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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1995


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Rainer Grote

VI. Luft- und Weltraumrecht

1. Luftrecht

    40. Am 20. Juli 1995 leitete die Bundesregierung das Ratifikationsverfahren zu dem Protokoll vom 10. Mai 1984 zur Änderung des Abkommens vom 7. Dezember 1944 über die Internationale Zivilluftfahrt85 (9. Änderung des Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt) ein. Anlaß für die Annahme des Protokolls durch die 25. Außerordentliche Mitgliederversammlung der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) war der Tod von 269 Menschen beim Abschuß einer Boeing 747 der Korean Airlines durch ein sowjetisches Militärflugzeug über der Insel Sachalin am 1. September 1983 gewesen, der rechtliche Unklarheiten hinsichtlich der Mittel hatte zutage treten lassen, welche die Staaten zum Schutz ihres Luftraums gegenüber Zivilflugzeugen anwenden dürfen. Das Protokoll stellt klar, daß die Staaten ungeachtet ihrer Souveränität hinsichtlich des Luftraums über ihrem Hoheitsgebiet und der Frage des generellen völkerrechtlichen Gewaltverbotes nach der UN-Satzung sowohl von der Anwendung von Waffengewalt gegen Verkehrsflugzeuge Abstand zu nehmen haben, als auch das Leben der Passagiere an Bord und die Sicherheit dieser Luftfahrzeuge nicht gefährden dürfen (Art. 3bis a) des Protokolls). Die Staaten haben jedoch in Wahrnehmung ihrer Staatshoheit das Recht, die Landung eines Zivilflugzeuges auf einem bestimmten Flughafen zu verlangen, wenn dieses unbefugt sein Hoheitsgebiet überfliegt oder wenn ausreichende Gründe für die Schlußfolgerung vorliegen, daß es zu Zwecken benutzt wird, die mit den Zielen des Abkommens unvereinbar sind. Sie können einem solchen Luftfahrzeug auch alle sonstigen Anweisungen erteilen, um derartige Verletzungen zu beenden (Art. 3bis b)). Das Luftfahrzeug hat den nach Maßgabe dieser Bestimmung erteilten Anweisungen Folge zu leisten. Jeder Vertragsstaat erläßt die erforderlichen nationalen Bestimmungen, um die Befolgung der Anweisungen durch Zivilluftfahrzeuge, die bei ihm eingetragen sind oder von einem Halter betrieben werden, der seinen Hauptgeschäftssitz oder seinen ständigen Aufenthalt in seinem Hoheitsgebiet hat, verbindlich zu machen, und unterwirft die Verletzung dieser Bestimmungen strengen Sanktionen (Art. 3bis c))86. Das Protokoll sieht jedoch keine Sanktionen gegen Staaten vor, die das Gewaltverbot in Art. 3bis a) des Protokolls verletzen. In ihrer Denkschrift zum Änderungsprotokoll führte die Bundesregierung dazu aus:

     "Für ein Verbot der Anwendung militärischer Gewalt gegen Zivilluftfahrzeuge lagen der ICAO-Vollversammlung mehrere Lösungsvorschläge vor, die sich im wesentlichen dadurch unterschieden, daß entweder
    � das bestehende ICAO-Abkommen entsprechend ergänzt oder
    � eine gesonderte Konvention vereinbart werden sollte,
und zwar mit oder ohne Androhung von Sanktionen gegenüber einem Staat, der ein entsprechendes Gebot verletzt. Mehrheitlich hat sich dann die Auffassung durchgesetzt, die ICAO-Konvention ohne Sanktionsbewehrung entsprechend dem vorgelegten Protokoll als eine dem weltweiten Schutz des zivilen Luftverkehrs allgemein dienende Maßnahme zu ergänzen."87

    41. Während des Berichtszeitraums traten Luftverkehrsabkommen der Bundesrepublik Deutschland mit Lettland88, Kuba89 und Brunei90 in Kraft. Ferner schloß die Bundesrepublik im Berichtszeitraum Luftverkehrsabkommen mit der Republik Korea92, Bosnien und Herzegowina93, Namibia94, Simbabwe95 und Usbekistan96 ab. In den Abkommen gewähren sich die Vertragsparteien jeweils wechselseitig Überflugs- und Landerechte zum Betrieb des internationalen Fluglinienverkehrs und verpflichten sich zur Befreiung der Luftfahrzeuge von Zöllen und Abgaben. Streitigkeiten sind auf Verlangen einer Vertragspartei einem Schiedsgericht zu unterbreiten. Mit der Volksrepublik China unterzeichnete die Bundesregierung ein Protokoll zur Änderung des Luftverkehrsabkommens vom 31. Oktober 1975.97


    85 BGBl. 1956 II, 411.
    86 BT-Drs. 13/2044, 7.
    87 Ibid., 11.
    88 Abkommen vom 5.4.1993, BGBl. 1994 II, 2439; in Kraft getreten am 22.1.1995, BGBl. 1995 II, 769.
    89 Abkommen vom 18.6.1993, BGBl. 1994 II, 2449; in Kraft getreten am 13.4.1995, BGBl. 1996 II, 495.
    90 Abkommen vom 7.9.1993, BGBl. 1994 II, 3671; in Kraft getreten am am 21.2.1995, BGBl. 1996 II, 747.
    91 Abkommen vom 7.3.1995, BGBl. 1997 II, 903; Zustimmungsgesetz vom 24.4.1997, BGBl. 1997 II, 902.
    92 Abkommen vom 5.5.1995, BGBl. 1997 II, 1063. Das Zustimmungsgesetz ist am 27.5.1997 ergangen, BGBl. 1997 II, 1062.
    93 Abkommen vom 10.5.1995, BGBl. 1996 II, 1139. Das Zustimmungsgesetz erging am 23.7.1996, BGBl. 1996 II, 1138.
    94 Abkommen vom 15.11.1995, BGBl. 1997 II, 913. Das Zustimmungsgesetz erging am 24.4.1997, BGBl. 1997 II, 912.
    95 Abkommen vom 13.12.1995, BGBl. 1997 II, 1023. Der Bundestag hat dem Abkommen mit Gesetz vom 26.5.1997 zugestimmt, BGBl. 1997 II, 1022.
    96 Abkommen vom 16.11.1995, BGBl. 1997 II, 1033; das Zustimmungsgesetz ist am 26.5.1997 ergangen, BGBl. 1997 II, 1032.
    97 Protokoll vom 11.12.1995, BGBl. 1997 II, 679.