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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1997


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Roland Bank


XII. Zusammenarbeit der Staaten

3. Arbeits- und sozialrechtliche Zusammenarbeit

     129. Im Berichtszeitraum wurden die Gesetzgebungsverfahren zu Zustimmungsgesetzen zu Abkommen über die soziale Sicherheit mit Finnland219 und Österreich220 eingeleitet. Die Abkommen sollen die Beziehungen zwischen den jeweiligen Staaten und Deutschland im Bereich der sozialen Sicherheit regeln, soweit die seit dem 1. Januar 1994 zwischen den jeweiligen Vertragsstaaten geltenden Regelungen der Europäischen Union über soziale Sicherheit keine Anwendung finden. Dies betrifft insbesondere Personen, die nicht unter die EU-Regelungen fallen und nach dem bislang geltenden bilateralen Abkommen über soziale Sicherheit geschützt sind.

    

4. Polizeiliche Zusammenarbeit

     130. Am 9. Oktober 1997 hat die Bundesregierung mit der französischen Regierung ein Abkommen über die Zusammenarbeit der Polizei- und Zollbehörden in Grenzgebieten abgeschlossen.221 Das Abkommen verfolgt das Ziel, die Zusammenarbeit zu verbessern um ein höheres Maß an gemeinsamer Sicherheit in den Grenzgebieten zu erreichen sowie im Sinne des Schengener Übereinkommens vom 14. Juni 1985 grenzüberschreitende Freizügigkeit ohne Sicherheitseinbußen herbeizuführen. Darüber hinaus soll der illegalen Zuwanderung und grenzüberschreitenden Kriminalität entgegengewirkt, die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch Abwehr von grenzüberschreitenden Gefahren und Störungen und insbesondere eine wirksame Verbrechensbekämpfung - z.B. im Bereich der Rauschgiftkriminalität, der Schleuserkriminalität und der Verschiebung von Kraftfahrzeugen - gewährleisten. Zur Umsetzung sollen im Grenzgebiet gemeinsame Zentren für den Informationsaustausch und die Koordinierung zwischen den beteiligten Behörden beider Vertragsparteien eingerichtet werden (Art. 4). Den gemeinsamen Zentren obliegt nicht die selbständige Durchführung operativer Einsätze. Die Koordinierungsfunktion umfaßt insbesondere die Abstimmung von Aufklärungs- und Überwachungsmaßnahmen in den Grenzgebieten, die Abstimmung von Einsätzen sowie von grenzüberschreitenden Fahndungsmaßnahmen, unterstützende Aktivitäten bei der technischen Durchführung grenzüberschreitender Observations- und Nacheilehandlungen sowie die Vorbereitung und Mitwirkung bei der Überstellung von Ausländern auf der Grundlage von zwischen den Vertragsparteien geltenden Übereinkünften (Art. 6).

     Die Bediensteten in den gemeinsamen Zentren unterstehen der Weisungs- und Disziplinargewalt ihrer jeweiligen nationalen Behörden, während die Organisation in den gemeinsamen Zentren durch dazu bestimmte Bedienstete der Vertragsparteien gemeinsam geregelt wird (Art. 7). Die unmittelbare Zusammenarbeit ist in den Art. 9-11 geregelt und sieht vor allem Maßnahmen zur Vertiefung der Zusammenarbeit durch verbesserte Kooperation bei Einsätzen sowie einer Intensivierung des Informationsaustausches im Rahmen des Schengener Durchführungsabkommens und den Ausbau der behördlichen Kontakte und Aktivitäten auf dem Felde der dezentralen Aus- und Fortbildung vor. Im Rahmen der allgemeinen Bestimmungen für die Zusammenarbeit (Art. 12-19) ist festgelegt, daß Bedienstete einer Vertragspartei, die im Rahmen dieses Abkommens ihren Dienst auf dem Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei ausüben, in Bezug auf die Straftaten, denen sie zum Opfer fallen oder die sie begehen würden, den Bediensteten des Nachbarstaates gleichgestellt seien. Bedienstete, die ihren Dienst auf dem Territorium des Nachbarstaates ausüben, können dort ihre nationale Dienstkleidung tragen und ihre Dienstwaffe mitführen, die sie aber nur im Falle der Notwehr gebrauchen dürfen (Art. 12).

     Weitere Vorschriften ordnen die Anwendung des Schengener Durchführungsübereinkommens für bestimmte Bereiche an (Art. 13-16). Bei der Durchführung einer grenzüberschreitenden Observation oder Nacheile unterliegen Polizei- und Zollbeamte des Nachbarstaates denselben verkehrsrechtlichen Bestimmungen wie diejenigen der Vertragspartei, auf deren Territorium die Maßnahme durchgeführt wird. Art. 20-25 des Abkommens enthalten die Durchführungs- und Schlußbestimmungen.222

     131. Die Vereinbarung zwischen dem Bundesinnenministerium und dem Innenminister sowie dem Justizminister der Niederlande über die polizeiliche Zusammenarbeit im Grenzgebiet zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Niederlanden, die am 17. April 1996 unterzeichnet worden war, ist am 1. Februar 1997 in Kraft getreten.223

     132. In ihrer Antwort auf eine parlamentarische Kleine Anfrage zu "Abkommen" zur polizeilichen Zusammenarbeit zwischen Bundesländern und ausländischen Staaten weist die Bundesregierung darauf hin, daß die Vereinbarungen von Bundesländern mit ausländischen Staaten vielfältige Bezeichnungen tragen und vielfältigen Inhalts seien. Soweit es sich um polizeiliche Angelegenheiten handele, gehe es um den Informationsaustausch im wissenschaftlich- technischen Bereich und über Methoden der Kriminalitätsbekämpfung, den Erfahrungsaustausch auf dem Gebiet der Verbrechensbekämpfung, die Überlassung von Fachliteratur und den Austausch von Statistiken, den Austausch von Ermittlungsbeamten bei konkreten Straftaten und die Bildung gemeinsamer Arbeits- oder Ermittlungsgruppen, die Verbesserung der grenzüberschreitenden Kommunikation und die Benennung von Ansprechpartnern für den Informationsaustausch, die Zusammenarbeit im Rahmen der Aus- und Fortbildung und bei der Ausbildung von Spezialisten sowie schließlich um Informationsbesuche.224

     133. Zum Bericht über die grenzpolizeiliche Entwicklung 1996 in den Bereichen illegale Einreise und Schleuserkriminalität erklärte Bundesinnenminister Kanther am 25. Februar 1997:

"Die innere Sicherheit in Deutschland und Europa kann nur durch eine intensive polizeiliche Zusammenarbeit sowohl der EU- und Schengener Partnerstaaten als auch mit den mittel- und osteuropäischen Staaten gewährleistet werden. Sowohl an den Binnen- als auch an den Außengrenzen gilt es, die Ursachen der Kriminalität zu bekämpfen und die Hürden für einen illegalen, staatenübergreifenden Transit so hoch wie möglich zu gestalten. Die Grenzsicherung im heutigen Europa erfordert zwischenstaatliche und supranationale Kooperation auf allen sicherheitsrelevanten Gebieten."225

     In diesem Zusammenhang wird auf die von der Bundesregierung bereits geschlossenen Abkommen zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit verwiesen. Auch mit der Schweiz seien Verhandlungen über die Errichtung eines kooperativen Sicherheitssystems an der gemeinsamen Grenze aufgenommen worden.

     134. Auf eine Kleine Anfrage zu Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus nahm die Bundesregierung Stellung zu Fragen einer intensiveren Zusammenarbeit zwischen den G7/P8-Staaten, die an einem Treffen zu diesem Thema beteiligt waren. Die Bundesregierung erklärt, die Vertreter hätten die Notwendigkeit zur Intensivierung der Zusammenarbeit betont und ferner beschlossen, daß zur Verbesserung des Informationsaustausches verstärkt auf Verbindungsbeamte zurückgegriffen werden solle. Darüber hinaus solle geprüft werden, in welcher Weise die an dem auf EU-Ebene stattfindenden Informationsaustausch bislang nicht beteiligte G7/P8-Staaten in die Kommunikation einbezogen werden könnten. Es sei insbesondere vereinbart worden, direkte Kontakte zwischen den für die Terrorismusbekämpfung zuständigen Dienststellen einschließlich der für die Tatortarbeit, Kriminaltechnik oder die Auswertung elektronischer Medien zuständigen Spezialdienststellen zu ermöglichen und entsprechende Kommunikationsstränge einzurichten.226

     135. Auf eine schriftliche Anfrage hin nahm die Bundesregierung im Berichtszeitraum Stellung zu dem Europol-"Immunitätenprotokoll" und damit verbundenen Befürchtungen der Privilegierung des Europol-Personals sowie einer Gefährdung des informationellen Selbstbestimmungsrechts. Die Bundesregierung führt dazu folgendes aus:

"Nach dem Regelungsgehalt von Art. 8 Abs. 1a des Europol-Immunitätsprotokolls vom 19. Juni 1997 (...)227 wird den Mitgliedern der Organe und des Personals von Europol die Freistellung von der Gerichtsbarkeit nicht schrankenlos, sondern nur für in Ausübung des Amtes vorgenommene Äußerungen und Handlungen gewährt. Die Mitglieder der Organe und des Personals von Europol genießen Immunität von der Gerichtsbarkeit nur 'unbeschadet des Art. 32' des Europol-Übereinkommens vom 26. Juli 1995. Damit gilt die - im übrigen aufhebbare - Immunität für Europol-Bedienstete bei der Verletzung von Verschwiegenheits- oder Geheimhaltungspflichten in Ausübung des Amtes von vornherein nicht. Die Betreffenden können sich nach den in Art. 2 § 8 des Europol-Gesetzes genannten Vorschriften strafbar machen, das sind die Verletzung von Privatgeheimnissen (...), die Verwendung fremder Geheimnisse (...) sowie die Verletzung des Dienstgeheimnisses (...). Da Europol nach der Konzeption des Europol-Übereinkommens vom 26. Juli 1995 im wesentlichen auf die zentrale Verarbeitung personenbezogener Daten beschränkt ist, ist damit ein wesentlicher Bereich der strafrechtlich relevanten Fälle von der Immunität ausgenommen.

Gerade im Hinblick auf die Sicherung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist zu erwähnen, daß die im Europol-Übereinkommen enthaltenen datenschutzrechtlichen Sicherungen, insbesondere die Prüfungs- und Kontrollbefugnisse der gemeinsamen Kontrollinstanz, vom Immunitätenprotokoll nicht berührt werden."228

     136. Die Antwort auf die schriftliche parlamentarische Anfrage über die albanischen Sicherheitsbehörden gewährte Ausbildungs- und Ausrüstungshilfe stellt die Bundesregierung in den Kontext der für Albanien nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in allen Bereichen erforderlichen internationalen Unterstützung. Es liege in dem Interesse der Bundesrepublik, die Demokratisierung und den Reformprozeß in einem Land zu unterstützen, das von großer Bedeutung für die politische Stabilität des südlichen Balkans sei. Im Zuge der Demokratisierungshilfe habe Deutschland zusammen mit anderen Staaten auch Beratungshilfe bei der Reform im militärischen Bereich geleistet. Auf der Grundlage der 1995 geschlossenen bilateralen Vereinbarung über die Zusammenarbeit im militärischen Bereich seien bisher 33 Fach- und Expertengespräche unter anderem zu Fragen des Wehrrechts und der Wehrverwaltung, der Einbindung von Streitkräften in die Demokratie, des Sanitätsdienstes und zur Ausbildung im Rahmen der bilateralen Jahresprogramme durchgeführt worden. Der Schwerpunkt der Zusammenarbeit habe bisher bei der Unterstützung des Aufbaus einer Militärakademie (Konzeption der Ausbildung nach deutschen Lehrinhalten, z.B. innere Führung/Menschenführung) und des Militärhospitals in Tirana gelegen.

     137. Im Rahmen der internationalen Friedenseinsätze in Bosnien-Herzegowina sind nach Angaben der Bundesregierung albanische Sicherheitszüge in die deutschen Kontingente sowohl der IFOR als auch der SFOR eingegliedert worden. Die betreffenden Soldaten seien vor ihrem Einsatz in Deutschland ausgebildet worden. Im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit sei Albanien 1993 mit einem einmaligen Sofortprogramm in Höhe von 500 000 DM unterstützt worden. Anfang 1997 sei ein Ressortabkommen über die Gewährung von polizeilicher Ausstattungshilfe unterzeichnet worden. Die Umsetzung des Abkommens sei noch nicht begonnen worden und sei bis auf weiteres ausgesetzt, da die erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen, d.h. innenpolitische Stabilität, polizeiliches Handeln auf gesetzlichen Grundlagen unter Beachtung der Menschenrechte, in Albanien derzeit noch nicht vorhanden seien. Das Abkommen schließe die Lieferung von Waffen, Munition und Material zur Ausübung unmittelbaren Zwanges ausdrücklich aus.229



    219 BT-Drs. 13/8817 vom 23.10.1997.
    220 BT-Drs. 13/8818 vom 23.10.1997.
    221 Das Zustimmungsgesetz erging am 14.9.1998, BGBl. 1998 II, 2479.
    222 Zustimmungsgesetz vom 14.9.1998, BGBl. 1998 II, 2479.
    223 BGBl. 1997 II, 702. Zum Inhalt vgl. Röben (Anm. 1), Ziff. 113.
    224 BT-Drs. 13/8416 vom 22.8.1997 1 f.
    225 Bull. Nr. 18 vom 3.3.1997, 187.
    226 BT-Drs. 13/6795 vom 22.1.1997, 7.
    227 ABl. EG Nr. C 221, 1.
    228 BT-Drs. 13/8792 vom 17.10.1997, 7.
    229 BT-Drs. 13/7403 vom 11.4.1997, 9 f.