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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1997


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XIV. Außenwirtschaftsverkehr und Welthandelsordnung

3. Sonstige Einzelfragen

     192. Im zweiten Ausschuß der VN-Generalversammlung nahm der Vertreter Luxemburgs im Namen der Europäischen Union Stellung zu einem Resolutionsentwurf mit dem Titel "Unilateral economic measures used as a means of political and economical coercion against developing countries."319 Die Stimmenthaltung der Mitgliedstaaten der Europäischen Union begründete der Vertreter Luxemburgs wie folgt:

"Economic measures must be in keeping with the principles of international law, as laid down in the United Nations Charter, and with the broadest interpretation of the principles of the multilateral trading system set up by the World Trade Organisation. Unilateral coercive economic measures that violated international law must not be taken against any member of the International Community; such measures were not acceptable. It was regrettable that the draft resolution focused almost entirely on the adoption of such measures against developing countries; it was to be hoped that if a new text was submitted at the 45th Session of the General Assembly the debate under the corresponding item would lead to inclusion of those points."320

     193. Im Berichtszeitraum nahm die Bundesregierung mehrfach Stellung zu Fragen der auf Ebene der OECD laufenden Verhandlungen zu einem Multilateral Agreement on Investments (MAI). Im Hinblick auf die begrenzte Freistellung von regionalen Wirtschaftszonen vom Diskriminierungsverbot (sog. REIO-Klausel) führt die Bundesregierung aus, daß mit der besagten Klausel sichergestellt werden solle, daß der weitere Integrationsprozeß der Europäischen Gemeinschaft durch das MAI nicht behindert werde. Zu diesem Zwecke sehe die REIO-Klausel vor, daß die Mitglieder einer regionalen Wirtschaftsorganisation nicht dazu verpflichtet sind, über die MAI-Meistbegünstigungsklausel sämtliche internen Liberalisierungsvorteile an Niccfmitglieder der Organisation weiterzugeben. Die Bundesregierung trage diesen Grundsatz mit. Gleichzeitig gibt die Bundesregierung an, sie setze sich dafür ein, daß die REIO-Klausel einen möglichst engen Anwendungsbereich erhalte und nur solche Liberalisierungsmaßnahmen erfasse, die tatsächlich integrationsbedingt seien.

     Weiter führt die Bundesregierung aus, sie lehne eine allgemeine Ausnahmeklausel für kulturelle Angelegenheiten ab. Investitionen im kulturellen Bereich sollten vom MAI nicht in geringerem Umfang geschützt werden als Investitionen in anderen Sektoren. Allerdings wäre es grundsätzlich hinnehmbar, wenn einzelne Vertragspartner für den Kulturbereich länderspezifische Ausnahmen von den MAI-Verpflichtungen anmelden. Auf die Frage nach einer möglichen Vorschrift zum Schutz völkerrechtswidrig enteigneten Vermögens ("Helms-Burton-Thematik") bringt die Bundesregierung ihre Unterstützung von derzeitigen Bemühungen zum Ausdruck, gem. dem "Memorandum of Understanding" zwischen den USA und der EG-Kommission Vorschläge für eine MAI-Vorschrift zum Schutz von völkerrechtswidrig enteignetem Vermögen auszuarbeiten. Dabei gehe es um Bestimmungen, welche es Investoren künftig erschweren, Vermögensgegenstände zu erwerben, die völkerrechtswidrig enteignet worden sind.321

     Nach Einschätzung der Bundesregierung könne es realistischerweise nicht erwartet werden, daß es bereits im Rahmen der laufenden MAI-Verhandlungen zu einem umfassenden Abbau der derzeit in den einzelnen OECD-Staaten noch bestehenden Diskriminierungen bei der Zulassung von ausländischen Investoren komme. Die Bundesregierung betrachte dies vielmehr als einen längerfristigen Prozeß, der durch das MAI angestoßen und zu einer ständigen Aufgabe gemacht werden sollte. Dies gelte vor allem für sektorspezifische Ausnahmen wie z. B. im Banken- oder Transportwesen. Dagegen sollten nach Auffassung der Bundesregierung funktionale Ausnahmen, wie etwa bei Privatisierungen oder Demonopolisierungen, möglichst unterbleiben. Nach Auffassung der Bundesregierung ist es nicht sinnvoll, parallel zu den derzeit im Rahmen der WTO laufenden Verhandlungen über die Liberalisierung des Marktes für Finanzdienstleistungen, in deren Rahmen von den USA, der EU, Japan und Ungarn Angebote vorgelegt worden sind, parallel MAI-Verhandlungen zu demselben Thema durchzuführen. Nach Abschluß der WTO-Verhandlungen werde zu prüfen sein, ob es genüge, das Ergebnis in das MAI zu übernehmen oder ob im letzteren noch weitergehende Liberalisierungsschritte realisierbar erscheinen.322

     Nach Auskunft der Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine parlamentarische Kleine Anfrage ist es Ziel der Verhandlungen, verläßliche Rahmenbedingungen für ausländische Investitionen auf der Grundlage von Inländerbehandlung und Meistbegünstigung zu schaffen. Zu diesem Zweck sehe das MAI ein Diskriminierungsverbot bei der Zulassung ausländischer Investoren sowie Regeln zum Schutz niedergelassener Investoren vor. Letztere lehnten sich weitestgehend an den Inhalt einer Vielzahl seit langem bestehender bilateraler Investitionsförderungs- und -schutzverträge an. Danach enthalte das MAI Vorschriften zum Schutz vor Enteignungen, zur Sicherung des freien Kapitaltransfers, zur Entschädigung bei Kriegs- und Bürgerkriegsschäden sowie Regeln für einen verbindlichen Streitschlichtungsmechanismus. Das MAI sei weder eine "Verfassung" noch eine "Charta der Rechte und Freiheiten" für transnationale Unternehmen, sondern fördere und schütze die Auslandsengagements gerade auch von kleinen und mittleren Unternehmen.323

     Das MAI werde interessierten Nicht-OECD-Mitgliedstaaten zum Beitritt offenstehen und stelle einen ersten Schritt zu einem weltweiten "GATT für Investitionen" dar. Nach Auffassung der Bundesregierung kann das MAI als Modell für ein die Handelsregeln ergänzendes globales Investitionsabkommen im Rahmen der WTO gelten.324

     Die Bundesregierung betont, daß das MAI kein Einfallstor für die Senkung von Sozial- und Umweltstandards darstelle:

"Die im Ausland tätigen Unternehmen unterliegen auch künftig im vollen Umfang der nationalen Gesetzgebung. Insbesondere haben die Unternehmen die im Gastland geltenden Sozial- und Umweltstandards zu beachten. Das MAI gibt ihnen kein Recht, eine Absenkung der jeweiligen nationalen Sozial- und Umweltvorschriften zu fordern. Im Gegenteil: Das MAI untersagt den Gaststaaten, ihre Sozial- und Umweltstandards zu senken, um hierdurch gezielt ausländische Investitionen anzulocken."325

     Den Mitgliedstaaten werde insofern lediglich untersagt, ausländische Investoren weniger günstig als inländische Unternehmen zu behandeln, sowie ihre nationalen Umwelt- und Sozialstandards zum Zwecke der Anwerbung ausländischer Investitionen abzusenken. Auch bei Beschäftigung und Verbraucherschutz unterlägen die Unternehmen dem Recht des jeweiligen Gaststaates.

     194. Im Berichtszeitraum leitete die Bundesregierung das Gesetzgebungsverfahren für ein Zustimmungsgesetz zu dem Unidroit-Übereinkommen vom 28. Mai 1988 über das internationale Factoring ein. Damit soll der immer stärker werdenden Bedeutung des internationalen Factoring Rechnung getragen werden und der Behinderung der Durchführung von internationalen Factoring-Verträgen durch die Unterschiedlichkeit insbesondere des Rechts der Forderungsabtretung entgegengewirkt werden. Durch die Annahme des Unidroit-Übereinkommens sollen einheitlich rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die auch das Gleichgewicht zwischen den Interessen der verschiedenen Parteien eines Factoring-Vertrages wahren.326

     195. Über die Schwierigkeiten, eine Datenschutzklausel in Doppelbesteuerungsabkommen mit bestimmten anderen Staaten unterzubringen, informierte die Bundesregierung am 15. Januar 1997 den Finanzausschuß. Demnach soll für künftige Vertragsverhandlungen zu Doppelbesteuerungsabkommen weiterhin an der bisherigen Musterklausel der OECD festgehalten werden, insbesondere im Hinblick auf die Regelungen zur Zweckbindung der Daten. Nach Auskunft der Bundesregierung gelte dies entsprechend für weitere Übermittlungen von Daten an andere Stellen. Mit Umsetzung der EG-Richtlinie zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr in das nationale Recht ergebe sich ab 1999 eine neue Situation. Für den Verkehr mit anderen EU-Mitgliedstaaten könnten dann Forderungen, die über den Stand der Richtlinie hinausgingen, nicht mehr gestellt werden. Im Hinblick auf andere Staaten müsse an der OECD-Musterklausel festgehalten werden. Nach der europäischen Richtlinie seien Übermittlungen personenbezogener Daten an Nicht-EU-Staaten grundsätzlich nur dann zulässig, wenn ein angemessenes Datenschutzniveau im Empfängerland vorliege. Davon könne im Einzelfall abgesehen werden, wenn ein "besonders wichtiges öffentliches Interesse" einen Datenaustausch gebiete. Generell sei es schon jetzt möglich, auch die modifizierte Musterklausel je nach Datenschutzniveau des betroffenen Verhandlungspartners und mit Rücksicht auf die Bedeutung des Abkommens im Einzelfall hinsichtlich einzelner Regelungen zu ändern. 327



    319 UN Doc. A/C.2/52/L.23/REV. 1.
    320 UN Doc. A/C.2/52/SR.47,3.
    321 BT-Drs. 13/8396 vom 15.8.97, 18.
    322 Ibid., 19 f.
    323 BT-Drs. 13/9549 vom 29.12.97, 4.
    324 Ibid., 2.
    325 Ibid., 4.
    326 BT-Drs. 13/8690 vom 7.10.1997, 16.
    327 WIB 1/97, 32.