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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1996


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Volker Röben


XI. Rechtshilfe und Auslieferung

1. Rechtshilfe

    97. Auf eine entsprechende schriftliche Parlamentarische Anfrage legte die Bundesregierung dar, warum sie in verschiedenen Fällen entschieden habe, vom Kammergericht Berlin im Zusammenhang mit dem Mykonos-Verfahren angeregte Ersuchen um Zeugenvernehmungen nicht an den Iran weiterzuleiten. Diese Entscheidungen seien jeweils im Einzelfall von den nach § 74 IRG zuständigen Ressorts der Bundesregierung, d.h. vom Bundesjustizministerium und dem Auswärtigen Amt, in Übereinstimmung mit der ständigen Haltung der Bundesregierung im Rechtshilfeverkehr mit Iran getroffen worden. In einem der genannten Einzelfälle seien sie mit dem Schreiben des Bundesministeriums der Justiz vom 10. August 1995 gegenüber dem Kammergericht u. a. damit begründet worden, daß bei Stellung solcher Ersuchen durch Eröffnen der Möglichkeit, daß sich der ersuchte Staat auf die Gegenseitigkeit beriefe, die Gefahr bestünde, daß andere im betreffenden Staat befindliche Personen in einer dem deutschen ordre public widersprechenden Weise gefährdet würden. Maßgeblich sei also die Gefährdungssituation, die sich aus einer im Zusammenhang mit der Stellung solcher Ersuchen erforderlichen Gegenseitigkeitszusicherung ergeben könne und die damit vor allem iranische Staatsangehörige betreffe.217

    98. Nach Auskunft der Bundesregierung bestehen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Staaten Mittel- und Osteuropas keine bilateralen Verträge über die Rechtshilfe in strafrechtlichen Angelegenheiten. Der justizielle Rechtshilfeverkehr in Strafsachen im Verhältnis zu Bulgarien, der Slowakei, Tschechien, Ungarn und ab Juni 1996 Polen vollziehe sich auf der Grundlage des europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959, im Verhältnis zu Bosnien-Herzegowina, der "Bundesrepublik Jugoslawien," Kroatien, Mazedonien und Slowenien auf der Grundlage des weitergeleiteten deutsch-jugoslawischen Vertrages vom 1. Oktober 1971 über die Rechtshilfe in Strafsachen. Bei den anderen osteuropäischen Staaten vollziehe sich die strafrechtliche Zusammenarbeit auf der Grundlage der jeweiligen nationalen Rechtsordnungen, die in allen diesen Staaten die Stellung und Erledigung von Rechtshilfeersuchen für Ermittlungs- bzw. Strafsachen auch unter dem Abschluß bilateraler Verträge erlaube. Zwischen Deutschland und verschiedenen mittel- und osteuropäischen Staaten bestünden zudem Absprachen unterhalb der Ebene völkerrechtlicher Verträge, vor allem über die Vereinfachung des Geschäftsweges, die im wesentlichen zu einer effizienten Gestaltung der strafrechtlichen Zusammenarbeit beitrügen. Im Lichte dieser positiven Entwicklung des Rechtshilfeverkehrs in Strafsachen mit den mittel- und osteuropäischen Ländern sehe die Bundesregierung keinen Bedarf zum Abschluß bilateraler Rechtshilfeverträge.218



    217 BT-PlPr., 100. Sitzung, 8868.
    218 BT-Drs. 13/4596, 15.