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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1998


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Karen Raible


III. Staaten und Regierungen

    8. Anläßlich des 900jährigen Bestehens des Souveränen Malteser-Ritterordens im Jahre 1999 prüfte Bundesaußenminister Fischer im Berichtszeitraum erneut die Frage seiner diplomatischen Anerkennung durch die Bundesrepublik Deutschland. In einem Schreiben vom 14. November 1998 teilte er seinem Vorgänger im Amt Kinkel mit:

"Auch eine erneute, eingehende Prüfung des Rechtsstatus des Souveränen Malteser-Ritterordens und seiner Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland hat ergeben, daß der Orden von der Bundesrepublik Deutschland - wie von zahlreichen anderen Staaten und Organisationen auch - nach wie vor als nichtstaatliches Völkerrechtssubjekt sui generis angesehen wird. Ich hoffe auf Ihr Verständnis, daß die Bundesrepublik Deutschland aus grundsätzlichen Erwägungen an den für eine diplomatische Anerkennung notwendigen Kriterien der Staatlichkeit (Staatsgebiet, Staatsvolk, Staatsgewalt) festhält."24

    9. Im Berichtszeitraum nahm die Bundesregierung wiederholt Stellung zu den Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu der Tschechischen Republik und Polen.

    Auf eine Schriftliche Parlamentarische Anfrage äußerte sich die Bundesregierung am 7. Januar 1998 zu den Bene�-Dekreten:

"Die Bundesregierung hat die entschädigungslose Enteignung deutschen Vermögens immer als völkerrechtswidrig verurteilt. Die tschechoslowakische bzw. tschechische Regierung war und ist aber nicht bereit, die Bene�-Dekrete aufzuheben."25

    Eine entsprechende Erklärung gab die Bundesregierung am 30. Juli 1998 bezüglich Polen ab:

"Die Auffassung der Bundesregierung, wonach die Vertreibung der Deutschen und die entschädigungslose Enteignung deutschen Vermögens völkerrechtswidrig sind, ist der polnischen Regierung seit langem bekannt. Die Bundesregierung hält auch weiterhin an dieser Auffassung fest."26

    Auf die Schriftliche Parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Steinbach, ob die Bundesregierung bereit sei, den Beitritt Polens und der Tschechischen Republik in die Europäische Union an die Erfüllung der bestehenden Menschenrechts- und Völkerrechtsnormen für die aus diesen Staaten Vertriebenen zu knüpfen, antwortete die Bundesregierung am 16. Februar 1998:

"Die Bundesregierung hat keinen Zweifel, daß die Republik Polen und die Tschechische Republik - beide Länder sind auch Mitglieder des Europarats - ihre menschenrechtlichen und völkerrechtlichen Verpflichtungen erfüllen. Sie beabsichtigt nicht, die Frage eines EU-Beitritts Polens und der Tschechischen Republik mit bilateralen Fragen zu verbinden, die ihre Wurzeln im Zweiten Weltkrieg und der Nachkriegszeit haben."27

    Am 13. August 1998 legte die Bundesregierung dar, welche Bemühungen sie unternommen habe, um die vertraglich offengehaltenen Vermögensfragen im deutsch-polnischen und im deutsch-tschechischen Verhältnis einer Regelung zuzuführen:

"Die Bundesregierung hat die Vertreibung der Deutschen und die entschädigungslose Einziehung deutschen Vermögens immer als völkerrechtswidrig angesehen und diesen Standpunkt auch gegenüber der früheren Tschechoslowakei und ihrer Rechtsnachfolgerin, der Tschechischen Republik, sowie gegenüber Polen stets mit Nachdruck vertreten.

Insbesondere auch bei den Verhandlungen mit der CSFR zum Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit von 1992 hat die Bundesregierung diese Auffassung deutlich gemacht. Die tschechoslowakische wie auch die tschechische Regierung waren aber nicht bereit, Rückgewähr- und Entschädigungsansprüche Deutscher anzuerkennen. Die Deutsch-Tschechische Erklärung von 1997 hat darüber hinaus in Ziffer IV festgestellt, daß jede Seite ihrer Rechtsordnung verpflichtet bleibt und respektiert, daß die andere Seite eine andere Rechtsauffassung hat. Damit wurde die Offenheit der Vermögensfragen unterstrichen.

Auch gegenüber Polen hat die Bundesregierung nicht auf die vermögensrechtlichen Ansprüche verzichtet. Bei den Verhandlungen über den deutsch-polnischen Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit vom 17. Juni 1992 konnte keine Einigung über die Frage des Ausgleichs für Vermögensverluste erzielt werden. Deswegen haben die beiden damaligen Außenminister erklärt, daß der Vertrag sich 'nicht mit Vermögensfragen befaßt'."28

    Allerdings räumte die Bundesregierung ein, daß der Beitritt von Polen und der Tschechischen Republik zur NATO und zur Europäischen Union die Erledigung offener Fragen zwischen Deutschland und den genannten Nachbarländern erleichtern könnte.29

    In einem Gespräch vom 18. August 1998 des Bundeskanzlers Kohl mit der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen Steinbach wurden die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zur Tschechischen Republik und Polen erneut angesprochen. Der Bundeskanzler vertrat dabei die Auffassung, daß im Zuge der Aufnahme der osteuropäischen Staaten in die Europäische Union die europäischen Grundfreiheiten auch für die deutschen Vertriebenen gelten müßten. Die Lösung noch offener bilateraler Fragen werde durch die mit dem Beitritt Polens und Tschechiens zur Europäischen Union einhergehende Übernahme des gemeinschaftlichen Besitzstandes erleichtert. Dies schließe das Recht auf Freizügigkeit und Niederlassungsfreiheit ein. Die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen entgegnete, daß das Recht auf die Heimat für die Vertriebenen mehr als die bloße Niederlassungsfreiheit sei, wie sie von der Europäischen Union garantiert werde.30

    Anläßlich eines Besuchs in Warschau, Polen, distanzierte sich Bundeskanzler Schröder am 5. November 1998 auf einer Pressekonferenz von der Forderung, die aus den Reihen deutscher Heimatvertriebener geäußert worden war, den Beitritt Polens zur Europäischen Union von Entschädigungsleistungen abhängig zu machen.31

    In dieser Pressekonferenz ging Bundeskanzler Schröder ebenfalls auf die Aufforderung der "Stiftung für deutsch-polnische Aussöhnung" an die Bundesregierung ein, ehemaligen polnischen Zwangsarbeitern höhere Entschädigungen zu zahlen und diese dadurch den Opfern des Dritten Reichs im Westen gleichzustellen. Er verwies darauf, daß die Bundesregierung die 1991 gegründete "Stiftung für deutsch-polnische Aussöhnung" mit einem Betrag von 500 Millionen DM ausgestattet habe und daß mit diesem Geld bereits ein Teil der Ansprüche der Opfer, die auf jeden Fall Respekt verdienten, befriedigt worden sei. Die Bundesregierung beabsichtige nicht, diese Stiftung mit neuen Mitteln auszustatten. In diesem Zusammenhang verwies Bundeskanzler Schröder auf die geplante Bundesstiftung hin, die Gelder von Unternehmen erhalten soll, die im Dritten Reich polnische Zwangsarbeiter beschäftigten.32

    10. Die Delegation des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sprach der Bundesregierung am 24. Juni 1998 die Empfehlung aus, ihre eingeschlagene Haltung gegenüber der Militärregierung von Myanmar nicht zu verändern. Es müsse alles unterbleiben, was die Regierung von Myanmar bestärken könnte, ihre undemokratische und menschenrechtsverletzende Politik fortzusetzen. Die Delegation hielt sich vom 30. Mai bis 2. Juni 1998 in Myanmar auf. Die Reise nach Myanmar hatte zum Ziel, sich über die aktuelle Situation im Land zu informieren und gegenüber der Militärregierung die Haltung des Bundestages zu bekräftigen, wonach insbesondere Demokratisierung und Beendigung der Menschenrechtsverletzungen durch die jetzige Regierung Grundvoraussetzungen für die Wiederaufnahme der deutschen Entwicklungszusammenarbeit sei. Die Delegation erklärte darüber hinaus, daß Projekte der politischen Stiftungen vor Ort aufgrund der derzeitigen Lage im Lande aussichtslos seien. Zudem dürfe es keine Gewährung von Hermes-Bürgschaften für die deutsche Wirtschaft bei Investitionen in bzw. bei Exportgeschäften nach Myanmar geben.33

    11. Im Vorfeld seines am 11. November 1998 stattfindenden Besuchs in Moskau äußerte sich Bundesaußenminister Fischer in einem Interview mit der russischen Nachrichtenagentur ITAR-TASS zu den deutsch-russischen Beziehungen:

"In der Rußlandpolitik der neuen Bundesregierung wird es die eine oder andere leichte Akzentverschiebung, aber keine fundamentalen Umbrüche geben. Die beiden Eckpunkte unserer Politik sind: umfassende Einbeziehung Rußlands in die internationale Zusammenarbeit sowie volle Unterstützung der strukturellen und demokratisch-marktwirtschaftlichen Reformen. Das ist eine gesamteuropäische Aufgabe. Besonders die EU-Staaten müssen dabei an einem Strang ziehen. Rußland muß den Platz in Europa und der Welt einnehmen, der seiner Größe, seinem politischen Gewicht und seinem wirtschaftlichen Potential entspricht. Instrumente hierfür sind die OSZE, der NATO-Rußland-Rat, das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit der Europäischen Union sowie die Zusammenarbeit im G 8-Rahmen."34



    24 Dem Institut überlassenens Schreiben aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes.

    25 BT-Drs. 13/9674, 2.

    26 BT-Drs. 13/11329, 5.

    27 BT-Drs. 13/9962, 4.

    28 BT-Drs. 13/11361, 9 f.

    29 Ibid.

    30 Bull. Nr. 57 vom 26.8.1998, 743.

    31 FAZ vom 6.11.1998.

    32 Ibid.

    33 Pressearchiv des Auswärtigen Amtes (Anm. 10): http://www.auswaertiges-amt.de/6_archiv/98/n/N981110a.htm.