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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1997


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Roland Bank


XVII. Friedenssicherung und Kriegsrecht

2. Friedenstruppen internationaler Organisationen

     257. Anläßlich einer parlamentarischen Anfrage unterrichtete die Bundesregierung über die mögliche Meldung von Bereitschaftstruppen zum Zwecke des Einsatzes im Rahmen von VN-Missionen:

"Der Generalsekretär der VN stellt in seinem Bericht vom 24. Dezember 1996 zum Stand der Verfügungsbereitschafts Stand-by-vereinbarungen fest, daß solche Vereinbarungen es dem Sekretariat ermöglichen sollen, über genaue Angaben zu Truppen und sonstigen Unterstützungsleistungen zu verfügen, die Mitgliedstaaten zu einem bestimmten Zeitpunkt bereitstellen könnten, soweit sie einer friedenserhaltenden Maßnahme zustimmen, und erwähnte Deutschland als einen von 62 Mitgliedstaaten, die nach dem Stand vom 30. November 1996 ihre Teilnahme an diesem System bestätigt hatten.

Die Bundesregierung hatte unmittelbar nach der endgültigen Klärung der verfassungsrechtlichen Voraussetzungen durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Juli 1994 am 5. August 1994 ihren Beitritt zum System der Verfügungsbereitschaft erklärt. In diesem Rahmen wurde dem VN-Sekretariat mit Verbalnote der ständigen Vertretung vom 19. September 1996 zivile Kapazitäten auf den Gebieten Minenräumung, Sanitätswesen und psychologische Betreuung zur Einbringung in das Verfügungsbereitschaftssystems benannt. (...) nach dem 19. September 1996 wurden weitere Zusagen nicht mehr gegeben.

Zum Grundsatz des Verfügungsbereitschaftssystems ist festzustellen, daß es in seinem Rahmen bisher drei Möglichkeiten der Konkretisierung der jeweiligen potentiellen nationalen Beiträge gibt: Die Benennung spezieller Kapazitäten, die Quantifizierung des erforderlichen Lufttransportvolumens und der Abschluß eines noch spezifischeren Memorandums of Understanding. Die oben erwähnte Benennung ziviler Kapazitäten durch die Bundesregierung ist als Nutzung der ersten dieser Optionen zu sehen. Eine weitere Konkretisierung ist derzeit nicht beabsichtigt.

Unabhängig vom Grad der Konkretisierung bleibt jedem am Verfügungsbereitschaftssystem teilnehmenden Staat das Recht vorbehalten, eine konkrete Aufforderung des Sekretariats zur Teilnahme an einer friedenserhaltenden Maßnahme abzulehnen - wovon auch durchaus häufig Gebrauch gemacht wird. Für die Bundesregierung bleibt auch im Rahmen ihrer Teilnahme am Verfügungsbreitschaftssystem das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Juli 1994 maßgeblich, daß für jeden Einsatz bewaffneter Streitkräfte die - grundsätzlich vorherige - konstitutive Zustimmung des Deutschen Bundestages einzuholen ist.

In jedem Fall ist und bleibt die Bundesregierung bereit, jede Einzelanfrage des VN-Sekretariats zur Beteiligung an einer friedenserhaltenden Maßnahme wohlwollend zu prüfen."455

     258. Im Rahmen einer Stellungnahme im vierten Ausschuß der Generalversammlung der Vereinten Nationen forderte der Vertreter Luxemburgs im Namen der Europäischen Union die Einbettung von friedenserhaltenden Operationen der Vereinten Nationen in sonstige friedenschaffende Maßnahmen:

"The success of peacekeeping operations depended on the proper functioning of the mechanisms for ensuring co-operation between the civilian and military components of national and international organisations. In that connection, a comprehensive approach to the consideration, planning and implementation of both peacekeeping operations themselves and the entire range of related activities, including preventive diplomacy, the imposition of peace, peace-building, reconciliation and post-conflict recovery, was of great importance. Peacekeeping operations must have specific mandates, achievable objectives and clear command structures. The growing complexity of multifunctional operations made it necessary to enhance co-ordination between their various components as well as the corresponding subdivisions of the organisation."456

     Weiter hebt der Vertreter Luxemburgs die zentrale Rolle von zivilen Polizeikräften im Rahmen von friedenserhaltenden Maßnahmen hervor:

"An increasing role in peacekeeping operations was being played by civilian police, who assisted local police forces in restoring public order, upholding the rule of law and promoting civil reconciliation. That was all the more important in that modern peacekeeping operations were not confined solely to peacekeeping activities, but also included humanitarian components. In that connection the European Union hoped that the civilian police unit within the department would be strengthened (...)."457

     259. Im Rahmen ihrer Antwort auf eine parlamentarische Kleine Anfrage über mutmaßliche Mißstände beim internationalen Polizeieinsatz in Ex-Jugoslawien ging die Bundesregierung auf Fragen der Koordinierung zwischen den Vereinten Nationen und den nationalen Behörden ein:

"Die offizielle Lageinformation der VN an die polizeistellenden Nationen liegt ausschließlich in der Zuständigkeit der Vereinten Nationen und erfolgt auf dem dafür vorgesehenen diplomatischen Weg. Die deutschen Polizeibeamtinnen und -beamten haben grundsätzlich die Meldevorschriften und -wege der Vereinten Nationen zu beachten (...).

Dem von der Bundesregierung im Rahmen der Fürsorgepflicht für die deutschen Polizeibeamten für zwingend erforderlich gehaltenen nationalen Informationsbedürfnis wurde auf deutschen Antrag von den Vereinten Nationen insoweit entsprochen, als ein Beamter des Kontingents zu bestimmen war ('focal point'), der mit den nationalen Behörden in regelmäßigen Kontakt stehen, grundlegende Informationen sammeln und diese in Absprache mit dem zuständigen IPTF-Sprecher an die nationalen Behörden weitergeben durfte.

Als zuständig und verantwortlich für die Erfüllung des nationalen Informationsbedürfnisses wurde der Leiter des deutschen Kontingents bestimmt. Er gewährleistet die erforderliche Information des BMI durch wöchentliche Lage- sowie Sofortmeldungen.

Die Sofortmeldung ist umgehend telefonisch vorab sowie schriftlich im Nachgang der Fernschreiben oder Telefax dem BMI insbesondere in folgenden Fällen vorzulegen:

- Tod, Unfall, Verletzung sowie schwere Krankheit eines Angehörigen des deutschen Kontingents,

- sonstige schwerwiegende Fürsorgegründe, die ggf. den Einsatz eines Kriseninterventions-teams erforderlich machen, sowie

- disziplinar/strafrechtlich relevante Vorfälle."458



    455 BT-Drs. 13/8409 vom 22.8.97, 1 f.
    456 UN Doc. A/C.4/52/SR.14, 8.
    457 Ibid.
    458 BT-Drs. 13/7979 vom 16.6.97, 7.