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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1998


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Karen Raible


XII. Zusammenarbeit der Staaten

2. Wissenschaftlich-technische und kulturelle Zusammenarbeit

    108. Zum Thema "Internationale Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Hochschulstandortes Deutschland als Aufgabe deutscher Politik" beriet der Bundestag der 13. Wahlperiode in seiner 231. Sitzung am 24. April 1998 über drei Entschließungsanträge. In der Aussprache erklärte der Abgeordnete Kubatschka:

"Ausländische Studierende in Deutschland und deutsche Studenten im Ausland sind Botschafter deutscher Kultur. Sie werben für Verständnis für Deutschland. Sie sind natürlich auch Türöffner für die deutsche Exportindustrie. Das wäre aber viel zu kurz gesprungen. Entscheidend ist die kulturelle Frage. Das bestehende Potential im Ausland wie im Inland muß besser genutzt werden. Vor allem ehemalige ausländische Studenten müssen laufend betreut werden."215

    109. Im Rahmen einer Großen Anfrage ging die Bundesregierung am 5. Mai 1998 auf die kulturellen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu und die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit Indien ein.216 Nach Ansicht der Bundesregierung sind die deutsch-indischen Kulturbeziehungen umfangreich, intensiv und ausbaufähig. Obwohl sie keine spezifischen Defizite im Kulturaustausch mit Indien sehe, unterstütze sie eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Zusammenarbeit im wissenschaftlichen Bereich. Als Beispiele hierfür nannte sie die von der Hochschulrektorenkonferenz und der Association of Indian Universities im Februar 1997 unterzeichnete Vereinbarung über Hochschulzusammenarbeit, die Einrichtung eines Asien-Sekretariats bei der Hochschulrektorenkonferenz auf Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung sowie das von dem DAAD in Abstimmung mit der Hochschulrektorenkonferenz ins Leben gerufene Förderprogramm für fachbezogene Hochschulpartnerschaft mit Entwicklungsländern. Die Bundesregierung erklärte ferner, daß ein wesentlicher Teil des in ihrem Asien-Konzept geforderten verstärkten akademischen und wissenschaftlichen Austausches über die Programme von Mittlerorganisationen, vor allem des DAAD, abgewickelt werden.

    110. Durch Gesetz vom 26. August 1998 wurde dem Abkommen vom 16. Dezember 1993 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und dem Obersten Rat der Europäischen Schulen über die Europäischen Schulen in Karlsruhe und München zugestimmt.217 Das Gesetz in Verbindung mit dem Abkommen soll den Regelungsinhalt der Verordnung über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an den Europäischen Schulen in Karlsruhe und München vom 12. August 1985 inkorporieren und diese ablösen. Die Europäischen Schulen sind zwischenstaatliche öffentliche Lehranstalten, die den Kindern der Bediensteten der Europäischen Union eine angemessene Schulausbildung bieten. Sie vermitteln dabei eine Ausbildung in ihrer Sprache und Kultur und fördern das Erlernen von Fremdsprachen. Die Abschlußzeugnisse werden in allen Mitgliedstaaten anerkannt, und der Hochschulzugang für die Absolventen wird gewährleistet. Das Abkommen regelt die Überlassung der Schulen, ihren Unterhalt sowie die Vorrechte und Befreiungen der Schulen und ihrer Bediensteten auf den Gebieten des Steuer-, Sozial-, Devisen- und Melderechts. Weiterhin befreit Art. 8 des Abkommens von dem Erfordernis der Aufenthaltserlaubnis. Die ausländischen Bediensteten werden von der Anwendung der deutschen sozial- und sozialversicherungsrechtlichen Regelungen einschließlich der Regelungen über Kindergeld sowie der Beitrags- und Umlagepflicht nach dem Arbeitsförderungsgesetz freigestellt.

    111. Vor der Mitgliederversammlung des Goethe-Instituts sprach Bundesaußenminister Fischer am 26. November 1998 über die auswärtige Kulturpolitik der Bundesrepublik Deutschland:

"Auswärtige Kulturpolitik ist nicht nur das empirische Kennenlernen einer anderen Kultur, einer anderen Sprache, einer anderen Lebenswelt, sondern in hohem Maße auch das Kennenlernen anderer Werte. Dies soll nicht zu einem Werterelativismus, wohl aber zu einem fruchtbaren Diskurs führen. Wir diskutieren heute über den Eintritt in das Zeitalter der Globalisierung. Die einen haben es mit Hymnen begrüßt, die anderen haben sich davor gefürchtet. Ich glaube, beide Zugangsformen sind falsch. Es handelt sich hier um einen aus der Tiefe der historischen Entwicklung hervorbrechenden Prozeß, der in den Basisstrukturen von Wirtschaft und Gesellschaft angelegt ist, der technisch vorangetrieben wird und der jetzt sehr stark dazu führt, daß traditionelle Distanzen überwunden werden. Es entstehen damit neue Nähen und auch neue Konfrontationen. Chancen und Risiken sind meines Erachtens hier verteilt, und wir sollten uns auf das Gestalten der Chancen konzentrieren. Dieser Prozeß wurde zuerst unter dem Gesichtspunkt der Ökonomie gesehen, aber ich glaube, Globalisierung bedeutet viel mehr als nur die Globalisierung der Finanzmärkte. Die Ostasien-Krise, aber auch die russische Entwicklung haben gezeigt, daß eine freie Marktwirtschaft letztendlich eingebunden ist in ein umfassendes Institutionengefüge, um nicht zu sagen: in einen umfassenderen Wertezusammenhang von Freiheit.

Freiheit, gründend auf der Freiheit des Individuums, d.h. Achtung der Menschenrechte, und das ist für mich der entscheidende Punkt. Ich bin der festen Überzeugung, daß im Zeitalter der Globalisierung eine Neugestaltung der Außenpolitik für ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland die Menschenrechte viel stärker in den Vordergrund stellen muß. Und zwar nicht nur als moralische Herausforderung, wie es traditionellerweise der Fall war, sondern so, daß sich die notwendige Kultur der Freiheit, die auf den Menschenrechten gründet, umsetzt in ein funktionierendes Verständnis von Demokratie, von Gewaltenteilung, von Rechtsstaat, von der Unabhängigkeit der Justiz, von der Achtung der individuellen Freiheit, der Menschenwürde, der Organisationsfreiheit, der Koalitionsfreiheit. Es geht dabei um die elementare Wertefrage, auf der letztendlich der moderne demokratische Verfassungsstaat gründet. In unterschiedlichen historischen und kulturellen Ausprägungen zeigt sich, daß die freien Märkte eben nur als freie Märkte funktionieren können, wenn die Regeln der Freiheit umfassender definiert sind. Diese Regeln der Freiheit zu definieren im Zeitalter der Globalisierung wird die große Herausforderung für die internationale Politik des 21. Jahrhunderts werden und dabei gewinnt die auswärtige Kulturpolitik eine ganz spezifische und aus meiner Sicht auch neue Bedeutung.

Darin liegt die eigentliche Herausforderung, vor der die auswärtige Kulturpolitik steht - so wichtig Wirtschaftsförderung und Standortfragen auch in der auswärtigen Kulturpolitik und in der Außenpolitik sind - ich möchte sie nicht für gering schätzen. Wir sollten auch verstärkt die Kooperation mit der Wirtschaft suchen. Der Wettbewerb wird zum elementaren Ordnungsprinzip dieser globalisierten Welt werden. Aber das muß eingebettet sein in einen größeren Wertezusammenhang."218

    Zudem ging der Bundesaußenminister Fischer in seiner Rede auf die europäische Dimension der Kulturarbeit ein:

"Die Frage der Kooperation zwischen den verschiedenen nationalen Institutionen wird sich mit voranschreitender Integration im Wettbewerb stellen. Gerade in diesem Bereich wird klar: ein vereintes Europa wird nie ein homogenisierter kontinentaler Nationalstaat sein. Ich kann mir nicht vorstellen, daß am Ende ein babylonisches Institut oder eine Einigung auf eine Kultur stehen wird - das wird nicht funktionieren. Europa würde seinen Reichtum verlieren. Deswegen wird es Kooperation im Wettbewerb geben und das ist eigentlich die Architektur in einer europäischen Verfassung, auf die die Integration letztendlich hinausläuft. Im Kulturbereich ist eine verstärkte europäische Dimension gerade unter dem Gesichtspunkt der Integration der mittel- und osteuropäischen Länder in die EU von Bedeutung. Das Aufnehmen eines über viele Jahrzehnte ausgeschlossenen kulturellen Erfahrungsschatzes ist sehr, sehr wichtig. Wenn sie dann darüber hinaus mit aller Sensibilität und allem Verständnis gleichzeitig noch dazu beitragen können, ein Verständnis für die Frage der Rückgabe und des Erhalts von Kulturgütern zu schaffen, wäre viel erreicht. Wir tun uns sehr schwer in der Frage der Rückgabe von Kulturgütern an Deutschland. Ich bin der Meinung, wir sollten hier überhaupt nichts forcieren, mit der Brechstange gar, oder mit auftrumpfendem Fordern. Wir müssen dieses Thema besprechen - es drohen unschätzbare Verluste - , aber wir sollten es ruhig tun und in aller Sensibilität."219



    215 BT-PlPr. 13/231, 21201.
    216 BT-Drs. 13/10595, 11 f.
    217 BGBl. 1998 II, 2060.
    218 Pressearchiv des auswärtigen Amtes (Anm. 10): http://www.auswaertiges-amt.de/6_archiv/98/r/r981126a.htm.
    219 Ibid.