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Rainer Grote
3. Sonstige Einzelfragen
238. Handels- und Wirtschaftsabkommen
Mit Notenwechsel wurden das deutsch-zentralafrikanische541 und das deutsch-ivorische Wirtschaftsabkommen542 geändert. Die Änderungen beziehen sich jeweils auf die Streichung der bislang in den Abkommen enthaltenen Berlinklausel und die Definition des Ursprungslandes einer Ware.543
In einer Stellungnahme für den Deutschen Bundestag sprach sich die Bundesregierung für einen vorsichtigen Gebrauch des handelsrechtlichen Abwehrinstrumentariums der Europäischen Union und eine zurückhaltende Anti-Dumping Politik aus:
"Die Bundesregierung sah die Ergänzung des Neuen Handelspolitischen Instruments der Europäischen Union als nicht zur Umsetzung der Verhandlungsergebnisse der Uruguay-Runde hinzugehörig und im übrigen als nicht erforderlich an. Die vorhandenen handelspolitischen Instrumente der Europäischen Union wurden vielmehr als hinreichend angesehen. Diese Auffassung konnte im Rat am 19. Dezember 1994 aufgrund der bestehenden Mehrheitsverhältnisse nicht durchgesetzt werden. [...]
Die Bundesregierung hat immer Bestrebungen eine klare Absage erteilt, mit Hilfe des geltenden Antidumping-Rechts wirtschafts- und industriepolitische Ziele durch protektionistischen Einsatz dieses Instruments zu verfolgen; sie wird dies im Sinne ihrer auf ungehinderten Marktzugang ausgerichteten Handelspolitik auch weiterhin tun. Diese Position schließt indessen nicht aus, daß die Bundesregierung bei hinreichenden Belegen für Dumping und eine dadurch verursachte Schädigung Verfahrenseröffnungen durch die Europäische Kommission akzeptiert und bei eindeutigem Nachweis dieser Voraussetzungen Antidumping-Maßnahmen zustimmt, sofern dies bei Abwägung der Gemeinschaftsinteressen (Hersteller/Verbraucher) unumgänglich ist."544 |
239. Zollrecht
Am 4. Juli 1995 schloß die Bundesrepublik mit der Schweiz ein Abkommen zur Änderung des Vertrages vom 23. November 1964546 über die Einbeziehung der Gemeinde Büsingen am Hochrhein in das schweizerische Zollgebiet. Das Abkommen hebt das Berufsausübungsverbot von in Büsingen praktizierenden Heilpraktikern gegenüber Personen auf, die in der Schweiz ihren Wohnsitz haben. Ferner erzielten die Vertragsparteien mit Notenwechsel vom 14./19. Dezember 1994 eine Übereinkunft über die Interpretation des Vertrages, wonach mit Wirkung vom 1. Januar 1995 die schweizerische Mehrwertsteuer die in Art. 2 Abs. 1 lit. g und Art. 5 Abs. 1 genannte Warenumsatzsteuer ersetzt547.
Mit der Tschechischen Republik schloß die Bundesrepublik am 19. Mai 1995 einen Vertrag über die gegenseitige Unterstützung der Zollverwaltungen.548 Der Vertrag sieht die Zusammenarbeit der deutschen und der tschechischen Zollverwaltung insbesondere zur Verhinderung, Ermittlung und Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen die Zollvorschriften beider Staaten vor. Das Übereinkommen entspricht weitgehend den bereits in anderen bilateralen Kooperationsabkommen im Bereich der Zollverwaltung getroffenen Regelungen. Regelungen über die Anwendung und Vollstreckung von Zwangsmaßnahmen enthält das Abkommen nicht.549
Im Berichtszeitraum wurde die Zolltarifverordnung erneut geändert.550
240. Steuerfragen
Im Rahmen einer Großen Anfrage äußerte sich die Bundesregierung grundsätzlich zum Stellenwert des Doppelbesteuerungsabkommens als Instrument des Außenwirtschaftsrechts. Doppelbesteuerungsabkommen hätten sich als geeignetes Mittel zur Vermeidung der Doppelbesteuerung erwiesen, durch das im Verhältnis zwischen zwei Staaten die Besteuerungsrechte entweder ganz dem einen oder ganz dem anderen Staat zugewiesen oder zwischen beiden Staaten so aufgeteilt würden, daß eine Überbesteuerung ausgeschlossen werde. Die Bundesregierung habe deshalb bereits mit den meisten investitionspolitisch wichtigen Staaten solche Abkommen geschlossen (über 70%). Darüber hinaus bemühe sie sich, weitere Staaten in das deutsche Abkommennetz einzubeziehen.551
Im Berichtszeitraum unterzeichnete die Bundesregierung Doppelbesteuerungsabkommen mit Venezuela552, den Vereinigten Arabischen Emiraten553, Indien554, der Ukraine555, Vietnam556 und Dänemark557. Von den genannten Abkommen ist das deutsch-dänische Steuerabkommen das umfassendste, da es sich nicht nur auf die Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Einkommens- und Vermögenssteuern erstreckt, sondern auch die Besteuerung bei den Nachlaß-, Erbschafts- und Schenkungssteuern und den gegenseitigen Beistand der Steuerbehörden, insbesondere auch bei der Steuerbeitreibung (Art. 29), regelt. Ferner leitete die Bundesregierung 1995 das Ratifikationsverfahren zu den Doppelbesteuerungsabkommen mit der Mongolei558 ein. In Kraft traten das deutsch-namibische559, das deutsch-bolivianische560 und das deutsch-pakistanische Doppelbesteuerungsabkommen561.
Am 1. Januar 1995 trat für die Bundesrepublik Deutschland das Übereinkommen vom 23. Juli 1990 über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen562 in Kraft.563
Auf eine Kleine Anfrage hin nahm die Bundesregierung zu dem Problem der Grenzpendler an der deutsch-belgischen Grenze Stellung. "Grenzgänger" würden nach dem deutsch-belgischen Doppelbesteuerungsabkommen grundsätzlich in ihrem Wohnsitzstaat besteuert. Voraussetzung sei, daß sie in der Grenzzone eines Vertragsstaates arbeiteten und ihre ständige Wohnstätte, zu der sie in der Regel jeden Tag zurückkehrten, in der Grenzzone des anderen Vertragsstaates hätten. In Belgien wohnhafte "Grenzgänger" würden demzufolge in ihrem Wohnsitzland nach den Regeln des belgischen Steuerrechts besteuert. Die Bundesregierung verhandele mit der belgischen Regierung über eine Änderung dieser Rechtslage:
"Die Bundesregierung verhandelt zur Zeit mit der belgischen Regierung über ein neues DBA. Eine erste Verhandlungsrunde hat im März 1995 stattgefunden. Dabei ist auch das Problem der Besteuerung der Grenzgänger erörtert worden. Für diesen Personenkreis wurde eine Lösung in Aussicht genommen, nach der künftig unter Wegfall der bisherigen Grenzgängerregelung die Besteuerung im Tätigkeitsstaat erfolgen soll, wobei gleichzeitig ein gewisser Fiskalausgleich zugunsten der Wohnsitzgemeinden in Belgien geleistet wird. Einzelheiten der Regelung, insbesondere die Durchführung des Fiskalausgleichs, bedürfen noch weiterer Erörterungen."564 |
"Eine 'Finanzierung globaler Aufgaben' erfolgt über die bestehenden VN-Organisationen und die anderen zwischenstaatlichen Einrichtungen in der Regel durch Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten. Eine 'Erhebung internationaler Abgaben' würde eine supranationale Institution mit entsprechenden Befugnissen voraussetzen, die es bisher im globalen Rahmen nicht gibt. Eine Finanzierung globaler Aufgaben durch internationale Abgaben wäre daher nur mit zusätzlichem bürokratischen Aufwand möglich und stößt zudem in den meisten Staaten auf steuerhoheitsrechtliche Bedenken."565 |
241. Investitionsschutz
Die Bundesregierung betonte auf Parlamentarische Anfrage die Bedeutung bilateraler Investitionsförderungs- und -schutzverträge für die wirtschaftliche Kooperation mit anderen Staaten. Mit einer großen Zahl von Ländern in Asien, Lateinamerika und anderen Wachstumsregionen seien Investitionsförderungsverträge abgeschlossen worden; mit weiteren Ländern in diesen Regionen stehe sie in Verhandlungen.566
Im Berichtszeitraum unterzeichnete die Bundesregierung mit Peru einen Vertrag über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen567. Ferner leitete sie das Ratifikationsverfahren zu den Investitionsschutzabkommen mit der Ukraine568, der Mongolei569, Estland570, Jamaika571, Lettland572 und Belarus573 ein. In Kraft traten Investitionsförderungsverträge mit Kasachstan574, Swasiland575 und Albanien576.
Die Bundesregierung unterstrich im Parlament ihre Unterstützung für die Bemühungen um den Abschluß eines multilateralen Investitionsvertrages:
"Die Bundesregierung begrüßt ferner die Aufnahme von Verhandlungen in der OECD über den Abschluß eines 'Multilateralen Investitionsabkommens'. Die Bundesregierung unterstützt nachdrücklich das Verhandlungsziel, wonach das Abkommen international verbindliche Regelungen zur Investitionsliberalisierung, zum Investionsschutz und zur Streitschlichtung auf hohem Niveau schaffen soll. Die Bundesregierung legt außerdem großen Wert darauf, daß das Abkommen � wie beabsichtigt � Nicht-OECD-Mitgliedstaaten zum Beitritt offensteht."577 |
242. Öffentliches Auftragswesen
Am 25. Oktober 1995 unterzeichnete die Bundesregierung mit der Regierung der Republik Ungarn ein Abkommen über den gegenseitigen Schutz von Verschlußsachen.578 Mit dem Abkommen wird das Ziel verfolgt, eine Sicherheitsregelung zu schaffen für alle zwischen den Vertragsparteien zu schließenden Abkommen über Zusammenarbeit und zu vergebende Aufträge, die die Überlassung von Verschlußsachen erfordern. Nach Art. 2 verpflichten sich die Vertragsparteien, im Rahmen ihres innerstaatlichen Rechts alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um Verschlußsachen, die nach dem Abkommen übermittelt werden oder beim Auftragnehmer im Zusammenhang mit einem Verschlußsachenauftrag entstehen, zu schützen. Dabei gewähren sie ihnen mindestens den gleichen Geheimschutz, der für eigene Verschlußsachen des entsprechenden Geheimhaltungsgrades gilt. Beabsichtigt eine Vertragspartei, einen Auftrag, der die Überlassung von Verschlußsachen erfordert, an einen Auftragnehmer im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei zu vergeben, so holt sie zuvor von der zuständigen Behörde der anderen Vertragspartei eine Versicherung dahin gehend ein, daß der vorgeschlagene Auftragnehmer sicherheitsüberprüft ist und über geeignete Vorkehrungen verfügt, um einen angemessenen Schutz der Verschlußsache zu gewährleisten. Diese Versicherung beinhaltet die Verpflichtung sicherzustellen, daß das Geheimschutzverfahren des überprüften Auftragnehmers im Einklang mit den innerstaatlichen Geheimschutzvorschriften steht und von der Regierung überwacht wird (Art. 3).
243. Rohstoffe
Die Bundesregierung leitete am 12. Juni 1995 das Ratifikationsverfahren zu dem Internationalen Kaffeeübereinkommen von 1994 ein, das am 1. Oktober 1994 vorläufig in Kraft getreten ist.579 Das Übereinkommen ersetzt das Internationale Kaffeeübereinkommen von 1983580, dessen Laufzeit nach viermaliger Verlängerung am 30. September 1994 endete. Im Gegensatz zu früheren Übereinkommen enthält das neue Übereinkommen keine wirtschaftlichen Bestimmungen mehr, sondern ist als Verwaltungsabkommen ausgestaltet.581 In dem Übereinkommen werden die Einrichtung, die Funktion und die Aufgaben der Internationalen Kaffee-Organisation und ihrer Organe (Internationaler Kaffeerat, Exekutivdirektorium) geregelt (Kap. V�VII). Die Mitglieder verpflichten sich, die für die Durchführung des Übereinkommens erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen; die Ausfuhrmitglieder übernehmen darüber hinaus die Verantwortung für die Gewährleistung der ordnungsgemäßen Ausstellung und Verwendung von Ursprungszeugnissen im Einklang mit den vom Rat festgelegten Regeln (Art. 3).
Die Bundesregierung legte dem Bundestag im Berichtszeitraum ferner einen Gesetzentwurf zu dem Internationalen Kakao-Übereinkommen von 1993 zur Zustimmung vor.582 Das Übereinkommen ersetzt das Internationale Kakao-Übereinkommen von 1986583, das nach zweimaliger Verlängerung am 30. September 1993 ausgelaufen war. Ziel des Abkommens ist die Stabilisierung des Weltkakaomarktes durch notwendige Anpassungen der Produktion und die Steigerung des Verbrauchs. Im Vergleich zu dem bisherigen Übereinkommen verzichtet das neue Kakao-Übereinkommen auf einen Interventionsmechanismus (Ausgleichslager, Quoten). Die Marktstabilisierung soll vielmehr in erster Linie durch abgestimmte Aktionen der Erzeugerländer zur Koordinierung innerhalb des Produktionssektors erreicht werden.584
Darüber hinaus unterzeichnete die Bundesregierung am 22. Dezember 1995 das Internationale Naturkautschuk-Übereinkommen vom 17. Februar 1995.585
244. Gewerblicher Rechtsschutz
Am 7. Dezember 1995 stimmte der Bundestag durch Gesetz dem Protokoll vom 27. Juni 1989 zum Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken zu.586 Durch das Protokoll wird neben das fortbestehende Madrider Abkommen ein paralleles Vertragswerk gesetzt mit dem Ziel, den Beitritt weiterer Staaten zum System der internationalen Markenregistrierung zu ermöglichen. Darüber hinaus soll eine Verbindung zum Gemeinschaftsmarkensystem der Europäischen Union geschaffen werden.587 Das Protokoll eröffnet u.a. die Möglichkeit, eine internationale Registrierung einer Marke nicht nur auf der Grundlage einer � nationalen oder regionalen � Markeneintragung, sondern auch schon auf der Grundlage einer Markenanmeldung zu erwerben (Art. 2).
245. Im Berichtszeitraum sind darüber hinaus eine Reihe von Schiffahrts588-, Straßenverkehrs589- und Luftverkehrsabkommen590 von der Bundesrepublik abgeschlossen und/oder ratifiziert worden bzw. für sie in Kraft getreten.