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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1996


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Volker Röben


XVII. Friedenssicherung und Kriegsrecht

1. Abrüstung und Rüstungskontrolle

    178. In seiner Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen sprach sich Bundesaußenminister Kinkel für die vollständige Abschaffung aller chemischen Waffen und für die Ächtung von Anti-Personen-Minen aus.381

    179. Zum Beratungsgegenstand der Abrüstungsentwurfsresolution erklärte der deutsche Vertreter, er bedauere, daß der Resolutionsentwurf A/C.1/51/L.37 von dem IGH-Gutachten zum Nuklearwaffeneinsatz in einer Weise Gebrauch mache, die Deutschland zwinge, gegen die Resolution zu stimmen.382

    "Though we have opposed the draft resolution as it was introduced, my delegation attaches great importance to stressing that the German government welcomes the thorough and balanced content of the advisory opinion [on the Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons] of the International Court of Justice, and in particular - as is reflected in our vote on operative paragraph 3 - the German government fully shares the conclusion of the Court quoted in operative part 3 of the draft resolution."
    Deutschland als Vorsitzstaat der Abrüstungskommission brachte zwei Entwürfe für Resolutionen383 als Resultat informeller Konsultationen im Disarmament Committee ein.384 Die Resolution zielt darauf, der Friedenskonsolidierung durch Waffenkontrollverfahren, vertrauensbildende Maßnahmen u.a. Gewicht zu verleihen.

    180. Die Bundesregierung unterrichtete den Bundestag durch einen Bericht zum Stand der Bemühung um Rüstungskontrolle und Abrüstung zu Veränderungen im militärischen Kräfteverhältnis (Jahresabrüstungsbericht 1995).385

    181. In ihrer Unterrichtung zu Stand und Problemen der Implementierung des KSE-Vertrages, über die Ergebnisse der KSE-Überprüfungskonferenz und zu ihren weiteren Vorstellungen über neue Impulse für konventionelle Abrüstung und Rüstungskontrolle in Europa, wies die Bundesregierung darauf hin, daß Deutschland, obwohl es nach Rußland die zweithöchste Reduzierungsverpflichtung zu erfüllen gehabt habe, als einer der ersten KSE-Staaten am 23. Mai 1995 - und damit sechs Monate vor Ablauf der Frist - den Prozeß abschließen konnte. Die KSE-Überprüfungskonferenz, die in der Zeit vom 15. bis zum 31. Mai 1996 in Wien stattgefunden habe, habe trotz teilweise schwierigen Verlaufs erfolgreich geendet386. So sei dort die seit Ende des Jahres 1993 schwelende sogenannte Flankenproblematik gelöst worden. Der nunmehr auf Initiative der NATO-Staaten erreichte Kompromiß sehe vor, die alte Flankenregion, wie sie seinerzeit von der UdSSR anhand einer Karte der sowjetischen Militärbezirke definiert worden sei, zu verkleinern. Ferner habe sich Rußland auf der Wiener Konferenz zur Fortsetzung von Waffenzerstörungen östlich des Urals bereit erklärt. Nicht zuletzt sei in Wien ein Anpassungsprozeß für den KSE-Vertrag geschlossen worden, der die Wirksamkeit des Abkommens auch in einer sich wandelnden europäischen Sicherheitsarchitektur gewährleisten solle. Die zukünftige Politik der Bundesregierung werde sich nach deren Angabe nicht zuletzt von der Absicht leiten lassen, jahrzehntelang unterdrückte, jetzt aufbrechende Regionalkonflikte - wenn nötig mit internationaler Unterstützung - möglichst vorbeugend zu entschärfen. Das Instrumentarium der Konfliktverhütung und -bewältigung müsse dabei verfeinert und ausgebaut werden. Durch restriktive Exportrichtlinien der Lieferstaaten einerseits und regionale Bemühungen zur Rüstungsbegrenzung andererseits müsse zudem verhindert werden, daß überdimensionierte Arsenale auch kleinerer konventioneller Waffen in Spannungsgebieten in erheblichem Maße zur Destabilisierung dieser Region beitrügen. Verstärkte Aufmerksamkeit müsse laut Bundesregierung auch der Unterbindung des Einsatzes von unkontrollierbaren Landminen in Bürgerkriegen und lokalen Konflikten gelten, die schwere Opfer unter der Zivilbevölkerung verursachten.387 Staatssekretär Wilz vom Bundesverteidigungsministerium und der slowenische Verteidigungsminister Kacin unterzeichneten am 18. September 1996 in Laibach zwei Übereinkommen über eine engere militärische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Slowenien. Darin sind auf der Grundlage enger Kontakte in den beiden vergangenen Jahren regelmäßige Konsultationen und beständiger Informationsaustausch ebenso vereinbart worden, wie gemeinsame Übung. Festgelegt wurden auch die Bedingungen, unter welchen Arbeits- und Informationsbesuche zwischen beiden Ministerien stattfinden sollen. Darüber hinaus werden Offiziere der slowenischen Streitkräfte, wie jene 20, die Anfang 1996 Kurse an Schulen der Bundeswehr absolvierten, künftig regelmäßig an militärischen Führungsprogrammen in Deutschland teilnehmen.388

    182. Bundesverteidigungsminister Rühe rief am 23. Oktober 1996 in Neu Delhi die indische Regierung auf, den Vertrag über ein Nukleartestverbot zu unterzeichnen.389

    183. In einer Erklärung vor den Teilnehmern der Genfer Abrüstungskonferenz (Atomtests), forderte Bundesaußenminister Kinkel die Unterhändler auf, die Bemühungen um ein Ende aller Nukleartests bis spätestens Herbst zu einem erfolgreichen Abschluß zu bringen. Er bat ferner alle Staaten, bis zum Inkrafttreten des Vertrages keine Versuche mehr zu unternehmen.390

    184. Zum Abkommen zur Ächtung von Anti-Personen-Minen führte die Bundesregierung aus:

    "Die Erklärung von Ottawa verpflichtet die Teilnehmerstaaten unter anderem, in den Vereinten Nationen auf eine möglichst breit angelegte Unterstützung zur Ächtung von Anti-Personen-Minen hinzuarbeiten. Diese Verpflichtung ist bereits weitgehend umgesetzt."
    Im Rahmen der in der Erklärung von Ottawa geforderten regionalen Aktivitäten wurde die Minenproblematik auf Initiative der Bundesregierung von der zweiten Außenministerkonferenz der EU- und SADC-Staaten (14./15. Oktober in Windhoek) behandelt. In dem gemeinsamen Abschlußkommuniqué erklärten beide Seiten ihre Bereitschaft, den Einsatz und die Verbreitung von Anti-Personen-Minen zu beenden und zur Lösung des weltweiten Minenproblems beizutragen. Die Ottawa-Konferenz sei vorrangig der Frage eines umfassenden Verbots von Anti-Personen-Minen gewidmet gewesen. Daneben müßten Maßnahmen der Minenräumung Priorität erhalten. Der Bundesminister des Auswärtigen habe zu einem internationalen Expertentreffen am 11./12. Dezember 1996 nach Bonn eingeladen, um den verstärkten Einsatz mechanischer Methoden der Minenräumung zu erörtern. Die EU habe Anfang Oktober eine gemeinsame Aktion zu Anti-Personen-Minen verabschiedet. Kernelemente dieser Aktion seien: a) fortgesetzte Bemühungen der Europäischen Union um eine vollständige Umsetzung der Ergebnisse der ersten Konferenz zur Revision des Übereinkommens von 1980 (VN-Waffenübereinkommen) und Unterstützung der Bemühungen auf internationaler Ebene um eine Ächtung von Anti-Personen-Minen; b) die Ausdehnung des bestehenden Exportmoratoriums der EU auf nunmehr alle Typen von Anti-Personen-Minen und alle Zielländer; c) ein breitgefächerter Beitrag der EU zur Minenräumaktion (Erhöhung der Mittel auf 7 Mio. ECU). Die Bundesregierung habe am Zustandekommen der gemeinsamen Aktion gemäß der Zielsetzung im Sieben-Punkte-Aktionsprogramm des Bundesministers des Auswärtigen vom 18. Juli 1996 maßgeblichen Anteil genommen. Um die Umsetzung dieses Programmes habe der Bundesminister des Auswärtigen in persönlichen Appellen an die Generalsekretäre von NATO und WEU um Beteiligung beider Organisationen am Kampf gegen das internationale Minenproblem gebeten. Die NATO prüfe zur Zeit die Möglichkeit der Erstellung revidierter Einsatzkonzepte für Anti-Personen-Minen. Der WEU-Ministerrat habe auf seiner Tagung am 19. November 1996 in Ostende eine Konzeption gebilligt, die Beiträge der WEU im Rahmen der gemeinsamen Aktion der EU zu Anti-Personen-Minen im Bereich des humanitären Minenräumens vorsieht391.
    Bundesverteidigungsminister Rühe schlug in einem Brief an Bundesaußenminister Kinkel vor, die gegen Personen gerichteten Minen vollständig zu vernichten und künftig auf sie zu verzichten. Im Haushalt der Hardthöhe seien keine Mittel mehr für die Forschung, Entwicklung und Beschaffung dieser Minen vorgesehen. Die Bundeswehr werde alle 400.000 Anti-Personen-Minen aus ihren Beständen vernichten. Gleichwohl werde die Bundeswehr Minen gegen Panzer und gepanzerte Fahrzeuge behalten. Nach Ansicht des Bundesverteidigungministers soll die Bundesregierung diese Entscheidung auf der UNO-Landminenkonferenz verkünden.392 Im Haushalt 1996 sind 10 Mio. DM im Einzelplan 05, Kapitel 02, Titel 68623 für Maßnahmen des humanitären Minenräumens veranschlagt. Diese Mittel sind für den Einsatz im südlichen Afrika, in Mittelamerika und einzelnen Subregionen Asiens bestimmt. Außerdem habe die Bundesregierung für weitere Vorhaben im Zusammenhang mit dem humanitären Minenräumen 3 Mio. DM aus dem Sonderfonds der Ausstattungshilfe vorgesehen. Darüber hinaus fördere die Bundesregierung Minenräummaßnahmen im Rahmen der Unterstützung friedenserhaltender Maßnahmen der VN aus dem Kapitel 0502, Titel 68644. Für diese Minenräummaßnahmen seien im Haushaltsjahr 1996 1.346.000 DM eingeplant.393
    Der Deutsche Bundestag hatte in seinem Beschluß vom 29. Juni 1995 über weitgehende Einsatzbeschränkungen für Landminen die Bundesregierung unter anderem aufgefordert394: "3. Die Voraussetzungen zu schaffen, um internationale Minenräumaktionen auch durch die Bundesrepublik Deutschland wirkungsvoll unterstützen zu können, insbesondere dadurch, daß a) die Bundeswehr und andere in Frage kommende staatliche Stellen in geeigneten Fällen" an solchen Aktionen beteiligt werden können.
    Nach Auskunft der Bundesregierung verfügt die Bundeswehr jedoch nur in sehr begrenztem Umfang über geeignete Mittel zum Minensuchen und Minenräumen. Die Ausrüstungsplanung, -entwicklung und -beschaffung sind auf Fähigkeiten ausgerichtet, im Gefecht Minensperren frühzeitig aufzuklären und durch die Schaffung von Minenpfaden und Minengassen zu öffnen. Dieses Minenräumen zu militärischen Zwecken ist vom humanitären Minenräumen zu unterscheiden, da dort ein großflächiges Räumen von Minen bei hoher Räumsicherheit (VN-Standard 99,6 %) gefordert wird. Die in der Bundeswehr zur Verfügung stehenden Räummittel sind in mechanische und pyrotechnische Minenräummittel zu klassifizieren. Die Federführung für Projekte "humanitäres Minenräumen im Ausland" liegt beim Auswärtigen Amt, das über die Unterstützung einzelner Projekte entscheidet. Die Bundeswehr habe aus den aufgezeigten Gründen bisher nicht unmittelbar an Minenräumaktionen zu humanitären Zwecken teilgenommen. Humanitäre Minenräumaktionen unterstütze sie jedoch seit mehreren Jahren, insbesondere durch die Bereitstellung von Material und Abstellung von Fachpersonal. Durch das Bundesministerium der Verteidigung (BMVG) erfolgten Abgaben unter anderem an Cap Anamur, UNHCR, aber auch zivile Firmen zur Erprobung neuer Räumtechniken. Das BMVG prüfte nach dem Bundestagsbeschluß vom 29. Juni 1995, inwieweit die Bundeswehr humanitäre Minenräumaktionen unterstützen kann. Das Ergebnis wurde im Bericht des BMVG vom 1. September 1995 dem Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses mitgeteilt. Der Bericht stellt fest, daß die Bundeswehr im wesentlichen nur in drei Bereichen unterstützen kann: a) Materialabgaben in geeigneten Fällen; b) Nutzung des Minendokumentationszentrums der Bundeswehr; c) Beiträge zur Ausbildungshilfe.395

    185. Das "Abkommen über regionale Rüstungskontrolle" für das ehemalige Jugoslawien wurde am 14. Juni 1996 in Florenz unterzeichnet. Dazu habe das beharrliche Einwirken der Bundesregierung auf die Vertragsparteien wesentlich beigetragen. Das Abkommen stelle einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur dauerhaften Stabilisierung des ehemaligen Jugoslawiens dar. Die Bestände schwerer Waffen in den drei beteiligten Staaten müssen nach den jetzt vorliegenden Zahlen innerhalb von 16 Monaten um über 25 % verringert werden. Die Gefahr eines Rüstungswettlaufs ist abgewendet. Der eingeleitete Prozeß der Vertrauensbildung werde fortgesetzt. Durch den regelmäßigen Austausch militärischer Information und Überprüfungsbesuche werde eine Transparenz geschaffen. Das Abkommen stellt sich als Abrüstungsvertrag nach Annex 1 B des Dayton-Abkommens dar.396



    381 FAZ vom 26.9.1996, 2.
    382 UN-Doc. A/C.1/51/PV.22, 10.
    383 UN-Doc. A/C.1/51/L.38, "Consolidation of peace through practical disarmament measures."
    384 UN-Doc. A/C.1/51/PV.16.
    385 BT-Drs. 13/4450.
    386 BT-Drs. 13/5488.
    387 BT-Drs. 13/5488.
    388 FAZ vom 19.9.1996, 1.
    389 FAZ vom 24.10.1996, 8.
    390 FAZ vom 14.5.1996, 1.
    391 BT-Drs. 13/6465.
    392 SZ vom 17.4.1996; FAZ vom 17.4.1996, 4.
    393 BT-Drs. 13/5187.
    394 BT-Drs. 13/1780; BT-PlPr., 47. Sitzung, 3837.
    395 BT-Drs. 13/5374.
    396 BT-PlPr., 112. Sitzung, 10002.