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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1997


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XIII. Umwelt- und Naturschutz

4. Kerntechnische Sicherheit

     170. Im Berichtszeitraum ist die Bundesrepublik Deutschland dem Übereinkommen vom 20. September 1994 über nukleare Sicherheit beigetreten, das für Deutschland am 20. April 1997 in Kraft getreten ist.278

     Das Übereinkommen über nukleare Sicherheit legt erstmals völkerrechtlich verbindliche Sicherheitsstandards für zivile Leistungsreaktoren fest. Bisher haben über 80 Staaten das Abkommen gezeichnet und mehr als 30 Staaten haben es bereits ratifiziert. Es enthält u. a. Pflichten zur Umsetzung von technischen Sicherheitsstandards in nationales Recht sowie zur Nachbesserung oder Stillegung von Anlagen, die den Konventionsanforderungen nicht entsprechen. Daneben werden für alle Vertragsparteien Grundsätze für die Gewährleistung nuklearer Sicherheit festgelegt, wie z. B. der Vorrang der kerntechnischen Sicherheit vor wirtschaftlichen Überlegungen beim Betrieb von Anlagen, die Bereitstellung von finanziellen Mitteln und qualifiziertem Personal zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, die Einführung von Qualitätssicherungsprogrammen oder die Erstellung von Notfallschutz-Vorsorgeplänen. Für die Überprüfung der Umsetzung des Übereinkommens ist ein genaues Verfahren festgelegt. Demnach werden die Berichte der Vertragsstaaten über die Umsetzung im nationalen Bereich auf internationalen Konferenzen unter Teilnahme aller Vertragsstaaten eingehend beraten. Derartige Überprüfungskonferenzen sollen mindestens alle drei Jahre stattfinden. Durch die ausführliche Behandlung der nationalen Berichte unter Berücksichtigung von sonstigen Erkenntnissen soll Druck auf diejenigen Staaten ausgeübt werden, die noch keinen ausreichenden Sicherheitszustand im Nuklearbereich erreicht haben.

     Bundesumweltministerin Merkel führte hierzu aus:

"Das Übereinkommen geht auf eine deutsche Initiative zurück und wurde auch ganz wesentlich von Deutschland geprägt. Es zielt darauf ab, weltweit die Sicherheit der in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke auf ein gleichmäßiges hohes Niveau zu heben. Es soll damit vor allem auch ein wesentlicher Beitrag zur Verbesserung der Kernkraftwerke sowjetischer Bauart in Mittel- und Osteuropa leisten. Für die Durchsetzung der Anforderungen des Abkommens kommt es jetzt darauf an, daß der internationale Überprüfungsprozeß schnell in Gang gesetzt wird und auch die anderen Zeichnerstaaten des Übereinkommens so rasch wie möglich beitreten."279

     171. In ihrer Antwort auf eine parlamentarische Große Anfrage zu den Folgen der Atomenergienutzung am Beispiel der russischen Nordflotte unterrichtet die Bundesregierung über ihre Aktivitäten im Rahmen von bilateralen und multilateralen Projekten im Bereich des Umweltschutzes, insbesondere der kerntechnischen Sicherheit, in den Nachfolgestaaten der UdSSR:

"Die Bundesregierung beteiligt sich mit verschiedenen bilateralen und multilateralen Projekten an der Unterstützung der Nachfolgestaaten der UdSSR bei der Lösung der diversen Umweltprobleme. Auf dem Gebiet der nuklearen Sicherheit sind vor allem die Unterstützung bei der Verbesserung von Sicherheit von Kernkraftwerken sowjetischer Bauart zu nennen sowie umfangreiche Hilfsmaßnahmen nach dem Tschernobyl-Unfall, u.a. Meßkampagnen des Bundesamtes für Strahlenschutz in der Region Tscheljabinsk in den Jahren 1992/93, der Aufbau des integrierten Meß- und Informationssystems Iris zur Überwachung der Umweltradioaktivität in den verschiedenen GUS- und MOE-Staaten. Darüber hinaus beteiligt sich die Bundesrepublik an dem Internationalen Wissenschafts- und Technologiezentrum (IWTZ) Moskau, das Arbeitsmöglichkeiten in Forschungsprojekten anbietet und damit die Abwanderung von Nuklearwissenschaftlern, Kernwaffenexperten und Fachpersonal verhindern soll. Deutsche Experten arbeiten im Rahmen der IAEO und der NATO, um zu einer wissenschaftlich fundierten Bewertung der Situation in den Nordmeeren und deren Umgebung beizutragen. Als eine Folge der Entsorgungsprobleme in der Russischen Föderation ist die 'Konvention zur sicheren Behandlung radioaktiver Abfälle' zu sehen, die zur Zeit von den Mitgliedstaaten der IAEO in Wien verhandelt wird. Die Konvention soll gewährleisten, daß international gültige hohe Sicherheitsstandards beim Umgang und der Beseitigung radioaktiver Abfälle Anwendung finden. Weiterhin fördert die Bundesregierung Forschungsprojekte zu der Frage des möglichen Transports von radioaktiv kontaminiertem Wasser oder Sediment aus der Barents- und Karasee durch Meeresströmungen sowie Untersuchungen über die mögliche Entsorgung von in der Karasee eingebrachten radioaktiven Abfällen.

Der militärische Komplex in Rußland unterliegt weiterhin strenger Geheimhaltung. Aus diesem Grunde sieht die Bundesregierung wenig Möglichkeiten, in diesem Bereich Einfluß auf die russische Regierung zu nehmen. Vielmehr steht diese als Verursacher primär in der Verantwortung, die Probleme zu lösen."280

     Weiterhin weist die Bundesregierung darauf hin, daß Abrüstungsmaßnahmen nicht auf Kosten der Umwelt vorgenommen werden dürften:

"Die Bundesregierung begrüßt die Außerdienststellung von U-Booten im Zuge der von Rußland übernommenen Abrüstungsverpflichtungen unter den START-Verträgen. Die russische Regierung muß allerdings Sorge dafür tragen, daß durch die Verminderung des - sicherheitspolitischen - Risikos keine neuen - ökologischen - Risiken entstehen. In den eigentlichen Abrüstungs- und Außerdienststellungsprozeß, der auf bilateralen Verträgen zwischen den beiden Nuklearmächten USA und Rußland beruht, kann und will die Bundesregierung nicht eingreifen. Sie arbeitet aber mit Rußland auf verschiedene Weise zusammen, um die Sicherheit von Nuklearanlagen in Rußland generell zu verbessern."281



    278 BGBl. 1997 II, 796. Das Vertragsgesetz erging am 7.1.1997, BGBl. 1997 II, 130.
    279 Umwelt Nr. 3/1997,119.
    280 BT-Drs. 13/7301 vom 21.3.97, 3 f.
    281 Ibid., 10.