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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1998


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Karen Raible


XIII. Umwelt- und Naturschutz

6. Artenschutz und biologische Vielfalt

    153. Am 1. April 1998 verabschiedete das Bundeskabinett den vom Bundesumweltministerium vorbereiteten deutschen Nationalbericht über die Umsetzung des Übereinkommens über die biologische Vielfalt und bekräftigte seine Auffassung, daß dem Übereinkommen eine große Bedeutung zukomme. Mit der Vorlage des deutschen Nationalberichts an die 4. Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt wurden die Beschlüsse der 2. und 3. Vertragsstaatenkonferenz 1995 in Jakarta und 1996 in Buenos Aires erfüllt. Nach Auffassung des Bundesumweltministeriums dokumentiert der deutsche Nationalbericht die Anstrengungen der Bundesrepublik Deutschland, die genannten Ziele des Übereinkommens zu überreichen. Für die Erreichung der Ziele existieren grundsätzlich gute Voraussetzungen, angefangen beim reichhaltigen rechtlichen, institutionellen und organisatorischen Instrumentarium, das sich an den Handlungsmaximen des Vorsorgeprinzips, des Verursacherprinzips und des Kooperationsprinzip orientiere, über die erreichten Fortschritte beim Schutz vor stofflichen Belastungen, die sich in einer erheblichen Reduzierung der Emissionen und einer spürbaren Verbesserung der Luftqualität zeigen, bis hin zu dem bereits entwickelten Konzeptionen und bestehenden vielfältigen Maßnahmen zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt. Darüber hinaus gebe der Nationalbericht strategische Empfehlungen, wie auf politischer Ebene in Bund und Ländern eine effektivere Zusammenarbeit zur Umsetzung des Übereinkommens vollzogen werden kann.312

    154. Die 4. Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt fand vom 4. bis 15. Mai 1998 in Bratislava statt. Beraten wurde das in Vorbereitung befindliche Protokoll zur biologischen Sicherheit (biosafety), das den Schutz der biologischen Vielfalt im Bereich der sicheren Weitergabe, Handhabung und Verwendung der durch Biotechnologie hervorgebrachten lebenden modifizierten Organismen (LMO) gewährleisten soll, die nachteilige Auswirkungen auf die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt haben können. Kernpunkt ist die gegenseitige Unterrichtung bei der grenzüberschreitenden Verbringung von LMO. Das Protokoll zur biologischen Sicherheit soll bei einer zweitägigen Sondervertragsstaatenkonferenz im Februar 1999 verabschiedet werden. Außerdem wurden neue Schwerpunkte des Arbeitsprogramms für die kommenden Vertragsstaatenkonferenzen festgelegt. Die 5. Vertragsstaatenkonferenz soll sich mit Trockengebieten/Savannen, nachhaltigem Tourismus und Zugang zu genetischen Ressourcen befassen. Im Zentrum der 6. Vertragsstaatenkonferenz sollen Wald-Öko-Systeme, invasive Arten und Vorteilsausgleich stehen. Die 7. Vertragsstaatenkonferenz soll sich Berg-Öko-Systemen, Schutzgebieten und dem Technologietransfer widmen.

    Als Ergebnis der von Bundesumweltministerin Merkel geleiteten Arbeitsgruppe zum Thema "nachhaltiger Tourismus" wurde eine gemeinsame Erklärung verabschiedet, die u.a. die Erarbeitung internationaler Rahmenrichtlinien zu umweltfreundlichem Tourismus empfiehlt.313

    155. Auf eine Kleine Anfrage nahm die Bundesregierung am 22. April 1998 Stellung zur Zukunft des Walschutzes und zur internationalen Walfangkommission (IWC).314

    Zunächst ging sie auf den irischen Vorschlag, der auf der Jahrestagung der IWC in Monaco vom 20. bis 24. Oktober 1997 vorgelegt wurde und der u.a. einen begrenzten Walfang in Küstengewässern zuläßt, ein:

"Die Erhaltung der Funktionsfähigkeit der IWC ist auch für die Bundesregierung ein wichtiges Anliegen. Die Schutzinstrumente der IWC können letztlich nur zusammen mit den am Walfang interessierten Ländern erfolgreich eingesetzt werden. Es ist das Ziel der Bundesregierung, auch diese Länder in einem sicheren Schutz der Walbestände einzubinden. Die Bundesregierung hat daher die irischen Bemühungen um die Auslotung tragfähiger Lösungen in der IWC grundsätzlich unterstützt." 315

    In diesem Zusammenhang betonte die Bundesregierung, daß der irische Vorschlag nicht im Widerspruch zu den Beschlüssen des Bundestages zum Walfang und zum Schutz der Walbestände stehe. Das weltweite Verbot des kommerziellen Walfangs sei in jedem Fall aufrecht zu erhalten, solange die Überprüfung des Moratoriums nicht abgeschlossen sei. Im Rahmen dieser Überprüfung seien neuere Erkenntnisse des Wissenschaftsausschusses der IWC über die Lage und Entwicklung von Walbeständen und die vom Wissenschaftsausschuß empfohlenen revidierten Bewirtschaftungsverfahren mit sicheren Standards für den Schutz der Walbestände von Bedeutung.

    Weiterhin teilte die Bundesregierung mit, daß ihrer Ansicht nach Küstenländer nach Möglichkeit ökonomischen Nutzen aus der Walbeobachtung ziehen sollten. Sie räumte gleichzeitig ein, daß in bestimmten Staaten, in denen der begrenzte Verzehr von Walfleisch für gesundheitlich unbedenklich gehalten werde und in denen das Einkommen aus dem Walfang wesentlich zum Unterhalt der Familien beitrage, ein sozio-ökonomisches Interesse auch am kommerziellen Walfang bestehe.

    Außerdem äußerte sich die Bundesregierung zu den Kompetenzen der IWC. Die IWC verfüge über die Kompetenz zur Regelung des Walfangs in allen Meeresgebieten einschließlich der Wirtschaftszonen und Territorialgewässer von Küstenländern. Darüber hinaus habe die IWC nach Auffassung der Bundesregierung keine Kompetenz, das CITES-Handelsverbot für Walprodukte verbindlich zu verankern. Eine solche Regelung wäre innerhalb der IWC nur auf freiwilliger Grundlage mit Zustimmung aller betroffenen Länder möglich. Auf die Frage, welche Maßnahmen sie für angemessen halte, um die wiederholten Verstöße von Norwegen und Japan gegen geltende IWC-Beschlüsse zu unterbinden, antwortete die Bundesregierung, daß weder Norwegen noch Japan gegen bindende Beschlüsse der IWC verstoßen würden. Norwegen betreibe zwar entgegen dem von der IWC festgelegten Walfangmoratorium kommerziellen Walfang. Es habe jedoch gegen diesen Beschluß Einspruch eingelegt und sei somit nach den Regelungen der Walfangkonvention rechtlich nicht gebunden. Überdies stehe der begrenzte norwegische Walfang mit Rücksicht auf die gute Verfassung des Zwergwalbestandes im Nord-Ost-Atlantik im Einklang mit dem Vorsorgeansatz von dem im internationalen Naturschutz anerkannten Grundsatz der tragfähigen Nutzung. Japan betreibe wissenschaftlichen Walfang auf Zwergwale in antarktischen Gewässern und im Nord-Pazifik, zu dem Japan nach Art. VIII der Walfangkonvention berechtigt sei. Die Bundesregierung machte deutlich, daß sie trotz dieser Sach- und Rechtslage an Beschlüssen der IWC mitgewirkt habe, in denen Norwegen mit Rücksicht auf das bestehende Moratorium zur Einstellung des kommerziellen Walfangs sowie Japan zur Einstellung des Walfangs für Forschungszwecke aufgefordert wurde. Eine Lösung dieser Probleme könne aber letztlich nur innerhalb der IWC gefunden werden.

    156. Dem Abkommen vom 16. Juni 1995 zur Erhaltung der afrikanisch-eurasischen wandernden Wasservögel wurde durch Gesetz vom 18. September 1998 zugestimmt.316 Bei dem Abkommen handelt es sich um ein sogenanntes Regionalabkommen im Sinne des Art. IV Abs. 3 des Übereinkommens zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten.317 Nach den Abkommen vom 16. Oktober 1990 zur Erhaltung der Seehunde im Wattenmeer318, dem Abkommen vom 4. Dezember 1991 zur Erhaltung der Fledermäuse in Europa319, dem Abkommen vom 31. März 1992 zur Erhaltung der Kleinwale in der Nord- und Ostsee320 und dem Abkommen vom 24. November 1996 zur Erhaltung der Kleinwale des Schwarzen Meeres, des Mittelmeeres und des anschließenden Atlantiks handelt es sich um das 5. Regionalabkommen. Das Abkommen besteht aus dem Vertragstext selbst sowie den Anlagen 1 bis 3. Es gilt für alle in Anlage 2 genannten Wasservogelarten des afrikanisch-eurasischen Migrationssystems. Unter "Wasservögel" werden alle Vogelarten verstanden, die zumindest während eines Teils ihres Jahreszyklus ökologisch auf Feuchtgebiete angewiesen sind. Ein wesentlicher Teil des Abkommens ist der in Anlage 3 enthaltene sog. Aktionsplan. Er umschreibt die Aufgaben der Vertragsparteien, zu denen die Einführung von Jagdverboten für bedrohte Arten, die Entwicklung von artspezifischen Schutzplänen, die Sicherung der Lebensräume, die Erfoschung der Populationsbestände, der Wanderwege sowie der Ernährungs- und Lebensraumbedürfnisse und die Öffentlichkeitsarbeit gehören.321



    312 Umwelt Nr. 5/1998, 212 f. Die Nationalberichte der Bundesrepublik Deutschland und anderer Vertragsstaaten können über die Adresse http://www.biodiv.org/nat-repo im Internet eingesehen werden.

    313 Umwelt Nr. 7-8/1998, 329 ff.

    314 BT-Drs. 13/10493.

    315 Ibid., 3.

    316 BGBl. 1998 II, 2498; vgl. Grote, VRPr. 1995, ZaöRV 57 (1997), 923-1163, Ziff. 221.

    317 BGBl. 1984 II, 569.

    318 BGBl. 1991 II, 1307.

    319 BGBl. 1993 II, 1106.

    320 BGBl. 1993 II, 1113.

    321 BT-Drs. 13/10431 vom 20.4.1998, 47 ff.; Umwelt Nr.4/1998, 160.