Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Logo Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

Sie befinden sich hier: Publikationen Archiv Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland 1996

Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1996


Inhalt | Zurück | Vor

Volker Röben


XV. EG und EU

3. Außenbeziehungen

    Die Außenbeziehungen der Union waren im Berichtszeitraum durch den Abschluß von Kooperationsabkommen seitens der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten einerseits und die GASP im Rahmen der Union andererseits geprägt.

    157. Die Bundesregierung brachte 1996 Ratifikationsgesetzentwürfe zu folgenden gemischten Übereinkommen in den Bundestag ein:
    Mit dem Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit vom 14. Juni 1994 zwischen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Ukraine andererseits sollen die wirtschaftlichen Beziehungen intensiviert, die Anstrengung der Ukraine beim Übergang von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft unterstützt, die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklungen der Ukraine gefördert und die von der Ukraine angestrebte Aufnahme von Verhandlungen über die Errichtung einer Freihandelszone vorbereitet und erleichtert werden. Die Achtung der Grundsätze der Demokratie und der Menschenrechte, wie sie insbesondere in der Schlußakte von Helsinki und in der Pariser Charta für ein neues Europa definiert sind, sowie die Beachtung der Grundsätze der Marktwirtschaft, wie sie z. B. in den Dokumenten der KSZE-Konferenz in Bonn aufgestellt worden sind, sind wesentliche Bestandteile des Partnerschaftsabkommens. Dies hat zur Folge, daß bei einer Verletzung dieser Verpflichtungen eine sofortige Kündigung - im Dringlichkeitsfall ohne vorherige Konsultationen - möglich ist.295
    Ähnliche Abkommen schlossen die EG und ihre Mitgliedstaaten mit weiteren GUS-Staaten: Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit vom 9. Februar 1995 zwischen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kirgistan andererseits;296 Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit vom 6. März 1995 zwischen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten einerseits und Weißrußland andererseits;297 Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit vom 24. Juni 1994 zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Russischen Föderation andererseits. Das Abkommen ersetzt im Hinblick auf die Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und der Russischen Föderation das am 18. Dezember 1989 unterzeichnete und am 1. April 1990 in Kraft getretene Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft einerseits sowie der damaligen Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken andererseits über den Handel und die handelspolitische und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Mit dem Partnerschafts- und Kooperationsabkommen werden der politische Dialog institutionalisiert, der Marktzugang für Waren und Dienstleistungen verbessert, die wirtschaftliche Kooperation gefördert, der von der Gemeinschaft seit 1991 geleisteten technischen Zusammenarbeit ein zusätzlicher rechtlicher Rahmen gegeben sowie Kooperationsfelder in den Bereichen Justiz, Kultur und Inneres eröffnet.298 Es handelt sich um ein gemischtes Abkommen, das neben in der Kompetenz der Gemeinschaft liegenden Materien auch Bereiche regelt, für die EU-Mitgliedstaaten die Zuständigkeit besitzen. Das Abkommen bedarf deshalb der Zustimmung durch das Europäische Parlament sowie durch die Parlamente der EU-Mitgliedstaaten. Hinzuweisen ist unter anderem auf die allgemeinen Grundsätze, Art. 2-5, wonach die Grundsätze der Demokratie als wesentlicher Vertragsbestandteil zu achten sind und die Vertragsparteien im Falle schwerwiegender Verletzungen zur einseitigen Vertragssuspendierung berechtigt sind.
    Das Europa-Mittelmeer-Abkommen vom 20. November 1995 zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Staat Israel andererseits soll das Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Staat Israel sowie das Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl einerseits und dem Staat Israel andererseits, die am 11. Mai 1975 in Brüssel unterzeichnet wurden, ersetzen. Das Abkommen soll den Staat Israel beim Friedensprozeß im Nahen Osten unterstützen und zum Erfolg des Prozesses beitragen, indem der Staat Israel in den Stand gesetzt wird, als Antriebskraft bei der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in der Region zu wirken. Es ist das zweite einer Reihe neuer Abkommen mit den Mittelmeerländern, das die Europäische Gemeinschaft im Rahmen der Errichtung der Europa-Mittelmeer-Partnerschaft abgeschlossen hat. Die wichtigsten Instrumente der Zusammenarbeit sind politischer Dialog, beiderseitige Handelszugeständnisse, Möglichkeiten für die Einräumung einer Niederlassungsfreiheit für Unternehmen, freier Kapitalverkehr und Bestimmung über Wettbewerb und Beihilfen sowie öffentliches Beschaffungswesen, Verstärkung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit auf allen Gebieten, die für beide Seiten interessant sind, und Zusammenarbeit in sozialem und kulturellem Bereich sowie Förderung regionaler Zusammenarbeit.299 Hinzu kommt das Europa-Mittelmeer-Abkommen vom 17. Juli 1995 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Tunesischen Republik andererseits.300

    158. Auf der Tagung des Europäischen Rates vom 22. April 1996 stellte der italienische Außenminister und EU-Ratsvorsitzende Agnelli fest, daß die Europäische Union gemeinsam mit den Vereinigten Staaten einen Friedensplan zu dem Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah ausarbeiten wolle. Die EU-Außenminister verständigten sich auch darauf, den Gesprächsfaden mit Iran nicht abreißen zu lassen, sondern auch künftig durch den Dialog auf den Machthaber in Teheran mäßigend einzuwirken. Zur Lage im früheren Jugoslawien erörterten die Außenminister die Bedingungen für eine Verlängerung des Mandats für den EU-Administrator in Mostar. Als Nachfolger des SPD-Politikers Koschnick hatte der frühere Bürgermeister der spanischen Stadt Valencia, Perez Casado, sein Amt in der herzegowinischen Hauptstadt angetreten.301
    In Anwendung von Titel 5 des Vertrages über die Europäische Union nahm der Rat eine gemeinsame Aktion am 5. März 1996 zur Beteiligung der Europäischen Union an der Organisation für die Entwicklung der Energie auf der koreanischen Halbinsel an.302
    In ihrem gemeinsamen Standpunkt vom 25. Juni 1996 betreffend Ost-Timor führte die Europäische Union aus: In Art. 1 erinnert die Europäische Union an ihre früheren Erklärungen zur Lage in Ost-Timor und hebt hervor, daß sie weiterhin folgende Ziele verfolgt: Herbeiführung einer gerechten, umfassenden und international annehmbaren Lösung für Ost-Timor im Wege des Dialogs, bei der die Interessen und die legitimen Bestrebungen des Volkes von Timor gemäß dem Völkerrecht gewahrt werden; Verbesserung der Lage in Ost-Timor in bezug auf die Einhaltung der Menschenrechte in diesem Bereich.303
    Die EU-Außenminister beschlossen am 19. Oktober 1996 in Luxemburg, den burmesischen Militärs sowie ihren Angehörigen keine Visa mehr für die 15 Staaten der EU zu erteilen. Der Ministerrat bestätigte außerdem ein Paket von Sanktionen, mit dem der Druck auf die Junta zur Demokratisierung des Landes erhöht werden soll. So sollen Kontakte auf Regierungsebene eingestellt und Militärpersonal aus den Botschaften Burmas in der Europäischen Union ausgewiesen werden. Außerdem soll ein Waffenembargo verhängt werden. In einer Erklärung beklagten die EU-Minister ein weiteres Mal mangelnde Fortschritte bei der Demokratisierung sowie bei der Einhaltung der Menschenrechte in Burma.304
    Im Rahmen der GASP unternahm die EU ferner Schritte im Rahmen der internationalen Friedensanstrengungen im früheren Jugoslawien. Hinzuweisen ist auf: Beschluß des Rates vom 20. Dezember 1996 zur Einstellung der Maßnahmen der Europäischen Union in Mostar;305 Beschluß des Rates vom 20. Dezember 1996 zur Verlängerung der Gemeinsamen Aktion 95/545/GASP betreffend die Beteiligung der Union an den Strukturen zur Umsetzung der Friedensregelung für Bosnien-Herzegowina;306 Gemeinsamer Standpunkt vom 17. Dezember 1996 - vom Rat aufgrund Art. J.2 festgelegt - betreffend die Verhängung eines Embargos für Waffen, Munition und militärische Ausrüstung gegen Afghanistan;307 Gemeinsame Aktion vom 15. Juli 1996 - vom Rat aufgrund Art. J.3 des Vertrages über die Europäische Union beschlossen - über die Ernennung eines Sonderbeauftragten der Europäischen Union in der Stadt Mostar.308 Nach Art. 2 dieser Gemeinsamen Aktion besteht das Mandat des Sonderbeauftragten unter anderem in der Stabilisierung und Stärkung der neugewählten einheitlichen Verwaltung der Stadt Mostar, dem Schutz der Menschenrechte, der Heimkehr der Flüchtlinge und Vertriebenen nach Mostar. Das Mandat des Sonderbeauftragten wird über den Haushaltsplan der Europäischen Gemeinschaft finanziert.
    Ebenfalls im Rahmen der GASP definierten die Mitgliedstaaten der Union ihre Position zur Landminenbeseitigung, s. Beschluß des Rates vom 25. März 1996 zur Ergänzung des Beschlusses 95/170/GASP betreffend die vom Rat aufgrund von Art. J.3 EUV angenommene Gemeinsame Aktion über Anti-Personenminen309 sowie Beschluß des Rates vom 25. März 1996 zur Ergänzung des Beschlusses 95/170/GASP betreffend die vom Rat aufgrund von Art. J.3 des Vertrages angenommene gemeinsame Aktion über Anti-Personenminen.310
    Schließlich haben die Mitgliedstaaten folgende Positionen zu internationalen Fragen gemeinsamen Interesses bezogen: Gemeinsamer Standpunkt vom 2. Dezember 1996 - vom Rat aufgrund von Art. J.2 des Vertrages über die Europäische Union festgelegt - zu Kuba;311 Gemeinsame Aktion vom 25. November 1996 - vom Rat aufgrund von Art. J.3 angenommen - betreffend die Ernennung eines EU-Sonderbeauftragten für den Nahost-Friedensprozeß;312 Beschluß des Rates vom 25. November 1996 zur Verlängerung der Geltungsdauer des Gemeinsamen Standpunktes 95/544/GASP betreffend Nigeria;313 Gemeinsame Aktion vom 22. November 1996 - vom Rat aufgrund Art. J.3 angenommen - betreffend die Region der Großen Seen;314 Beschluß des Rates vom 22. November 1996 aufgrund von Art. J.4 Abs. 2 EUV über die Ausarbeitung und die Durchführung der Gemeinsamen Aktionen in der Region der Großen Seen.315

    159. Mit dem Abkommen vom 4. November 1995 zur Änderung des 4. AKP-EG-Abkommens von Lomé sowie zu den mit diesem Abkommen in Zusammenhang stehenden weiteren Übereinkünften wird das Lomé IV-Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten auf der einen Seite und den 70 afrikanischen, karibischen und pazifischen (AKP-Staaten) auf der anderen Seite für die zweite Fünfjahreslaufzeit (1995-2000) angepaßt. Es umfaßt die Ergebnisse der gemäß Art. 366 Abs. 3 durchgeführten Halbzeitüberprüfung des Lomé IV-Abkommens, die im Mai 1994 im Rahmen der 19. Tagung des AKP-EU-Ministerrats eingeleitet und am 30. Juni 1995 abgeschlossen wurde. Besondere Priorität haben in der Zukunft auch die Förderung einer verantwortungsvollen Regierungsführung und die Schaffung marktorientierter und privatwirtschaftsfreundlicher Rahmenbedingungen in den Partnerstaaten. Von beiden Vertragsparteien wird außerdem der Entwicklung des Handels grundsätzliche Bedeutung für die Förderung des Entwicklungsprozesses eingeräumt.316

    160. Die Verordnung/EG Nr. 2465/96 des Rates vom 17. Dezember 1996 regelt die Unterbrechung der wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Irak.317

    161. Staatsminister Schäfer, bestätigte auf die Frage eines Abgeordneten, daß der Vorschlag von Bundesaußenminister Kinkel, gegen Nigeria die Sperrung der Auslandskonten zu verfügen und einen Ölboykott zu verhängen bei den europäischen Partnern nicht die notwendige Zustimmung gefunden habe. Es bleibe daher bei der Anwendung der Maßnahmen, auf die sich die Europäische Union in Gemeinsamen Standpunkten am 20. November 1995 und am 4. Dezember 1995 geeinigt habe.318 Auf die Zusatzfrage des Abgeordneten, ob die Bundesregierung erwäge, Schritte in nationaler, eigener Verantwortung zu unternehmen, antwortete die Bundesregierung:

    "Wir tun das deshalb nicht, weil es dem Brauch in der Europäischen Union widersprechen würde, solche weitgehenden Maßnahmen - es leitet sich aus den Verträgen ab - gegen ein Land allein zu ergreifen; das machen wir nur gemeinsam. Wir müssen schon sehr überzeugende Gründe haben, um zu sagen, daß sich unsere Partnerstaaten, die zu solchen Schritten nicht bereit sind, irren. Das würde uns übrigens auch außenpolitisch nicht nutzen. Von daher sehen wir davon ab, über die gemeinsam beschlossenen Maßnahmen hinaus zu gehen."319
    Aus der Unterrichtung der Bundesregierung ergibt sich ferner, daß sie sich darum bemühen werde, daß es im Rahmen der VN-Menschenrechtskommission zu einer Verurteilung Nigerias und zur Einsetzung eines Sonderberichterstatters komme.320



    295 BT-Drs. 13/4174.
    296 BT-Drs. 13/4173.
    297 BT-Drs. 13/4172.
    298 BR-Drs. 597/96; s. auch Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drs. 597/96.
    299 BR-Drs. 708/96 vom 27.9.1996.
    300 Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zu dem Europa-Mittelmeer-Abkommen, BT-Drs. 13/4790.
    301 FAZ vom 23.4.1996, 2.
    302 ABl. EG Nr. L 36/1.
    303 Gemeinsamer Standpunkt, vom Rat aufgrund von Art. J.2 des Vertrages über die Europäische Union festgelegt, ABl. EG Nr. L 168/2.
    304 FAZ vom 20.10.1996, 1.
    305 ABl. EG Nr. L 340, 1.
    306 ABl. EG Nr. L 340, 3.
    307 ABl. EG Nr. L 342, 1.
    308 ABl. EG Nr. L 815, 2.
    309 ABl. EG Nr. L 87, 3.
    310 ABl. EG Nr. L 87, 3.
    311 ABl. EG Nr. L 322, 1.
    312 ABl. EG Nr. L 315, 1.
    313 ABl. EG Nr. L 315, 3.
    314 ABl. EG Nr. L 312, 1.
    315 ABl. EG Nr. L 312, 3; Erklärung Dänemarks zum Beschluß, ABl. EG Nr. L 312, 4.
    316 Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 4. November 1995, BR-Drs. 652/96.
    317 ABl. EG Nr. L 337, 1.
    318 BT-PlPr., 79. Sitzung, 6938.
    319 BT-PlPr., 79. Sitzung, 6939.
    320 BT-Drs. 13/4327.