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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1996


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Volker Röben


XVII. Friedenssicherung und Kriegsrecht

6. Kriegsrecht

    199. In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage zur NATO-Strategie und Legalität von Kernwaffen stellte die Bundesregierung klar, daß die in der Einleitung der Anfrage enthaltene Aussage, der Internationale Gerichtshof habe in seinem Rechtsgutachten die Frage, ob die Androhung des Einsatzes oder der Einsatz von Kernwaffen mit dem Völkerrecht vereinbar sei, mit "einem generellen Nein" beantwortet, nicht zutreffe (s. Rz. 195).

    200. Im Zusammenhang mit der Giftgasproduktion in Libyen wies das Auswärtige Amt den deutschen Botschafter in Tripolis an, umgehend bei der Regierung in Tripolis vorstellig zu werden. Er solle Auskunft darüber verlangen, ob die von zwei Mönchengladbacher Firmen illegal nach Libyen gelieferten Siemens Mischanlagen tatsächlich zur Giftgasproduktion eingesetzt würden.431

    201. Die rund 100.000 kriegsbedingt nach Georgien verlagerten Bücher aus deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken sind am 29. Oktober 1996 nach Deutschland zurückgekehrt. Diese Bücher sind ein geringer Teil jener Kultur- und Kunstgüter von unschätzbarem Wert, die von der "Trophäenkommission" der Roten Armee zwischen 1945 und 1947 als "Beutebücher" und "Beutekunst" aus Deutschland in die Sowjetunion gebracht wurden und auf Umwegen zum Teil in verschiedene Sowjetrepubliken gelangten. 432

    202. Zur Frage nach der Rückgabe von Kulturgütern durch die Russische Föderation an die Bundesrepublik Deutschland nahm die Bundesregierung wie folgt Stellung. In drei Verhandlungsrunden auf Regierungsebene, im Februar 1993 in Dresden, im März 1994 in Moskau und im Juni 1994 in Bonn, seien erste praktische Schritte, wie z.B. die Einsetzung von bilateralen Fachgruppen für Museen/Sammlungen, Bibliotheken, Archive und Rechtsfragen, vereinbart worden. Die Fachgruppen hätten mehrmals getagt und zum Teil konkrete Vorschläge für Rückführungen unterbreitet. Dieser zunächst konstruktive bilaterale Einstieg in eine Lösung der komplexen Rückführungsproblematik sei 1994/1995 ins Stocken geraten, als erst der Föderationsrat, dann auch die Duma die Einstellung von Rückführungsverhandlungen bis zum Inkrafttreten eines entsprechenden innerstaatlichen russischen Gesetzes gefordert und durchgesetzt hätten. Beide parlamentarischen Kammern hätten hierzu Gesetze eingebracht. Aufgrund des schwebenden Gesetzgebungsverfahrens habe der russische Kulturminister Sidorow den Bundesminister des Auswärtigen um Verschiebung weiterer Regierungsverhandlungen gebeten. Der Bundesminister des Auswärtigen habe auf möglichst baldigen Termin für die nächste Verhandlungsrunde gedrängt und wiederholt darauf hingewiesen, daß die innerstaatliche russische Gesetzgebung auch im Bereich der Rückführung dem Völkerrecht und den Regelungen in den bilateralen Verträgen entsprechen müßte. Zu konkreten Rückführungen sei es mit Ausnahme von fünf Büchern als symbolische Geste für eine Übergabe der Restbestände der Gothaer Schloßbibliothek seit Beginn der Rückführungsverhandlungen im Februar 1993 bisher nicht gekommen.433 Sie habe der Russischen Föderation bei den letzten Regierungsverhandlungen in Bonn eine Zusammenstellung aller bisher bekannten Fälle deutscher Kulturgüter, die Gegenstand ihrer Rückführungsansprüche seien, übergeben. Darin seien ca. 200.000 Museumsgüter, 2 Millionen Bücher und 3 km Archivgut enthalten. Die Bundesregierung habe sich die Geltendmachung weiterer Ansprüche vorbehalten.434 Sie wies ferner auf Nr. 3 Abs. 5 des Protokolls über die deutsch-russischen Regierungsverhandlungen zur Rückführung von Kulturgütern vom 24. März 1994 hin, wonach Deutschland und Rußland folgendes vereinbart hätten:

    "Beide Seiten halten eine engere und offenere Zusammenarbeit zwischen den durch die jeweilige Seite bevollmächtigten zuständigen Experten zwecks gemeinsamer Ausarbeitung von Vorschlägen zur Feststellung und listenmäßigen Erfassung von Kulturgütern, welche Gegenstand der Rückführung sein können, für unverzichtbar. Hierfür gewährleisten beide Seiten diesen Experten freien Zugang zu diesen Kulturgütern an ihrem Aufbewahrungsort zwecks Durchführung einer gemeinsamen Identifizierung und spezialisierter Expertisen und werden ihnen günstige Arbeitsbedingungen schaffen."
    Dennoch sei bisher von russischer Seite den deutschen Mitgliedern der Fachgruppen der Zugang zu den Depots im wesentlichen verweigert worden. Die Bundesregierung habe hiergegen energisch protestiert. Es sei in Einzelfällen gelungen, deutschen Experten aus besonderem Anlaß in Moskau und in St. Petersburg den Zugang zu Kulturgütern, die aus Deutschland verbracht worden seien, zu verschaffen.435 Die Bundesregierung habe die politische Bedeutung der Frage ebenso wie ihre Rechtsauffassung wiederholt gegenüber der russischen Regierung dargelegt.436

    203. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage zum Schutz vor biologischen Waffen führte die Bundesregierung folgendes aus. Umfassende Sicherheit sei in bezug auf B-Kampfmittel derzeit nicht erreichbar. Das Konzept der Bundesregierung bestehe in einem Gesamtansatz, in dem sich politische, militärische und medizinische Maßnahmen gegenseitig ergänzten. Die Bundesregierung beteilige sich aktiv an internationalen Verhandlungen mit dem Ziel, für das Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und von Toxinwaffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen ein Verifikationsregime zu vereinbaren. Die Bundeswehr schütze ihre Soldaten gegen die Wirkungen von B-Kampfmitteln. Auf der 3. Überprüfungskonferenz zum BWÜ vom 9.-27. September 1991 habe sich die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern in der Europäischen Gemeinschaft insbesondere für den Beginn ernsthafter Verhandlungen über die Verifikation des BWÜ eingesetzt. Ferner habe die Bundesregierung Vorschläge unterbreitet, wie die auf der 2. BWÜ-Überprüfungskonferenz im Jahre 1986 beschlossenen vertrauensbildenden Maßnahmen erarbeitet und verbesserte Durchführungsmodalitäten vereinbart werden könnten.437



    431 SZ vom 22.8.1996, 1.
    432 FAZ vom 30.10.1996, 6.
    433 Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Parlamentarische Anfrage, BT-Drs. 13/3935, 3; die Anfrage bezog sich auf Art. 6 Abs. 2 des Nachbarschaftsvertrages von 1990 und Art. 15 des Abkommens über Kulturelle Zusammenarbeit von 1992.
    434 BT-Drs. 13/3959, 4.
    435 BT-Drs. 13/3935, 4.
    436 BT-Drs. 13/3935, 5.
    437 BT-Drs. 13/4321.