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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1997


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Roland Bank


XVII. Friedenssicherung und Kriegsrecht

5. Humanitäres Völkerrecht

     266. Der Vertreter der Niederlande nahm im Namen der Europäischen Union vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen Stellung zu der humanitären Situation in Tadschikistan:

"The European Union shares the deep concern at the worsening humanitarian situation in Tajikistan. The European Union has been among the main contributors of humanitarian assistance in response to appeals. It is with regret, therefore, that we note that efforts to deliver such assistance have been seriously impeded by the continuing civil war by the security situation, manifested in the hostage-taking of United Nations and other international personnel, and by the use of landmines. We remain particularly concerned about the humanitarian consequences of the use of anti-personal landmines on a civil population and on the prospects for development."474

     267. Mit Gesetz vom 18. April 1997 hat der Bundestag dem Protokoll über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes von Minen, Sprengfallen und anderen Vorrichtungen (Protokoll II) in der am 3. Mai 1996 geänderten Fassung zu dem Übereinkommen vom 10. Oktober 1980 über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können sowie dem Protokoll über blindmachende Laserwaffen (Protokoll IV) zu demselben Übereinkommen zugestimmt.475

     Wie die Bundesregierung in der Begründung zu ihrem Gesetzentwurf ausführt, geht das revidierte Minenprotokoll (Protokoll II) in Umfang und Komplexität deutlich über das Minenprotokoll von 1980 hinaus. Neu hinzugekommen seien Vorschriften über Transferverbote und -beschränkungen (Art. 8), über die Verantwortlichkeit für verlegte Minen (Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Art. 10), über technologische Zusammenarbeit und Hilfe (Art. 11), über die Durchführung von Konsultations- und Kooperationsmaßnahmen bei der Umsetzung des Protokolls (Art. 13) sowie über die Ahndung von Vertragsverletzungen (Art. 14). Schwerpunkt der Bestimmungen bilden nach wie vor die verschiedenen Einsatzbeschränkungen und Einsatzverbote (Art. 3-7) sowie die begleitenden Sorgfaltsmaßnahmen (Art. 3, 9). Zweck der vorgenommenen Änderungen sei es gewesen, den Schutz der Zivilbevölkerung zu verbessern.476

     Im Hinblick auf das Laserwaffenprotokoll (Protokoll IV) hebt die Bundesregierung in ihrer Gesetzesbegründung dessen historische Dimension hervor:

"Mit dem Laserwaffenprotokoll wurde die erste spezielle vertragliche Regelung über den militärischen Einsatz von Laserwaffen und Lasersystemen vereinbart. Mit der Annahme des Laserwaffenprotokolls wurde zum ersten Mal seit dem Verbot der Verwendung von Explosivgeschossen 1868 eine militärische Waffe verboten, bevor sie im Gefechtsfeld eingesetzt wurde. Zugleich konnte ein korrespondierendes uneingeschränktes Transferverbot erreicht werden, das eine Proliferation der Waffe ausschließt."477

     Verifikationsregelungen waren beim neuen Laserwaffenprotokoll ebenso wie beim Minenprotokoll nicht konsensfähig, wie die Bundesregierung betont.478

     Zu dem Umfang des Verbots von Laserwaffen führt die Bundesregierung folgendes aus:

"Das Laserwaffenprotokoll sieht kein Verbot in dem Sinne vor, daß ein bewußter und methodischer Einsatz von gerichteter Energie gegen lebende Ziele, der zu einer permanenten Erblindung führt, als völkerrechtswidrig eingestuft wird. Statt dessen beinhaltet Art. 1 ein Verbot bestimmter Waffen der Kriegsführung. Darin ist eine konsequente Anwendung des gewohnheitsrechtich geltenden Verbots zu sehen, Waffen einzusetzen, die überflüssige Verletzungen oder unnötige Leiden verursachen. Das ebenfalls gewohnheitsrechtlich geltende korrespondierende Verbot für Methoden der Kriegsführung wurde im Zusammenhang mit der Lasertechnologie hingegen nicht vertraglich konkretisiert."479

     268. In einem weiteren Schritt zur Bekämpfung von Anti-Personen-Minen hat die Bundesregierung am 3. September 1997 in Ottawa das Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Anti-Personen-Minen und über deren Vernichtung unterzeichnet. Das Zustimmungsgesetz erging am 30. April 1998.480

     269. Weiterhin ist ein Ratifizierungsgesetz ergangen zu der Änderung des Anhangs I des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll I) ergangen.481

     270. In ihrer Antwort auf eine schriftliche parlamentarische Anfrage erläutert die Bundesregierung ihre Maßnahmen im Bereich des humanitären Minenräumens im Jahre 1997. Sie weist darauf hin, daß neben der eigentlichen Minenräumung auch Schulungs-, Aufklärungs- und Beratungsmaßnahmen wie die Bereitstellung von technischen Geräten (Suchsonden, Spezialgeräte, Schutzkleidung) Schwerpunkte der bilateralen Minenräumung bilden. Wie die Bundesregierung weiter berichtet, sei für 1997 vorgesehen, Minenräumprojekte in Afghanistan, Angola, Guatemala/Nicaragua, Laos, Mosambique sowie Ostslawonien weiter zu führen.482

     271. Aus Anlaß einer parlamentarischen Kleinen Anfrage zum Thema der Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland im Bereich der Krisenprävention durch humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit legte die Bundesregierung ihre Grundprinzipien im Bereich der humanitären Hilfe dar:

"Die '12 Grundregeln der humanitären Hilfe im Ausland' enthalten die wichtigsten Kernaussagen zur Identität der deutschen humanitären Hilfe, zur Geschäftsgrundlage und dem Fehlen der Zusammenarbeit, die sich hier zwischen Hilfsorganisationen und staatlichen Stellen entwickelt und zu deren Einhaltung sich alle Teilnehmer in freier Selbstverpflichtung bekannt haben.

Zur Grundordnung dieser Zusammenarbeit gehören

- die internationalen Grundsätze der humanitären Arbeit, wie sie sich insbesondere im Rahmen der internationalen Rotkreuzbewegung herausgebildet haben und wie sie hier auch heute noch fortentwickelt werden;

- Regeln, die insbesondere von den Hilfsorganisationen selbst für notwendig gehalten werden, um einem möglichst großen und vor allem immer auch offenen Kreis von großen und kleinen Hilfswerken sowie auch von spontan entstandenen - vielfach besonders bürgernahen - Initiativen eine Mitwirkung zu ermöglichen, die es erlaubt, die eigene Individualität und Eigenständigkeit zu wahren und die besonderen eigenen Kapazitäten und Hilfsmöglichkeiten in ein gemeinsames humanitäres Anliegen einzubringen;

- Regelungen und Grundsätze, die der praktischen Effizienz der humanitären Hilfe dienen und die Fähigkeit zu gezielten, die Opfer einer humanitären Notlage schnell erreichenden und ihnen auch wirklich helfenden Aktionen sicherstellen sollen.

Als wesentliche Elemente der deutschen humanitären Hilfe ergeben sich hieraus vor allem

- ein besonders pluraler Charakter unserer Hilfe,

- eine Organisation, in deren Mittelpunkt als die eigentlichen Träger und Akteure der humanitären Hilfe die Hilfsorganisationen stehen, die hierbei durch ihre jeweils spezifischen internationalen Partner unterstützt werden, und

- die Subsidiarität der Rolle des Staates."483

     272. Auf eine schriftliche parlamentarische Anfrage nach der Rolle des humanitären Völkerrechts in der Aus- und Fortbildung von Unteroffizieren und Offizieren und von Wehrpflichtigen führt die Bundesregierung folgendes aus:

"Das Soldatengesetz schreibt vor, daß die Soldaten der Bundeswehr über ihre völkerrechtlichen Pflichten und Rechte im Frieden und im Krieg zu unterrichten sind (§ 33 Abs. 2 des Soldatengesetzes). Diese Unterrichtung findet sowohl in der allgemeinen Grundausbildung als auch in allen Laufbahnlehrgängen der Offiziers- und Unteroffiziersausbildung, wie auch vor Einsätzen wie IFOR und SFOR statt. Zur speziellen Weiterbildung treten die Streitkräfte am Zentrum innere Führung den Lehrgang Humanitäres Völkerrecht und militärische Operationsführung an. Der Lehrgang dient dazu, die Kenntnisse im 'humanitären Völkerrecht in bewaffneten Konflikten' zu erweitern und zu vertiefen sowie den Stellenwert dieses Rechtsgebietes für die allgemeine militärische Ausbildung, Operationsführung und Taktik zu verdeutlichen. Der Lehrgang hat eine Dauer von 4 Tagen und kann beliebig oft wiederholt werden."484



    474 General Assembly, 51st session, 97th plenary meeting, 25.4.1997, 3.
    475 BGBl. 1997 II, 806.
    476 BT-Drs. 13/6916 vom 7.2.1997, 30.
    477 Ibid.,37.
    478 Ibid.
    479 Ibid.
    480 BGBl. 1998 II, 778.
    481 BGBl. 1997 II, 1366.
    482 BT-Drs. 13/6665 vom 3.1.97, 3 f.
    483 BT-Drs. 13/7226 vom 18.3.97, 1 f.
    484 BT-Drs. 13/7455 vom 18.4.97, 3.