Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Logo Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

Sie befinden sich hier: Publikationen Archiv Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland 1998

Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1998


Inhalt | Zurück | Vor

Karen Raible


I. Völkerrechtsquellen, Grundlagen der völkerrechtlichen Beziehungen

    1. Internationaler Strafgerichtshof

    Vom 15. Juni bis zum 17. Juli 1998 fand in Rom eine Staatenkonferenz der Vereinten Nationen zur Errichtung eines Internationalen Strafgerichtshofs statt.1 Die Verhandlungen waren von erheblichen Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung des zu errichtenden internationalen Strafgerichtshof geprägt. Diese betrafen vor allem die Frage der Zuständigkeit und Reichweite des künftigen Internationalen Strafgerichtshofs, insbesondere im Verhältnis zur nationalen Strafgerichtsbarkeit und zum Sicherheitsrat, sowie die nähere Ausgestaltung der Pflichten zur Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof. Im wesentlichen standen sich bei der Konferenz zwei unterschiedliche Ansätze gegenüber. Während manche Staaten die Schaffung eines eher schwachen Strafgerichtshof anstrebten, dessen Tätigwerden möglichst von der Einzelfallerlaubnis betroffener Staaten oder des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen abhängen sollte, verfolgten die sogenannten "gleichgesinnten Staaten" das Ziel eines möglichst effektiven und unabhängigen Strafgerichtshofs, der nach dem Grundsatz der Komplementarität immer dann Strafgerichtsbarkeit ausüben sollte, wenn die national zuständigen Organe entweder als unfähig oder unwillig zur Durchführung der Strafverfolgung erwiesen.

    Die Bundesrepublik Deutschland forderte zusammen mit der Gruppe der "gleichgesinnten Staaten" einen starken, unabhängigen und wirksamen Internationalen Strafgerichtshof. In einer Ansprache zu Beginn der Konferenz am 16. Juni 1998 in Rom wiederholte der Bundesminister der Justiz Schmidt-Jortzig noch einmal die deutschen Grundpositionen:

"Die deutschen Grundpositionen - die Grundbausteine für den Gerichtshof - sind bekannt und unverändert. Wir setzen uns ein
- für einen Gerichtshof mit universaler Zuständigkeit für die Kernverbrechen, einschließlich der Kriegsverbrechen in internen Konflikten,
- für den Grundsatz der Komplementarität,
- einen unabhängigen Ankläger und
- eine strikte und vorbehaltlose Verpflichtung zur Zusammenarbeit.
- Außerdem wiederholen wir unseren Vorschlag, das Verbrechen des Angriffskrieges in die Liste der Kernverbrechen aufzunehmen, wobei allerdings die Rolle des Sicherheitsrates nach der Charta der Vereinten Nationen zu berücksichtigen ist. Die Definition dieses Verbrechens sollte sich im Einklang mit historischen Präzedenzfällen auf offensichtliche und unstreitige Fälle von Angriffskriegen konzentrieren. Ich weiß, daß die Verhandlungen hier schwierig sein werden und daß in den nächsten fünf Wochen unzählige Detailfragen zu regeln sein werden. Lassen Sie mich vor allem zwei der schwierigsten Punkte herausheben, die für uns besonders wichtig sind:

Die automatische Jurisdiktion bei den Kernverbrechen und die Unabhängigkeit des Anklägers. Wenn der Internationale Strafgerichtshof seinen Namen verdienen soll, werden die Mitglieder der Völkergemeinschaft bereit sein müssen, seine Zuständigkeit für die Kernverbrechen zu akzeptieren. Ich glaube nicht, daß dies eine zu große Zumutung für die Staaten ist: In einer eng miteinander verknüpften Welt und einer globalen Gesellschaft ist der eigenen Souveränität durch die Bereitschaft zur Zusammenarbeit besser gedient als durch den zum Scheitern verurteilten Versuch, sich isoliert zu behaupten. Im Rahmen des Prinzips der Komplementarität, wie es bereits im Entwurf verankert ist, geben wir nicht unsere nationale Souveränität an eine fremde Instanz auf. Vielmehr erfüllen wir schlicht unsere Pflicht gegenüber der internationalen Gemeinschaft, indem wir die Lücken schließen, durch die die schlimmsten Verbrecher bisher schlüpfen konnten. Deutschland setzt sich für das Prinzip der universellen Jurisdiktion des Gerichtshofs über die Kernverbrechen ein, um die Herrschaft des Rechts in den internationalen Beziehungen zu fördern. Es gibt keine Ausnahmen für diese Herrschaft des Rechts: Sie gilt unterschiedslos für alle, oder sie gilt gar nicht. Deswegen kann es keinen Kompromiß geben, der dazu führt, daß ein Staat es sich selbst aussuchen darf, wann er sich und seine Staatsangehörigen dem Recht unterwirft und wann er sich darüber hinwegsetzt.

Ebensowenig darf es den einzelnen Staaten überlassen bleiben, ob eine Angelegenheit überhaupt vom Ankläger untersucht werden kann. Eine angemessene richterliche Überwachung auch in der Ermittlungsphase ist notwendig, aber abgesehen davon sollten wir es dem Ankläger auch erlauben, ohne eine ausdrückliche Aufforderung durch einen Staat tätig zu werden. Wir sollten nicht vergessen, daß die Staatengemeinschaft den Ankläger wählt, um durch die Untersuchung und Bestrafung der schlimmsten Verbrechen die gemeinsamen Interessen aller zu verfolgen. Diese Interessen sind nicht davon abhängig, ob es die Diplomatie einem Staat gerade erlaubt, eine Anzeige zu erstatten. Ich bin mir sicher, daß sich alle Delegierten ihrer Verantwortung vor den künftigen Generationen bewußt sind. Von Rom muß das Signal ausgehen, daß die Zeiten, in denen die schlimmsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit straflos bleiben konnten, unwiderruflich vorbei sind. Ein Statut ohne Hintertüren und Vorbehalte, das einen starken, unabhängigen und wirksamen Gerichtshof errichtet, würde dieses Signal bedeuten, das längst überfällig ist."2

    Am 17. Juli 1998 wurde das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs von der Diplomatischen Bevollmächtigtenkonferenz der Vereinten Nationen zur Errichtung eines Internationalen Strafgerichtshofs mit 120 Stimmen, bei 21 Stimmenthaltungen und 7 Gegenstimmen in Rom verabschiedet.3 Gegen die Annahme des Statuts haben nach eigenem Bekunden unter anderem die Vereinigten Staaten, China und Israel gestimmt. Das Statut lag vom 17. Juli bis 17. Oktober 1998 in Rom zur Zeichnung auf und wird vom 18. Oktober 1998 bis zum 31. Dezember 2000 in New York zur Zeichnung liegen. Das Statut tritt am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf den 60. Tag nach Hinterlegung der 60. Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde beim Generalsekretär der Vereinten Nationen folgt. Die Bundesrepublik Deutschland hat das Statut am 10. Dezember 1998, dem 50. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, unterzeichnet.

    Das in 13 Teile und 128 Artikel unterteilte Statut definiert die einzelnen Verbrechen, regelt die Zuständigkeit, die Errichtung, den Aufbau und die Finanzierung des Gerichtshofs sowie die allgemeinen Strafrechtsprinzipien, die Strafen, das Strafverfahren, die Strafvollstreckung und die strafrechtliche Zusammenarbeit. Besonderer Wert wird auf die Beachtung rechtsstaatlicher Grundsätze (Bestimmtheitsgrundsatz, ne bis in idem, Rückwirkungsverbot, Rechte der beschuldigten Person) gelegt. Die Todesstrafe darf nicht verhängt werden.

    Inhaltlich bekräftigt und konsolidiert das Statut in vielen Bereichen das geltende Völkerrecht. In einigen Bereichen wurde Neuland betreten.

    Teil 1 des Statuts widmet sich der Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofs. Der Internationale Strafgerichtshof wird neben dem bereits in Den Haag ansässigen Internationalen Gerichtshof treten. Der künftige Internationale Strafgerichtshof soll durch ein besonderes Abkommen in eine enge Beziehung zu den Vereinten Nationen gebracht werden, ist jedoch nicht Teil der Vereinten Nationen, sondern eine selbständige Völkerrechtsperson.

    Teil 2 des Statuts enthält die der Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs unterliegenden Straftatbestände. Diese Straftatbestände, die Völkermord (Art. 6), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Art. 7) und Kriegsverbrechen (Art. 8) betreffen, bauen auf bereits vorhandenen Völkerrechtsinstrumenten und Quellen auf. Der Straftatbestand des Völkermords gemäß Art. 6 entspricht der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermords von 1948.4 Der Straftatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemäß Art. 7 hat sowohl das Statut des Internationalen Militärgerichtshofs in Nürnberg als auch die Statute der beiden ad hoc-Strafgerichtshöfe für das ehemalige Jugoslawien und für Ruanda zur Grundlage. Die insgesamt 50 einzelnen Straftatbestände des Straftatbestands der Kriegsverbrechen gemäß Art. 8 entstammen weitestgehend bekannten Instrumenten des humanitären Völkerrechts. Als Quellen für die Einzeltatbestände der Kriegsverbrechen können genannt werden:
- die vier Genfer Rot-Kreuz-Abkommen von 1949;5
- die Zusatzprotokolle I und II zu den Genfer Abkommen über den Schutz der Opfer bewaffneter Konflikte vom 8. Juni 1977;6
- das IV. Haager Abkommen vom 18. Oktober 1907 betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges, dem die Ordnung betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges (Haager Landkriegsordnung) als Anlage beigefügt ist;7
- die Erklärungen vom 29. Juli 1899 betreffend das Verbot der Anwendung von Geschossen mit erstickenden oder giftigen Gasen und das Verbot von Geschossen, die sich leicht im menschlichen Körper ausdehnen oder plattdrücken;8
- das Protokoll vom 17. Juni 1925 über das Verbot der Anwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im Krieg.9

    Teil 3 des Statuts befaßt sich mit den allgemeinen Grundsätzen des Strafrechts unter Berücksichtigung der bisherigen internationalen wie nationalen Rechtsprechung zum Völkerstrafrecht sowie der unterschiedlichen Strafrechtstraditionen. Im Zusammenspiel mit den Straftatbeständen des Statuts läßt dieser Teil einen Begriff der Völkerstraftat erkennen, der sich aus folgenden drei Merkmalen zusammensetzt: Verwirklichung der objektiven und gegebenenfalls speziellen Merkmale eines Völkerstraftatbestandes, Vorliegen der allgemeinen Anforderung an die subjektive Tatseite und Nichtverlegen eines Grundes für den Ausschluß der strafrechtlichen Verantwortlichkeit.

    Das in Teil 4 des Statuts geregelte Gerichtsverfassungsrecht führt die Organe des Internationalen Strafgerichtshofs (Präsidium, Berufungsabteilung, Hauptverfahrensabteilung, Vorverfahrensabteilung, Anklagebehörde, Kanzlei) auf, legt die Stellung und Wahl der Richter sowie die Einrichtung der Kammern fest.

    Die Teile 5, 6 und 8 des Statuts bilden zusammen die Grundzüge einer völkerrechtlichen Strafprozeßordnung, während Teil 8 des Statuts materiell die dem Internationalen Strafgerichtshof zur Verfügung stehenden Strafen, die Strafzumessung und die Konkurrenz von Verbrechen regelt.

    Teil 9 des Statuts widmet sich der besonders wichtigen Zusammenarbeit von Staaten und dem Internationalen Strafgerichtshof. Neu ist im Gegensatz zu bisherigen Regelungen, daß die Gründe, die Überstellung einer verdächtigen Person an den Internationalen Strafgerichtshof abzulehnen, stark begrenzt sind. Die Vertragsstaaten haben Rechtshilfemaßnahmen auf Ersuchen des Internationalen Strafgerichtshofs grundsätzlich durchzuführen, sofern nicht wesentliche Rechtsgrundsätze der eigenen Rechtsordnung entgegenstehen.

    Teil 10 behandelt die Vollstreckung von durch den Internationalen Strafgerichtshof verhängten Freiheitsstrafen durch die Vertragsstaaten. Die Teile 11 bis 13 des Statuts wenden sich Fragen der Versammlung der Vertragsstaaten sowie der Finanzierung des Internationalen Strafgerichtshofs zu.

Die Schlußakte der Diplomatischen Bevollmächtigtenkonferenz, die nach der Annahme des Statuts verabschiedet wurde, enthält insbesondere folgende Resolution:
- Resolution E zur Frage der künftigen Einbeziehung von Terrorismus- und Drogenverbrechen in die Gerichtsbarkeit, wobei diese Frage bei der ersten Überprüfungskonferenz, die gemäß Artikel 123 des Statuts sieben Jahre nach Inkrafttreten des Statuts einberufen wird, beraten werden soll;
- Resolution F als Grundsatzbeschluss über die Errichtung einer Vorbereitungskommission, welche nach einem vorgegebenen Arbeitsprogramm die erforderlichen Nebeninstrumente des Statuts erarbeiten soll.

    Bundesaußenminister Kinkel erklärte am 17. Juli 1998 vor Abschluß der diplomatischen Staatenkonferenz zur Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofs:

"Ich stelle mit Zufriedenheit fest, daß wesentliche Elemente der deutschen Verhandlungsposition Eingang in den Entwurf für das Gerichtshof-Statut gefunden haben:

1. Der Internationale Strafgerichtshof wird die nationalen Strafverfolgungsinstanzen ergänzen, und nicht etwa ersetzen. Nur wenn eine Strafverfolgung auf nationaler Ebene nicht möglich ist oder der Wille hierzu fehlt, soll der Internationale Strafgerichtshof aktiv werden (Prinzip der Komplementarität).

2. Der Internationale Strafgerichtshof wird sich auf die Aburteilung von Schwerstverbrechen konzentrieren. Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen werden als Verbrechenstatbestände im Statut definiert. Dabei erfaßt der Tatbestand des Verbrechens gegen die Menschlichkeit schwere Menschenrechtsverletzungen auch in Friedenszeiten, und als Kriegsverbrechen können auch bestimmte im Bürgerkrieg begangene Greueltaten geahndet werden.

3. Die Anklagebehörde kann von sich aus Ermittlungen aufnehmen und unterliegt hierbei nur der Kontrolle der Ermittlungskammer des Gerichts.

4. Der Internationale Gerichtshof wird seine Funktionen frei von politischer Einflußnahme ausüben können. Dabei werden die Zuständigkeiten des Weltsicherheitsrates für die Friedenssicherung gewahrt.

5. Die Vertragsstaaten werden mit dem Internationalen Strafgerichtshof umfassend zusammenarbeiten. Soweit erforderlich werden sie die innerstaatlichen Voraussetzungen hierfür zu schaffen haben. Den nationalen Sicherheitsinteressen wird dabei gebührend Rechnung getragen.

In einigen Punkten hätte ich mir weitergehende Regelungen gewünscht. So wird sich die von deutscher Seite befürwortete universelle Zuständigkeit des Gerichtshofs angesichts massiver Widerstände zunächst nicht durchsetzen lassen. Nach dem Entwurf kann der Gerichtshof seine automatische Jurisdiktion unter der Voraussetzung ausüben, daß entweder der Staat, auf dessen Territorium die Verbrechen begangen worden sind, oder der Heimatstaat des Täters Vertragspartei sind. Diese Beschränkung wird jedoch mit wachsender Anzahl von Vertragsbeitritten an Bedeutung verlieren.

Auch die erheblichen Meinungsunterschiede zur Definition des Verbrechens des Angriffskrieges werden sich bis zum Konferenzende nicht überbrücken lassen. Ich begrüße jedoch, daß dieses Verbrechen nicht zuletzt als Ergebnis der beharrlichen Bemühungen der Bundesregierung im Grundsatz Aufnahme in die Liste der Verbrechenstatbestände des Statuts gefunden hat. Die Bundesregierung wird sich weiterhin nachdrücklich für eine angemessene Verbrechensdefinition mit dem Ziel einsetzen, dem Internationalen Strafgerichtshof künftig die Aburteilung auch des Verbrechens des Angriffskriegs zu ermöglichen. Hierbei muß der besonderen Rolle und Verantwortung des VN-Sicherheitsrats für Sicherheit und Frieden Rechnung getragen werden."10

    Die Europäische Union gab am 23. Juli 1998 zum Ergebnis der Konferenz zur Errichtung eines Internationalen Strafgerichtshofs folgende Erklärung ab:

"Die Europäische Union billigt uneingeschränkt das Ergebnis der Konferenz von Rom, das in der von einer überwältigenden Mehrheit der Teilnehmerstaaten am 17. Juli 1998 angenommenen Satzung zum Ausdruck kommt. Zwar konnte nicht allen Erwartungen in vollem Umfang entsprochen werden, doch legt diese Satzung das Fundament für einen effizienten und glaubwürdigen Gerichtshof als eine Institution, die den Kampf dagegen, daß abscheulichste Verbrechen ungesühnt bleiben, und die Abschreckung vor dem Begehen solcher Verbrechen zur Aufgabe hat. Die Europäische Union begrüßt es, daß komplizierte und schwierige Fragen wie die Definition von Verbrechen, der Grundsatz der Komplementarität, die Tragweite der gerichtlichen Zuständigkeit, die Unabhängigkeit des öffentlichen Anklägers und die Beziehung zu den Vereinten Nationen in einer für alle EU-Mitgliedstaaten annehmbaren, befriedigenden Weise gelöst wurden.

Die Europäische Union ist sich sehr wohl bewußt, daß noch nicht alle Aufgaben zur Verwirklichung des Gerichtshofs erfüllt sind. Insbesondere muß die Vorbereitungskommission ihre in der Satzung vorgesehene Arbeit, wie z.B. Festlegung der Verfahrensordnung und Beweisregeln, noch leisten. Die Europäische Union will nach Kräften zur Erfüllung dieser Aufgaben beitragen. Die Europäische Union hofft, daß die erforderliche Zahl von 60 Ratifikationen bald erreicht wird, so daß der Gerichtshof seine Arbeit aufnehmen kann."11

    Zum Beitrag, den die Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Internationalen Strafgerichtshof in Zukunft leisten möchte, führte der deutsche Vertreter bei den Vereinten Nationen Kastrup in einem Treffen mit der EU-Kommissarin Bonino am 1. Oktober 1998 aus:

"We stand ready to co-operate closely with our EU partners, the like-minded and the NGOs to encourage all countries to sign and ratify the Statute soon. This includes our host country, the United States, which has contributed so much to the Rome conference and the preparation of the Statute. We will actively participate in the preparation of the resolution on the ICC in the 53rd General Assembly. We will undertake our best efforts to ensure that this resolution will give further momentum to the establishment of the court. And we will co-operate with you to guarantee a speedy and efficient work of the preparatory commission next year. Here a lot of work lies before us: draft rules of procedure and evidence, financial regulations, elaboration of a relationship agreement between the Court and the UN and so on.

Finally we will make sure that during our term of the EU Presidency the promotion of the ICC will be a matter of priority."12

    In der Generalversammlung der Vereinten Nationen nahm der deutsche Vertreter Westdickenberg am 22. Oktober 1998 Stellung zu der gemäß der Resolution F der Schlußakte der Diplomatischen Bevollmächtigtenkonferenz errichteten Vorbereitungskommission:

"The Preparatory Commission will have to use the time available in the best way possible: When elaborating the Rules of Procedure and Evidence, the 'elements of crimes' and all the other instruments in the Preparatory Commission, we all should refrain from getting entangled in too much detail. And we should try to work out compromises. We have to ensure the effectiveness of the procedures of the Court and its early and effective operation. Let's not forget this primary and most important goal of our negotiations. Obviously, the elaboration of the Rules of Procedure and Evidence will take most of the time of the Preparatory Commission. Here, we should trust the experts on procedural questions of the Rome Conference who are familiar with the subject and can elaborate proposals which concentrate on the necessities of the Court. On the other hand, we should not spend too much time discussing the so-called 'elements of crimes': In our view, the Statute itself already contains the necessary definitions of genocide, crimes against humanity and war crimes to enable the ICC to do its work. The 'elements of crimes' shall only (I quote from the Statute) 'assist the Court in the interpretation and application' of the relevant articles. Concerning the other instruments for the ICC (e.g. the relationship agreement between the Court and the UN, the financial regulations, the agreement on the privileges and immunities of the Court), we can build on the precedents of previously established international institutions. Therefore, we should be able to deal with these instruments in a relatively short time at the end of the Preparatory Commission."13

    2. Zur Frage des Selbstbestimmungsrechts der Völker äußerte sich der Vertreter &OAuml;sterreichs Manz im Namen der Europäischen Union im 3. Ausschuß der Generalversammlung am 23. Oktober 1998 wie folgt:

"The European Union believes that democracy and good governance are essential for the protection of all human rights. The holding of free and fair elections by secret ballot and universal suffrage is one of the prerequisites for actually implementing the right of a people to determine its own destiny. Free and fair elections are necessary for the establishment of a democratic order, but democratisation is a long term process and not a one-time event. Results of genuine elections must be respected; elected representatives must be allowed to take office; they must fulfil their mandate with full accountability. Today, the world speaks out unanimously against any change of government by undemocratic means, such as coups d'états, and does not accept regimes that rule against the expressed will of the people."14

    3. Im Berichtszeitraum setzten sich deutsche Vertreter im 6. Ausschuß der Generalversammlung der Vereinten Nationen mehrfach mit dem Bericht der Völkerrechtskommission über die Arbeit in ihrer 50. Sitzungsperiode auseinander. Die Stellungnahmen betrafen Kapitel IV des Berichts: International liability for injurious consequences arising out of acts non-prohibited by international law, Kapitel VII: State responsibility und Kapitel XI: Reservation to treaties.

    Im Zusammenhang mit der völkerrechtlichen Haftung für schädliche Folgen aus völkerrechtswidrigen Handlungen (Kapitel IV) begrüßte der deutsche Vertreter Westdickenberg am 28. Oktober 1998 zunächst die vorrangige Behandlung des Themas "Prevention of transboundary damage from hazardous activities". Dabei stellte er klar, daß die Artikel des von der Völkerrechtskommission erarbeiteten Entwurfs bestehende Regeln des Völkerrechts unbeschadet lasse:

"It clearly states that the present draft articles are without prejudice to the existence, operation or effect of any other rule of international law. In the view of my Government, this is an important clarification. We completely support the work of the ILC on a comprehensive set of articles providing a basis for the topic of 'Prevention of transboundary damage from hazardous activities'. On the other hand, we should admit other rules and developments in this area of international law and should be careful not to make premature commitments concerning this subject."15

    Im Rahmen des Beratungsgegenstandes der Staatenverantwortlichkeit (Kapitel VII) machte der deutsche Vertreter Westdickenberg am 28. Oktober 1998 im Hinblick auf Wiedergutmachung und Entschädigung geltend, daß die Bundesregierung mehr Wert auf allgemeine Grundsätze als auf detaillierte Regelungen lege. Die relative Komplexität des Themas könne nur dann befriedigend gelöst werden, wenn die Anwendung der Vorschriften genügend Flexibilität für Sonderfälle lasse.16

    Hinsichtlich der von der Völkerrechtskommission erarbeiteten Definition von Vorbehalten und Auslegungserklärungen (Kapitel XI) führte der deutsche Vertreter Hilger am 2. November 1998 kritisch aus:

"It should not be forgotten, however, that the majority of real problems generated by reservations and their consequences, including possible objections, as well as by interpretative declarations, do not involve the question of their definition. In this area of public international law an elaboration of highly complex definitions would not necessarily be of more than theoretical interest and might even be counterproductive from a practical viewpoint."17

    Statt dessen betonte er wie in vorangegangenen Berichtszeiträumen18 das Problem der Unzulässigkeit des Vorbehalts und forderte die Völkerrechtskommission auf, sich in ihrer 51. Sitzungsperiode auf diese Frage zu konzentrieren und überzeugende Lösungen zu finden.

    4. Zum Einsatz von Söldnern nahm die Bundesregierung in ihrer Antwort vom 8. Juni 1998 auf eine Schriftliche Parlamentarische Anfrage Stellung:

"Der Einsatz von Söldnern stellt aus Sicht der Bundesregierung grundsätzlich eine Verletzung der Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen dar. Er verletzt die Völkerrechtsgrundsätze der souveränen Gleichheit der Staaten, der territorialen Unversehrtheit und der politischen Unabhängigkeit der Staaten sowie das Recht der Völker auf Selbstbestimmung. Aus diesem Grund hat die Bundesregierung am 20. Dezember 1990 auch das Internationale Übereinkommen vom 4. Dezember 1989 gegen die Anwerbung, den Einsatz, die Finanzierung und die Ausbildung von Söldnern unterzeichnet. Das Übereinkommen ist noch nicht ratifiziert. Vor Ratifizierung bedarf es u.a. der Klärung, welche durch das Übereinkommen erfaßten Rechtstatbestände bereits nach deutschem Recht strafbar sind und ob im Rahmen des Ratifizierungsgesetzes neue strafrechtliche Vorschriften zu schaffen sind. Aus diesem Grund haben auch die meisten anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union bislang von einer Unterzeichnung bzw. Ratifizierung des Übereinkommens abgesehen."19

    5. In seiner Rede anläßlich des 350jährigen Jahrestages des Westfälischen Friedens in Münster am 24. Oktober 1998 erklärte Bundespräsident Herzog:

"Vor 350 Jahren saßen Repräsentanten der hier versammelten Völker an gleicher Stelle schon einmal zusammen. Damals war es etwas noch nie Dagewesenes und der Beginn von etwas ganz Neuem. Es war nicht nur eine Geburtsstunde der modernen Diplomatie, sondern auch das erste Beispiel für eine Zusammenarbeit fast aller europäischen Staaten. Der Westfälische Friede war der Beginn einer neuen Epoche Europas. Hier wurden Grundlagen einer Rechts- und Staatskonzeption gelegt, die bis heute gültig ist. Was hier festgelegt wurde, war Ausgangspunkt für rechtliche, politische und kulturelle Entwicklungen, die wir heute mit dem Begriff der europäischen Neuzeit verbinden."20



    1 Zahlreiche Informationen zu dieser Konferenz sind im Internet unter der Adresse http://www.un.org/icc/index.htm einsehbar. Vgl. zu früheren deutschen Stellungnahmen zur Schaffung eines Internationalen Strafgerichtshofs Roland Bank, VRPr. 1997, ZaöRV 59 (1999), 1133-1309, Ziff. 2.
    2 Bull. Nr. 44 vom 22.6.1998, 587 f.
    3 UN Doc. A/CONF.183/9.
    4 BGBl. 1954 II, 729.
    5 BGBl. 1954 II, 781.
    6 BGBl. 1990 II, 1550.
    7 RGBl. 1910, 5.
    8 RGBl. 1901, 474.
    9 RGBl. 1925 II, 405.
    10 Zahlreiche Pressemitteilungen, Reden, Namensartikel und Interviews für das Jahr 1998 befinden sich im Pressearchiv des Auswärtigen Amtes, das im Internet unter der Adresse http://www.auswaertiges-amt.de/6_archiv/index.htm eingesehen werden kann. Wird im folgenden auf das Pressearchiv des Auswärtigen Amtes Bezug genommen, so wird unter Hinweis auf die Quelle nur die genaue Adresse des Zitats genannt. Die hier zitierte Erklärung des Bundesau�enministers Kinkel befindet sich unter der Adresse http://www.auswaertiges-amt.de/6_archiv/98/p/P980717c.html. Vgl. hierzu auch den Kommentar von Kinkel, Der Internationale Strafgerichtshof - ein Meilenstein in der Entwicklung des Völkerrechts, NJW 1998, 2650 f. = Bull. Nr. 60 v. 14.9.1998, 766 ff.
    11 Bull. Nr. 53 vom 29.07.1998, 695 f.
    12 Zahlreiche Erklärungen und Reden der deutschen Vertreter bei den Vereinten Nationen aus dem Jahr 1998 sind von der ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei den Vereinten Nationen im Internet unter den Adressen http://www.germany-info.org/UN/un_state_98.htm bzw. http://www.undp.org/missions/germany/state.htm veröffentlicht worden. Wird im folgenden auf diese Veröffentlichungen Bezug genommen, so wird unter Hinweis auf die Quelle nur die genaue Adresse des Zitats genannt. Die hier zitierte Rede befindet sich unter der Adresse http://www.germany-info.org/UN/un_state_10_01_98.htm.
    13 Permanent Mission of Germany to the United Nations (Anm. 12): http://www.germany-info.org/UN/un_state_10_22_98.htm.
    14 Österreich hatte in der 2. Jahreshälfte von 1998 die Präsidentschaft der Europäischen Union inne. Die Stellungnahmen, die es in dieser Zeit im Namen der Europäischen Union abgegeben hat, wurden von der ständigen Vertretung Österreichs bei den Vereinten Nationen im Internet unter der Adresse http://www.undp.org/missions/austria/eurindex.htm veröffentlicht. Wird im folgenden auf diese Veröffentlichungen Bezug genommen, wird unter Hinweis auf die Quelle nur die genaue Adresse des Zitats genannt. Die hier zitierte Erklärung befindet sich unter der Adresse http://www.undp.org/missions/austria/r231098.htm.
    15 Permanent Mission of Germany to the United Nations (Anm. 12): http://www.germany-info.org/UN/un_state_10_28_98.htm.
    16 Ibid.
    17 Permanent Mission of Germany to the United Nations (Anm. 12): http://www.germany-info.org/UN/un_state_11_02_98.htm.
    18 Vgl. Bank (Anm. 1), Ziff. 5.
    19 BR-Drs. 13/11090.
    20 Bull. Nr. 72 vom 2.11.1998, 881.