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216. Auch im Berichtszeitraum bemühte sich die Bundesregierung intensiv, auf eine Verbesserung der Sicherheit der kerntechnischen Anlagen in Mittel- und Osteuropa hinzuwirken. Im Hinblick auf die geplante Fertigstellung der Kernkraftwerke Temelin (Tschechische Republik) und Mochovce (Slowakische Republik) wies Bundesumweltministerin Merkel im Bundestag allerdings auf die beschränkten rechtlichen Einwirkungsmöglichkeiten der Bundesregierung hin:
"Wir sollten uns hüten, ständig die Rolle des Weltgewissens oder der Weltpolizei spielen zu wollen, die den anderen vorschreibt, wie sie im eigenen Land zu handeln haben. Was wir machen können und was wir auch tun, ist unsere Möglichkeiten im Rahmen bilateraler und multilateraler Abkommen zu nutzen, um unsere Auffassung der tschechischen Regierung nahe zu bringen. So wurde im Rahmen des seit dem 30. Mai 1990 bestehenden bilateralen Regierungsabkommens zur Regelung von Fragen gemeinsamen Interesses im Zusammenhang mit kerntechnischer Sicherheit und Strahlenschutz erreicht, daß Temelin, obwohl es etwa 80 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt ist, wie eine grenznahe Anlage (bis 30 Kilometer) behandelt wird.
Dies bedeutet, daß geeignete Unterlagen über geplante Anlagen � insbesondere genehmigungsrelevante Informationen � danach der deutschen Seite so rechtzeitig vorzulegen sind, daß etwaige Stellungnahmen berücksichtigt werden können. Mit der tschechischen Seite wurde vereinbart, in der nächsten Sitzung der gemeinsamen Kommission die geplanten Nachrüstungen und auch Möglichkeiten einer verbesserten Öffentlichkeitsbeteiligung eingehend zu behandeln."472 |
"Weder nach diesen Richtlinien, noch nach irgendwelchen anderen Maßgaben hat die deutsche Seite einen Rechtsanspruch auf förmliche Beteiligung an dem slowakischen Genehmigungsverfahren. Wir sollten uns darauf konzentrieren, die Wege, wie ich sie in unserem Verhältnis zur Tschechischen Republik aufgezeigt habe, intensiv zu nutzen, ohne lauten Paukenschlag nach außen, aber um so effektiver."473 |
217. Am 19. Oktober 1995 wurde in Berlin die Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und der United States Nuclear Regulatory Commission über den Austausch von Informationen und über Zusammenarbeit in Fragen der nuklearen Sicherheit unterzeichnet und trat am selben Tag in Kraft.475 In Art. 2 der Vereinbarung sind die Arten von Informationen aufgeführt, die Gegenstand des Informationsaustausches sein sollen. Dazu zählen u.a. aktuelle Berichte über technische Sicherheit, Sicherungsmaßnahmen, Beseitigung radioaktiver Abfälle und Auswirkungen auf die Umwelt, die von einer oder für eine der Vertragsparteien als Grundlage regulatorischer Beschlüsse erstellt wurden, aber auch Unterlagen über Genehmigungsverfahren kerntechnischer Einrichtungen und frühzeitige Mitteilungen über bedeutsame Ereignisse, die für die andere Seite von unmittelbarem Interesse sind, wie ernste betriebliche Störfälle. Wie die Vereinbarung zwischen BMBF und USNRC (dazu s. oben XII.2, Ziff. 151), so enthält auch die Vereinbarung zwischen BMU und USNRC detaillierte Vorschriften über die Nutzung ausgetauschter Informationen und den Schutz des im Rahmen der Vereinbarung erarbeiteten geistigen Eigentums, die als Anlagen 1 und 2 Bestandteil der Vereinbarung sind. Im Hinblick auf die Nutzung der Informationen verpflichten sich die Vertragsparteien, die "größtmögliche Verbreitung" von Informationen, die im Rahmen der Vereinbarung zur Verfügung gestellt werden, zu unterstützen, vorbehaltlich der Notwendigkeit des Schutzes rechtlich geschützter oder anderer vertraulicher oder bevorrechtigter Informationen.