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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1997


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Roland Bank


XIII. Umwelt- und Naturschutz

3. Luftreinhaltung und Klimaschutz

     162. Bundeskanzler Kohl gab gemeinsam mit dem Präsidenten der Föderativen Republik Brasilien, dem Vizepräsidenten der Republik Südafrika und dem Premierminister der Republik Singapur vor der Klimakonferenz in Kyoto eine gemeinsame Erklärung zum Klimaschutz ab, in der sie rechtsverbindliche Verpflichtungen für Industrieländer zur Verminderung der Treibhausgasemissionen sowie wirksame Regeln für die Überprüfung der Einhaltung fordern:

"Aufgrund unserer gemeinsamen Sorge um dringend notwendigen Schutz des Klimas und angesichts der noch immer sehr schwierigen Verhandlungssituation richten wir die dringende Bitte an die Vertragsparteien der Klimarahmenkonvention, bei der unmittelbar bevorstehenden dritten Vertragsstaatenkonferenz in Kyoto ein Protokoll oder ein anderes rechtsverbindliches Instrument zu verabschieden, das der großen Bedeutung des weltweiten Klimaschutzes für die gesamte Menschheit Rechnung trägt.

Dieses Dokument muß rechtsverbindliche Verpflichtungen für die Industrieländer enthalten, die Treibhausgasemissionen deutlich zu vermindern. Dazu verweisen wir auf den von unseren Ländern unterstützten Vorschlag, wonach die Industrieländer einzeln oder gemeinsam die Emissionen der drei wichtigsten Treibhausgase (Kohlendioxid, Methan, Distickstoffoxid), zusammen um mindestens 7,5 % bis 2005 und um 15 % bis 2010 gegenüber 1990 reduzieren müssen.

(...) Rechtsverbindliche Ziele in einem Klimaprotokoll sind vor allem dann glaubwürdig, wenn es wirksame Regeln für die Überprüfung ihrer Einhaltung gibt. In diesem Zusammenhang könnte der Vorschlag, daß diejenigen, die sich nicht an die im Protokoll genannten Ziele halten, entsprechend ihrer Zielverfehlung Mittel für Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern zur Verfügung stellen, ein Beitrag für die Durchsetzung der Regeln sein."267

     Im Hinblick auf die Rolle der Entwicklungsländer wird anerkannt, daß nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum in diesen Ländern notwendig sei und Fortschritte beim Technologiezugang und finanzielle Hilfen zu prüfen seien, um die Entwicklungsländer bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen zu unterstützen.

     163. Im zweiten Ausschuß der Generalversammlung der Vereinten Nationen sicherte der Vertreter der Europäischen Union zu, daß die Europäische Union bereit sei, ihre Treibhausgasemissionen im Vergleich zu dem Niveau von 1990 um 15 % bis ins Jahr 2010 zu reduzieren.268 Er betonte weiterhin, daß mit der zunehmenden Geschwindigkeit der Entwicklung auch Entwicklungsländer ihren Teil der Verantwortung zur Begrenzung der Emissionen tragen müßten.269

     164. Das Bundeskabinett hat am 16. April 1997 den zweiten Nationalbericht Deutschlands nach dem Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaveränderungen verabschiedet. In diesem Bericht wird die aktuelle Emissionssituation in der Bundesrepublik Deutschland dargestellt, der Stand der Umsetzung des nationalen Klimaschutzprogramms berichtet und ein erster Ausblick auf die Entwicklung der Treibhausgasemissionen in der Bundesrepublik Deutschland bis zu den Jahren 2005, 2010 und 2020 vorgenommen.270

     165. In ihrer Antwort auf eine parlamentarische Große Anfrage zur Umsetzung der Selbstverpflichtungserklärung deutscher Wirtschafts- und Industrieverbände zum Klimaschutz ordnet die Bundesregierung die nationalen Maßnahmen in einen internationalen Kontext ein:

"Angesichts der Dimension der Klimaproblematik und des Beitrags Deutschlands zu den weltweiten anthropogenen Kohlendioxidemissionen von rd. 4 % muß die anspruchsvolle deutsche Klimaschutzpolitik in die parallel entwickelte europäische Strategie und das auf der Klimarahmenkonvention basierende weltweite Konzept eingebracht werden. Die Bundesregierung will durch konsequentes eigenes Handeln die internationale Entwicklung anstoßen und fortentwickeln. Dies impliziert auch, daß politische Entscheidungen in Deutschland nicht zu einer Verlagerung von Weltwirtschaftsaktivitäten zu deutlich geringeren Umweltkonditionen jenseits der deutschen Grenzen führen dürfen. Die Auswirkungen auf Beschäftigung, Wirtschaftswachstum, außenwirtschafliches Gleichgewicht und Preisniveau-stabilität müssen deshalb berücksichtigt werden."271

     166. In ihrer Antwort auf eine parlamentarische Kleine Anfrage zum internationalen Tourismus und damit verbundene Klimabeeinträchtigung durch Flugverkehrsemissionen äußert sich die Bundesregierung zu der Möglichkeit der Einführung einer Kerosinsteuer:

"Die Bundesregierung wird sich im Zuge der bis 31. Dezember 1997 vorgesehenen Überprüfung der Steuerbefreiungen des Art. 8 der EU-Richtlinie 92/81/EWG zur Harmonisierung der Gebrauchssteuern und bei den diesbezüglichen Beratungen im EU-Rat und im Europäischen Parlament für die Abschaffung der Steuerbefreiung der Luftfahrtbetriebsstoffe für die gewerbliche Luftfahrt einsetzen. Sie setzt sich weiterhin in der EU und international dafür ein, eine breitere Basis für die umweltpolitisch gebotene Besteuerung des Flugtreibstoffes zu erreichen. So haben sich auf Initiative des Bundesumweltministeriums (BMU) die europäischen Minister auf der Ministerkonferenz 'Umwelt für Europa' in Sofia im Oktober 1995 mit Beschluß für die Einführung einer Steuer für den Flugtreibstoff auf internationaler Ebene ausgesprochen und dies in ihr Umweltprogramm für Europa aufgenommen."272

     Die Bundesregierung räumt allerdings ein, daß die Haltung der Mitgliedstaaten zur Besteuerung der Luftfahrt Betriebsstoffe derzeit noch nicht einheitlich sei.

     Der Idee der Einführung einer Kerosinsteuer als "internationale Steuer" zugunsten der VN steht die Bundesregierung reserviert gegenüber:

"Die Einführung einer Kerosinsteuer als eine 'internationale Steuer' mit der Maßgabe, daß das Aufkommen einer derartigen Steuer den Vereinten Nationen zufließt, hält die Bundesregierung verfassungs- und steuerhoheitsrechtlich für problematisch.

Eine weitere Schwierigkeit zur Einführung einer internationalen Steuer besteht darin, daß die derzeitigen Regelungen des Chicagoer Abkommens über die zivile Luftfahrt eine Besteuerungs- und Abgabenfreiheit für Kraftstoffe und Öle im grenzüberschreitenden Verkehr vorsehen. Darüber hinaus bestehen 120 bilaterale Luftverkehrsabkommen, die gleiches vorsehen und nicht einseitig gekündigt werden können. Da eine globale Lösung auf internationaler Ebene vorerst schwer erreichbar ist, setzt sich die Bundesregierung verstärkt für eine EU-weite Abschaffung der Mineralölsteuerbefreiung für den Luftfahrtbetriebsstoff ein."273

     167. Am 29. September 1997 trat für die Bundesrepublik Deutschland wie für 15 weitere Vertragsstaaten das Protokoll von 1991 zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betr. die Bekämpfung von Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen oder ihres grenzüberschreitenden Flusses in Kraft. Bei der Unterzeichnung am 19. November 1991 hatte die Bundesrepublik Deutschland folgende Erklärung abgegeben:

"Deutschland gibt bei der Unterzeichnung an, daß es nach Art. 2 Abs. 2 A seine jährlichen nationalen Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen bis 1999 um mind. 30 v. H. verringern wird, wobei es das Niveau von 1988 zugrunde legt."274

     168. Im Berichtszeitraum wurde weiterhin das Gesetzgebungsverfahren zur Zustimmung zu dem Protokoll betreffend die weitere Verringerung von Schwefelemissionen eingeleitet, durch das das Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung erneut ergänzt werden soll.275

     Die Vertragsparteien übernehmen die völkerrechtliche Verpflichtung, ihre Schwefelemissionen zu reduzieren. Ziel ist langfristig die Einhaltung der kritischen Belastungswerte, die in einem Annex zum Protokoll angegeben werden, soweit wie möglich zu erreichen (Art. 2 Abs.1). Hierzu werden landesspezifische Obergrenzen der Gesamt-Schwefelemissionen für die Jahre 2000, 2005, 2010 verbindlich festgelegt (Art. 2 Abs. 2 I. V. mit Annex II). Nach Einschätzung der Bundesregierung in ihrer Begründung zum Entwurf eines Zustimmungsgesetzes wird die übernommene Reduktionsverpflichtung durch den Vollzug des geltenden Luftreinhalterechts, insbesondere der Großfeuerungsanlagenverordnung, erfüllt, voraussichtlich sogar übertroffen.276

     169. Am 9. Juli 1997 unterzeichnete die Bundesregierung in Prag das Abkommen zwischen dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit der Bundesrepublik Deutschland und dem Ministerium für Umwelt der Tschechischen Republik über die Durchführung des gemeinsamen Umweltschutzpilotprojektes "Umweltfreundliche Wärme- und Stromversorgung Cheb/Eger". Das Abkommen regelt die Zusammenarbeit der Vertragsparteien bei dem genannten Umweltschutzprojekt, dem Modellcharakter zukommt. Mit dem Projekt sollen die Umweltbelastungen in Deutschland und der Tschechischen Republik vermindert werden, indem veraltete braunkohlegefeuerte Kraftwerke durch moderne umweltfreundliche Technologien ersetzt werden.277



    267 Bull. Nr. 96 vom 3.12.1997, 1240.
    268 UN Doc. A/C.2/52/SR.29.
    269 UN Doc. A/C.2/52/SR.31, 5.
    270 Eine Zusammenfassung des Berichts findet sich in Umwelt Nr. 5/1997, Sonderteil: Zweiter Bericht der Regierung der Bundesrepublik Deutschland nach dem Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderung (2. Nationalbericht).
    271 BT-Drs. 13/6704 vom 14.1.97, 2.
    272 BT-Drs. 13/7321 vom 24.3.97, 5.
    273 Ibid., 5 f.
    274 BGBl. 1998 II, 224.
    275 BT-Drs. 13/7557 vom 28.4.97.
    276 Ibid., 1.
    277 BGBl. 1997 II, 1526.