ausgestoßen hat. Wir tragen gemeinsam die Folgen eines solchen Tuns. Beim gemeinsamen Kampf gegen klimaschädliche Treibhausgase sollten wir daher überlegen, wie wir einen substantiellen Transfer von Wissen und Technologie in die Entwicklungsländer erreichen und gleichzeitig die für den Klimaschutz weltweit zur Verfügung stehenden Gelder am wirkungsvollsten einsetzen.
    Ein erfolgversprechender Weg beide Ziele miteinander zu verbinden, ist die schon in der Konvention vorgesehene 'gemeinsame Umsetzung von Maßnahmen'.
    In vielen Ländern können Industrieanlagen und Kraftwerke durch Modernisierung in ihrem Wirkungsgrad beträchtlich gesteigert werden. Dies ist nicht nur wirtschaftlich sinnvoll � es kann auch die Emission klimaschädigender Treibhausgase einschneidend senken. [...]
    Wir sollten daher im Rahmen einer gemeinsamen Umsetzung den finanziell stärker geforderten Industriestaaten Anreize geben, auch außerhalb des eigenen Landes klimaschonende Maßnahmen vorzunehmen. Wenn die Industriestaaten diese Anstrengungen zu einem Teil auf ihre Verpflichtungen zur Verminderung der Treibhausgase anrechnen können, dann, denke ich, liegt das im Interesse aller Staaten auf der Suche nach einem wirksamen Klimaschutz.
    Ich weiß, gegen die gemeinsame Umsetzung der Maßnahmen gibt es Bedenken von seiten der Entwicklungsländer. Ich nehme diese Bedenken sehr ernst. Deshalb muß die 'gemeinsame Umsetzung' ein Instrument gemeinsamer Verantwortung sein und darf nicht bedeuten, daß die Industriestaaten in ihren eigenen Klimaanstrengungen nachlassen dürfen."468
    Auf der Vertragsstaatenkonferenz wurde darüber hinaus beschlossen, daß das Ständige Sekretariat der Klimarahmenkonvention seinen Sitz in Bonn finden wird. Ein entsprechendes Abkommen zwischen der Bundesregierung, den Vereinten Nationen und dem Sekretariat wurde am 20. Juni 1996 unterzeichnet.469

    215. Auf der 7. Vertragsstaatenkonferenz des Montrealer Protokolls zum Schutz der Ozonschicht vom 5. bis 7. Dezember 1995 in Wien wurden weiterführende Beschlüsse zur Reduzierung, Stabilisierung und zum Ausstieg aus Produktion und Verbrauch von Methylbromid (Pflanzenschutzmittel) und H-FCKW (teilhalogenierte FCKW-Ersatzstoffe) in den Entwicklungs- und Industrieländern beschlossen.470 Die Vertragsstaaten einigten sich auf einen schrittweisen Ausstieg aus der Produktion und Anwendung von Methylbromid in den Industrieländern bis zum Jahre 2010. Bis zum Jahre 2001 sind Produktion und Verbrauch um 25 Prozent, bis zum Jahre 2005 um 50 Prozent zu reduzieren. Ferner einigten sich die Vertragsstaaten auf ein Exportverbot von Methylbromid in Staaten, die nicht Vertragsparteien des Montrealer Protokolls sind. Die bisherige Regelung im Montrealer Protokoll sah im Hinblick auf Methylbromid lediglich eine Stabilisierung von Produktion und Verbrauch ab 1995 auf der Basis von 1991 vor. In den Entwicklungsländern gab es bislang für Methylbromid keine verbindliche Regelung im Protokoll. Nach den Vereinbarungen der Wiener Konferenz sind Produktion und Verbrauch in den Entwicklungsländern nunmehr auf der Basis des Durchschnittsverbrauchs in den Jahren 1995 bis 1998 ab dem Jahr 2002 einzufrieren. Auf der 9. Vertragsstaatenkonferenz 1997 soll diese Entscheidung überprüft und eine Entscheidung auch zum Ausstieg in den Entwicklungsländern getroffen werden.
    Im Hinblick auf H-FCKW einigte man sich auf eine Reduzierung der Verbrauchshöchstmenge in den Industrieländern von 2,8 Prozent gegenüber 3,1 Prozent auf der Basis des Jahres 1989. Für die Entwicklungsländer verständigten sich die Vertragsstaaten auf einen Ausstieg aus dem Verbrauch teilhalogenierter Stoffe bis zum Jahr 2040. Weiterhin sieht der Beschluß ein Einfrieren des Verbrauchs ab dem Jahr 2016 auf der Basis des Jahres 2015 vor.
    Bundesumweltministerin Merkel erklärte zu den Beschlüssen der 7. Vertragsstaatenkonferenz:

    "Deutschland hätte sich für den Ausgang der Konferenz zwar ehrgeizigere Beschlüsse gewünscht. Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Interessen der Konferenzteilnehmer und der Gefahr eines Scheiterns des Montreal-Prozesses werte ich die verabschiedeten Entscheidungen gleichwohl als Erfolg.
    Es war wichtig, überhaupt verbindliche Regelungen für die Entwicklungsländer im Hinblick auf Methylbromid und H-FCKW zu vereinbaren, dies ist uns gelungen. Ich sehe die gestrigen Beschlüsse als Einstieg in weitergehende Maßnahmen zum Schutz der Ozonschicht. Ich denke, daß die Zukunft eine weitere Verschärfung der vereinbarten Beschlüsse bringen wird. Die Vergangenheit hat gezeigt, daß auch bei den anderen ozonschädigenden Stoffen sukzessive die Vereinbarung schärferer Reduktions- und Ausstiegsfristen möglich war."471


    465 BT-Drs. 13/758; 13/980.
    466 BT-Drs. 13/758, 4.
    467 Erklärung vom 26.4.1995, Bull. Nr. 33 vom 28.4.1995, 278.
    468 Rede vom 5.4.1995, Bull. Nr. 30 vom 12.4.1995, 249.
    469 BGBl. 1996 II, 2782.
    470 Bull. Nr. 106 vom 15.12.1995, 1059.
    471 Ibid.