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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1996


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Volker Röben


II. Auswärtige Gewalt und Bundesländer

    7. Der Bundestag lehnte am 7. März 1996 auf Empfehlung des Finanzausschusses einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Ratifizierung eines Abkommens aus dem Jahre 1995 mit der Schweiz ab. Das Abkommen ändert einen Vertrag zwischen beiden Staaten von 1964 über die Einbeziehung der deutschen Exklave Büsingen am Hochrhein in das schweizerische Zollgebiet. Diesem Abkommen zufolge sind in Büsingen praktizierende Heilpraktiker nicht befugt, Personen zu behandeln, die ihren Wohnsitz in der Schweiz haben. Das neue Abkommen soll diese Vorschrift ersatzlos streichen. Sie geht auf ein Gesetz im Kanton Schaffhausen zurück, das nun geändert worden ist. Dadurch entfiel die Grundlage für die Regelung in dem Vertrag von 1964. Nach Meinung des Bundestages reicht ein Verbalnotenaustausch zwischen der Bundesrepublik und der Schweiz aus.33

    8. Von 1998 an werden in allen deutschsprachigen Ländern neue Rechtschreibregeln eingeführt. Eine entsprechende Absichtserklärung unterzeichneten am 1. Juli 1996 in Wien die Vertreter von Deutschland, Österreich, der Schweiz und Liechtenstein.34 Die gemeinsame Absichtserklärung mehrerer deutschsprachiger Staaten und einiger Länder mit deutschen Minderheiten zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung besitzt keine völkerrechtliche Verbindlichkeit, ist aber nach Auskunft des Bonner Auswärtigen Amtes mit einer "praktischen politischen Bindungswirkung" ausgestattet.35 Außer Deutschland, Österreich und der Schweiz haben Italien, Liechtenstein, Belgien, Rumänien und Ungarn die Erklärung unterschrieben. Für Deutschland unterzeichneten der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium und der Präsident der Landeskulturministerkonferenz. Das Auswärtige Amt war an der Ausarbeitung der Absichtserklärung beteiligt, gehörte aber nicht zu den Unterzeichnern. Für die innerstaatliche Ausführung der Rechtschreibreform ist auf Bundesebene das Bundesinnenministerium zuständig.

    9. Bei der zwischen dem Bundesminister für Verkehr der Bundesrepublik Deutschland und dem Vorsteher des eidgenössischen Wirtschaftsdepartements abgeschlossenen Vereinbarung zur Sicherung der Leistungsfähigkeit des Zulaufs zur neuen Eisenbahnalpentransferale (NEAT) in der Schweiz handelt es sich nach der Antwort der Bundesregierung auf eine diesbezügliche Kleine Anfrage um eine völkerrechtliche Übereinkunft gemäß § 82 Abs. 3 der gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien. Die Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern seien konsultiert worden.36

    10. Die Vereinbarung zwischen den deutschen und iranischen Regierungen zur Aufhebung des Abschnitts II des Schlußprotokolls des Niederlassungsabkommens zwischen Deutschland und Iran vom 7. Februar 1992, der lautet: "Die Regierungen der beiden vertragschließenden Staaten verpflichten sich, keine Angehörigen des anderen Staates ohne vorherige Zustimmung seiner Bundesregierung einzubürgern", bedarf der Ratifizierung durch die Parlamente. Die Bundesregierung leitete die Vereinbarung mit Bundestagsdrucksache 13/3852 vom 23. Februar 1996 dem Deutschen Bundestag mit dem Entwurf eines Vertragsgesetzes zu.

    11. Die Bundesregierung ist stets davon ausgegangen, daß Verträge über die polizeiliche Zusammenarbeit mit mittel- und osteuropäischen Staaten mit einer Datenschutzklausel einer Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaften nach Art. 59 Abs. 2 GG nicht bedürften. Bei den weiteren Verhandlungen - insbesondere mit Staaten wie z. B. Rußland, bei denen Strafverfolgung und nachrichtendienstliche Tätigkeit nicht organisatorisch getrennt seien - habe sich in Hinblick auf die Klausel Prüfungsbedarf ergeben. Dabei gehe es auch um die Frage, ob die dort vorgesehene Zweckbindungsregelung möglicherweise im Widerspruch stehe zu innerstaatlichen Übermittlungsregelungen, wie sie in § 18 BVerfSchG, § 8 BNDG und § 10 MADG normiert seien, mit der Folge, daß dadurch die Zustimmungsbedürftigkeit ausgelöst werde. Ziel der Prüfung sei nunmehr, eine Lösung zu finden, die einerseits die Zustimmungsbedürftigkeit jedes dieser Abkommen vermeide und andererseits die nötigen Datenübermittlungen zulasse.37

    12. Die Bundesregierung erstattete am 20. Februar 1996 dem Parlament einen Bericht zur auswärtigen Kulturpolitik 1994/95.38 Das Auswärtige Amt habe im Jahre 1996 1,1 Mrd. DM aufgewendet. Rund die Hälfte der Kulturausgaben des AA fließe in die Förderung der deutschen Sprache. Weltweit lernen nach Angaben Bundesaußenminister Kinkels derzeit knapp 20 Mio. Schüler und Studenten Deutsch, davon 13,5 Mio. in Osteuropa und den GUS-Ländern.39 Ferner erläuterte Bundesaußenminister Kinkel auf der 110. Sitzung die auswärtige Kulturpolitik der Bundesregierung,40 und die Bundesregierung beantwortete die Kleine Anfrage zur Informationsarbeit im Rahmen der auswärtigen Kulturpolitik.41

    13. Nach Überleitung des Deutschlandfunks in die Zuständigkeit der Länder kommt der Deutschen Welle als nunmehr einziger Rundfunkanstalt des Bundes sowie als einzigem deutschen Auslandsrundfunkveranstalter eine exponierte Stellung zu. Der Bedeutungszuwachs ergibt sich zudem daraus, daß die Deutsche Welle seit April 1992 durch die Übernahme des Betriebsteils RIAS TV auch ein Fernsehprogramm veranstaltet, das über Satellit weltweit verbreitet wird. Aufgrund ihres auslandsgerichteten Programmauftrages fällt die Deutsche Welle in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Der Bund stützt sich dabei auf seine Zuständigkeit für die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten gemäß Art. 32, 73 Nr. 1, 87 GG.42 Mit dem neuen Gesetz über den deutschen Auslandsrundfunk wird die Rechtsgrundlage für die Deutsche Welle an den in den Ländern bereits erreichten Standard angeglichen.43

    14. Der baden-württembergische Landtag stimmte mit Gesetz vom 8. Februar 1996 dem "Übereinkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland, der Regierung der Französischen Republik, der Regierung des Großherzogtums Luxemburg und dem schweizerischen Bundesrat, handelnd im Namen der Kantone Solothurn, Basel Stadt, Basel Landschaft, Aargau und Jura, über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften und örtlichen öffentlichen Stellen" zu.44



    33 Pressereferat Auswärtiges Amt vom 13.3.1996, 25.
    34 Bekanntmachung des Bundesministeriums des Innern der gemeinsamen Absichtserklärung zur Neuerung der deutschen Rechtschreibung - Wiener Absichtserklärung - vom 1.7.1996, BAnz Nr. 205, 118 10, vom 31.10.1996, Beilage; s. hierzu FAZ vom 2.7.1996, 4.
    35 FAZ vom 15.10.1996, 1.
    36 BT-Drs. 13/6046.
    37 BT-Drs. 13/5044.
    38 BT-Drs. 13/3823; s. Rz. 106.
    39 SZ vom 15.2.1996, 2.
    40 BT-PlPr., 110. Sitzung, 9665.
    41 BT-Drs. 13/5479.
    42 BR-Drs. 78/96, 48.
    43 Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über den deutschen Auslandsrundfunk, BT-Drs. 13/4708.
    44 GBl Baden-Württemberg 1996, 157.