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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1999


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Silja Vöneky/Markus Rau


IX. Menschenrechte und Minderheiten

4. Menschenrechte in einzelnen Staaten

     67. Im Berichtszeitraum war die Lage der Menschenrechte in einzelnen Staaten mehrfach Gegenstand von Stellungnahmen der Bundesregierung und der Europäischen Union. Aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit werden - wie im Berichtsjahr 1998 - im folgenden die Staaten in alphabetischer Reihenfolge mit den sie betreffenden Erklärungen dargestellt.

     68. In ihrer Stellungnahme im Dritten Ausschuß der Vereinten Nationen stellte die finnische Vertreterin Rasi im Namen der Europäischen Union am 9. November 1999 zu der Menschenrechtssituation in Afghanistan fest, daß die Europäische Union

     "(r)emains extremely concerned about the whole human rights situation in Afghanistan and especially at the grave and systematic violations of the human rights of women and girls. The EU deplores that the Taliban disregarded the call in the Tashkent-Declaration for the Afghan conflict to be settled through peaceful political negotiation and instead launched a major offensive."192

     69. In derselben Stellungnahme wurde im Namen der Europäischen Union auch auf die Menschenrechtssituation in Algerien, Angola und Äthiopien eingegangen.

     In bezug auf Algerien begrüßte die Europäische Union die neuen Entwicklungen und Zeichen der Kooperation der Regierung mit internationalen Partnern:

     "In this regard the EU welcomes the states readiness of the Government of Algeria to develop a dialogue with all human rights mechanisms and calls for the full co-operation of the Government of Algeria with these mechanisms."

     Im Hinblick auf Angola betonte die Europäische Union die Notwendigkeit starken internationalen Druck auf die UNITA durch die Implementierung aller UN-Sanktionen auszuüben.

     Mit Hinweis auf Äthiopien wurde in der Stellungnahme unterstrichen, daß die Europäische Union feststelle, daß Deportationen und andere Verletzungen der Menschenrechte den Frieden und die Wiederherstellung der Beziehung zwischen Eritrea und Äthiopien unterlaufen.193

     70. Die Bundesregierung nahm in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage zur Menschenrechtssituation von Gefangenen in Brasilien Stellung.194

     Es sei der Bundesregierung bekannt, daß brasilianische Gefängnisse oft nicht über ausreichend Raum verfügen, um die Häftlinge angemessen unterzubringen. Die Menschenrechtssituation der Gefangenen in Brasilien weise zum Teil bedenkliche Defizite auf. Es sei der Bundesregierung auch bekannt, daß es in brasilianischen Gefängnissen zu Übergriffen von Aufsichtspersonal und Polizei gegen Gefangene komme. Vorwürfe, daß in brasilianischen Gefängnissen gefoltert werde, kämen immer wieder vor. Die Situation von Gefangenen in Brasilien sei Gegenstand des Dialogs der Bundesregierung und der brasilianischen Regierung.195

     71. In bezug auf die Menschenrechtssituation in der Bundesrepublik Deutschland hob der Vertreter des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) in Deutschland am 17. März 1999 im Menschenrechtsausschuß des Bundestages hervor,196 daß die Unterscheidung von staatlicher und nichtstaatlicher Verfolgung in der deutschen Rechtsprechung die Genfer Flüchtlingskonvention aus dem Jahre 1991 unterlaufe und zu einer "Schutzlücke" für politisch Verfolgte führe. Andere europäische Länder, wie z.B. Schweden oder Frankreich hätten ihr Ausländerrecht oder ihr Asylrecht den geänderten Bedingungen, d.h. der zunehmenden nichtstaatlichen Verfolgung, angepaßt. Deutschland stehe mit seiner Position nicht nur im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten sondern auch in "deutlichem Widerspruch" zu Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs in Straßburg.

     Die Praxis in anderen EU-Staaten zeige im übrigen, daß die Hauptsorge, die Anerkennung nichtstaatlicher Verfolgung als Asylgrund könne eine "unerwünschte Sogwirkung" haben, unberechtigt sei. Dagegen sei die psychologische Wirkung nicht zu unterschätzen, wenn Verfolgte von nichtstaatlicher Gewalt als "mißbräuchlich Asylsuchende" diskreditiert werden. In diesem Zusammenhang stellte die SPD fest, daß die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und die des Internationalen Menschenrechtsgerichtshofs auseinanderlaufen. Man bemühe sich um eine Klärung und werde überlegen, ob eine Änderung des Ausländerrechts erforderlich sei. Auch an der problematischen Situation der sogenannten "Flughafenverfahren" müsse sich etwas ändern.

     Auch die CDU/CSU bemerkte, daß die Flughafenverfahren rechtswidrig seien, wenn Flüchtlinge aus Afghanistan trotz Verfolgung durch die Taliban zurückgeschickt würden.

     Das Flughafenverfahren kritisierten auch Bündnis 90/Die Grünen.197

     Die Bundesregierung selbst berichtete 1999 über die Implementierung des Übereinkommens zum Schutz der Frauen vor jeder Form der Diskriminierung (CEDAW).198 Der Vertreter der Bundesregierung stellte vor dem "Committee on the Elimination of Discrimination against Women" am 1. Februar 2000 fest, daß die neue Bundesregierung seit ihrem Regierungsantritt 1998 eine Politik der gleichen Rechte verfolgt habe. Das Ziel der neuen Politik sei eine Teilung der Verantwortung zwischen Männern und Frauen in allen Bereichen des Lebens im Geist einer Partnerschaft. Betont wurde außerdem das Programm der Bundesregierung "Frauen und Arbeit". Im Dezember 1999 sei außerdem der Aktionsplan der Bundesregierung zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen vorgestellt worden, der zum ersten Mal ein umfassendes Konzept zur Reduzierung der täglichen Gewalt beinhalte.199

     72. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung Poppe betonte am 10. Februar 1999 im Menschenrechtsausschuß des Bundestages, daß ein auf verschiedenen Ebenen mit der Volksrepublik China geführter Dialog eine Kritik an der Situation der Menschenrechte in diesem Land nicht ausschließe.

     China sei eine Gesellschaft im Umbruch, in der es nicht nur "Hardliner" gebe. Deshalb sei es notwendig, die dortige Demokratiebewegung zu unterstützen. Im Hinblick auf die im Frühjahr 1999 in Genf tagende Menschenrechtskonferenz der Vereinten Nationen erklärte der Vertreter der Bundesregierung, daß diese bei der Frage einer Resolution gegenüber China "offensiv" bleiben werde. Der Dialog zwischen der Europäischen Union und China habe beim Treffen im Februar in Berlin darunter gelitten, daß die deutschen Nichtregierungsorganisationen dem Treffen ferngeblieben seien, da sie nicht bereit seien, "einen Dialog um des Dialogs Willen zu führen". Dies sei aber verständlich, da sich China in den letzten Jahren nicht bewegt habe und Themen wie willkürliche Verhaftung, Arbeitslager, exzessive Anwendung der Todesstrafe und das Tibet-Problem seit Jahren unverändert auf der Tagesordnung stünden.200

     Auch in der oben genannten Stellungnahme der Europäischen Union vom 9. November 1999 wurde zu der Menschenrechtssituation in China Stellung genommen:

     "The general human rights situation in China is still far from meeting international human rights standards. We acknowledge the progress brought about by political and economic reforms while regretting that there has not been adequate progress in political participation and the rule of law. The EU urges China to refrain from the use of the death penalty. The EU calls upon China to take concrete steps to ratify and effectively implement UN Human Right Covenants. In the meantime the EU expects China to act in accordance with the fundamental spirits and principles of the Covenants. (...) The EU is concerned at the recent crackdown on political dissidents in China including the harsh sentences given to them. The EU is also seriously concerned at recent arrests of members of the Falun Gong Movement. The excessive use of the death penalty, the restrictions on religious freedom, the lack of the right to free speech and the human rights situation in Tibet and Xinjiang remain matters of concern to the EU."201

     73. Demgegenüber begrüßte die Europäische Union in der genannten Stellungnahme der finnischen Vertreterin den Fortschritt, den die Regierung von Guatemala erreicht habe, um die Menschenrechtssituation in dem Land seit dem Schluß des Friedensvertrages zu verbessern. Dennoch bleibe die Europäische Union besorgt über nicht aufgeklärte Fälle von Gewalt und rufe die Regierung Guatemalas dazu auf, diese Vorfälle vollständig aufzuklären und die Verantwortlichen zur Verantwortung zu ziehen.202

     74. Keine Fortschritte sah die Europäische Union jedoch nach der Stellungnahme im Dritten Ausschuß der Generalversammlung der Vereinten Nationen hinsichtlich der Menschenrechtssituation in Haiti im Berichtszeitraum. Die Europäische Union betonte vielmehr, daß die Organisation von freien und gleichen Wahlen die einzige Lösung der gegenwärtigen Situation sei.203

     75. Demgegenüber begrüßte die finnische Vertreterin im Namen der Europäischen Union die ersten wirklichen Mehrparteienwahlen in Indonesien seit 45 Jahren, die Freilassung politischer Gefangener, den Fortschritt im Bereich der Meinungsäußerungsfreiheit, der Pressefreiheit und die Erleichterungen von manchen Beschränkungen der Vereinigungsfreiheit und der Betätigung von politischen Parteien.204

     76. Am 5. November 1999 bemerkte der Vertreter Finnlands im Namen der Europäischen Union bei der Einführung des Entwurfs der Resolution zur Menschenrechtssituation im Irak:

     "The EU notes with great concern that those findings do not indicate any improvements in the human rights situation in Iraq. The repeated calls of the International Community on the Government of Iraq to ensure human rights and fundamental freedoms for the Iraqi people have continued to go unheard. Systematic, widespread and extremely grave violations of human rights and international humanitarian law continue to occur resulting in all-pervasive repression and oppression. Amongst the blatant violations of human rights, summary and arbitrary executions including political killings, cases of disappearances, torture and the routine failure to respect due process of law deserve to be mentioned specifically. The EU therefore once again calls upon the Government of Iraq to abide by its human rights obligations and to respect and ensure the rise of all individuals within its territory and subject to its jurisdiction, irrespective of their origin, ethnicity, gender or religion."205

     77. Im Hinblick auf die Menschenrechtssituation in der islamischen Republik Iran stellte die Vertreterin Finnlands im Namen der Europäischen Union fest, daß diese:

     "(w)elcomes progress in the field of human rights, notably a more open debate of issues of governance and human rights, democracy and the rule of law. However, the EU continues to be concerned about the human rights situation in Iran. Restrictions on the freedom of the press by closing down a number of newspapers, plans to adopt legislation restricting further the freedom of the press and also the access to democratic elections by enlarging the definition of political crimes are of concern to the EU."206

     Weiter bemerkte am 12. November 1999 ein finnischer Vertreter im Namen der Europäischen Union in einer Stellungnahme zum Resolutionsentwurf, der ebenfalls die Situation der Menschenrechte in der islamischen Republik Iran zum Gegenstand hatte, daß dieser Entwurf zutreffend die Besorgnis über die weiterbestehende Verletzung von Menschenrechten, insbesondere die große Zahl von Exekutionen ohne ausreichende Verfahrensrechte, Fälle der Folter, der Mangel an Transparenz im juristischen System und die Verletzung von Minderheitenrechten ausdrücke.207

     78. Die Menschenrechtssituation in Israel und in den besetzten palästinensischen Gebieten war mehrfach Gegenstand von Stellungnahmen der Europäischen Union durch die Vertreter Finnlands.

     Am 11. Oktober 1999 wies die Vertreterin Silfverberg im Vierten Ausschuß der Generalversammlung der Vereinten Nationen darauf hin, daß die Europäische Union hoffe, daß die Implementierung des Sharm-el-Sheikh Memorandums zu einer Verbesserung der schwierigen ökonomischen Lage in den palästinensischen Gebieten führe und daß deswegen die Regierung Israels ermutigt werde, ihren Verantwortlichkeiten in der Verbesserung der Bedingungen für die ökonomische Entwicklung nachzukommen.

     Weiter wurde im Namen der Europäischen Union festgestellt:

     "We have noted positive developments, but still view with concern some policies applied by the Israeli Government in the Westbank and Gaza Strip. However, we are convinced that the questions addressed by the Special Committee to Investigate Israeli Practices affecting the Human Rights of the Palestinian People and other Arabs of the Occupied Territories would better be dealt with in a different context, which is more favourable to the spirit of compromise and mutual understanding."208

     Im Dritten Ausschuß der Generalversammlung bemerkte die finnische Vertreterin im Namen der Europäischen Union, daß die Europäische Union begrüße, daß die palästinensische Autonomiebehörde die Bedeutung von Menschenrechten im Friedensprozeß anerkannt habe. Die Europäische Union anerkenne das Ziel der Autonomiebehörde, die Menschenrechtssituation in den Gebieten unter ihrer Kontrolle zu verbessern. Die Europäische Union sei jedoch tief besorgt darüber, daß Akte der Folter und der Verurteilung ohne Verfahren unter der palästinensischen Autonomiebehörde auftreten.209

     79. Die finnische Vertreterin nahm in ihrer Stellungnahme im Dritten Ausschuß der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 9. November 1999 auch Bezug auf die Menschenrechtssituaion in Jugoslawien, Kosovo und Bosnien und Herzegowina.210

     Im Hinblick auf die Republik Jugoslawien betonte die Europäische Union, daß eine Integration Jugoslawiens in die internationale Gemeinschaft davon abhänge, daß diese einen effektiven Demokratisierungsprozeß durchlaufe und seine internationalen Verpflichtungen einhalte. Dies schließe insbesondere die Respektierung von Menschenrechten und den Rechten für Minderheiten, eine unabhängige Justiz und Meinungsäußerungsfreiheit ein:

     "Freedom of expression for all citizens, including the political opposition, are among the basic values of a democratic society. The EU reiterates its willingness to strengthen its good relations with the people at the Federal Republic of Yugoslavia and the spirit of aspiration towards democracy and economic prosperity. Stability and growth are only possible through democracy, respect for human rights and the rule of law, economic reform and the development of good neighbourly relations in the region."211

     Zur Menschenrechtssituation im Oktober 1999 im Kosovo führte der Menschenrechtsbeauftragte des Auswärtigen Amtes Poppe am 27. Oktober im Ausschuß für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe aus, daß der größte Teil der rund 880.000 geflüchteten Kosovo-Albaner nach dem Rückzug der Serbischen Truppen wieder zurückgekehrt sei. Die Menschenrechtsverletzungen hätten jedoch weiterhin angehalten. Deshalb hätten bereits 150.000 Kosovo-Albaner und Roma trotz des Schutzes durch die KFOR-Truppen das Kosovo verlassen. Noch immer gebe es täglich Fälle von Menschenrechtsverletzungen und würden täglich neue Massengräber gefunden. Dadurch werde der Haß zwischen den einzelnen Bevölkerungsgruppen weiter geschürt. Wichtig sei vor allem, daß sich im Kosovo wieder unabhängige Medienvertreter etablieren können. Auch gelte es, das Recht auf Meinungsfreiheit, das noch immer nicht für alle Seiten und Gruppen gegeben sei, wieder herzustellen.

     Beim Aufbau einer zivilen Verwaltung müsse darauf geachtet werden, alle Ethnien, insbesondere auch die Roma, zu integrieren. Dabei gebe es jedoch das Problem, daß der Wunsch zur Kooperation bei den Roma selbst nicht sehr ausgeprägt sei. Wichtig sei, daß wenn Roma-Vertreter in den örtlichen Gremien aufgenommen werden, der Schutz dieser Personen gewährleistet werden müsse.212

     Im November teilte die finnische Vertreterin im Namen der Europäischen Union in der genannten Stellungnahme zur Menschenrechtssituation im Kosovo mit, daß

     "(t)he adoption of UN Security Council resolution 1244 on Kosovo, the full withdrawal of Serbian security forces, the ending of NATO's air-campaign as well as the deployment of KFOR and the steps under way to establish the interim civil administration for Kosovo, were warmly welcomed by the EU. The EU attaches the highest importance to all parties co-operating fully with KFOR and UNMIK in the implementation of UNSCR 1244. The EU, however, strongly condemns the fact that ethnically based violence continues. We urge all peoples of Kosovo to comply fully with the resolution to honour the commitments made and to refrain from any acts of violence against minority populations. We expect all people in Kosovo to contribute to the creation of a democratic and multi-ethnic Kosovo. The return of refugees and displaced persons to their homes and the assurance of security for all people in Kosovo as well as bringing to justice the perpetrators of atrocities are high priorities of the international community."213

     Zur Menschenrechtssituation in Bosnien und Herzegowina wurde im Namen der Europäischen Union darauf hingewiesen, daß der Mangel einer unabhängigen Justiz Besorgnis bei der Europäischen Union errege. Die Europäische Union ermutige die verantwortlichen Stellen, weitere Schritte zur Verankerung der Rechtsstaatlichkeit vorzunehmen. Besorgniserregend sei zudem das Problem der Gewalttätigkeit gegen Rückkehrer. Die Reaktion der örtlichen Behörden und Polizei zu diesen Vorfällen sei unzureichend. Die Europäische Union sei weiter besorgt über die sich fortsetzenden Spannungen zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen. Die Europäische Union rufe daher alle verantwortlichen Parteien auf, ihren Verpflichtungen unter dem Dayton-Übereinkommen zu erfüllen und angemessene Voraussetzungen für die sichere Rückkehr von Minderheiten in ihre Heimatorte zu gewährleisten.214

     80. Im Ausschuß des Bundestages für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe legte ein Vertreter des Auswärtigen Amtes am 3. März 1999 dar, daß sich die Menschenrechtssituation in Kolumbien nicht verbessert, sondern eher verschlechtert habe.215 Täglich gebe es Hinrichtungen und Morde an Menschenrechtsverteidigern. Der Staat verfüge nicht mehr über das Gewaltmonopol. Die Gesamtzahl der Entführten betrage jährlich rund 1.000. Der Vorwand für die Entführung und die Ermordung laute häufig, die Betroffenen seien Sympathisanten der Guerillas. Zudem würden Menschen, die an Straßenecken in Grüppchen zusammenstehen, wahllos verhaftet. Die Menschen, an denen kein Interesse bestehe, würden wieder freigelassen, die anderen blieben inhaftiert oder würden ermordet. 70 % aller Menschenrechtsverletzungen in dem lateinamerikanischen Staat gingen auf das Konto der Paramilitärs.216

     81. Im Hinblick auf die Situation im Kongo bemerkte die Vertreterin Finnlands im Namen der Europäischen Union in der genannten Stellungnahme, daß die Europäische Union über die berichteten Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung besorgt sei. Die Europäische Union verurteile Menschenrechtsverletzungen durch Regierungsstreitkräfte und andere Gruppen. Sie rufe die Verantwortlichen der Republik Kongo dazu auf, alle Menschenrechtsverletzungen, die geschehen sind, aufzuklären und die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen.217

     82. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage nahm die Bundesregierung im März 1999 zu dem Problem der Zwangssterilisationen in Peru Stellung.218 Hintergrund der Kleinen Anfrage war eine Studie des lateinamerikanischen und karibischen Instituts für Frauenrechte (CLADEM), worin festgestellt und belegt wurde, daß mehr als 300.000 Peruanerinnen in den letzten drei Jahren sterilisiert worden waren.

     Nach der Antwort der Bundesregierung hatte sie Kenntnis von dem "Programm zur reproduktiven Gesundheit und Familienplanung 1996 - 2000". Es handele sich um ein durchaus positiv zu wertendes Programm der reproduktiven Gesundheit. Von den Vorwürfen, die sich auf Verletzungen der Menschenrechte beziehen, habe die Bundesregierung erst Ende des vergangenen Jahres erfahren. Die Bundesregierung gehe diesen Vorwürfen im Rahmen der einschlägigen Gremien nach.219

     83. Ein finnischer Vertreter nahm im Namen der Europäischen Union am 19. November 1999 zum Resolutionsentwurf zur Menschenrechtssituation in Ruanda in der Generalversammlung der Vereinten Nationen wie folgt Stellung:

     "The EU stresses that the human rights situation in Rwanda, despite some progress is still of concern. Recovery from genocide, promotion of national reconciliation and democracy, and promotion and protection of human rights and fundamental freedoms are primarily responsibilities of the Government of Rwanda. The EU welcomes the announcement by the Government of Rwanda to demobilise all child soldiers and trusts that the government will fully implement this commitment.
    The EU calls upon the Government of Rwanda to co-operate fully with the United Nations human rights mechanisms and encourage the government to further strengthen and promote human rights.
    While noting the efforts of the Government of Rwanda to improve prison administration the EU reiterates its concern at a large number of detainees, the severe conditions in prison and the treatment of persons in prison and in detention and calls upon the government to improve prison conditions in accordance with international human rights standards."220

     84. Ein Vertreter Finnlands stellte im Namen der Europäischen Union am 16. November 1999 zu dem Resolutionsentwurf Menschenrechtssituation im Sudan fest, daß die Menschenrechtssituation, trotz mancher positiver Entwicklungen, große Besorgnis hervorrufe:

     "The EU remains deeply concerned about extra-judicial, summary and arbitrary executions enforced disappearances, arbitrary detention without trial, torture and ill-treatment of civilians. Abduction of children and women to be subjected to forced labour and other similar purposes and cases of severe restrictions on the freedom of religion and peaceful assembly are still occurring in the Sudan. The EU calls upon the Government of Sudan to continue to take appropriate measures to establish the rule of law, to bring the national legislation closer to international human rights standards and to take effective steps to end ongoing human rights violations."221

     85. Im Berichtszeitraum äußerte sich die Bundesregierung in Antworten zu verschiedenen Kleinen Anfragen auch zur Menschenrechtssituation in der Türkei.

     In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der PDS wies sie im Mai 1999 darauf hin, daß die Beachtung von Menschenrechten in der Türkei, u.a. auch gegenüber Journalisten und oppositionellen Presseorganen von der Bundesregierung in der Vergangenheit aus gegebenen Anlaß häufig angesprochen worden sei und die Bundesregierung dies auch zukünftig tun werde.222

     In der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zum Bericht des Auswärtigen Amtes zur Menschenrechtslage in der Türkei223 bemerkte diese im Oktober 1999, daß der jüngste Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei weder Festlegungen zu einer Gruppenverfolgung von Kurden in der Türkei noch zu einer Fluchtalternative für Kurden in der Westtürkei enthalte. Hingegen enthalte der Lagebericht Feststellungen zu Tatsachen und Ereignissen staatlicher Repression gegen türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit sowie zu Ausweichmöglichkeiten gegenüber derartigen Maßnahmen. Für die Erstellung des Lageberichts Türkei seien auch Informationen des Hohen Rats für Menschenrechte in Ankara und die Veröffentlichungen der türkischen Menschenrechtsstiftung TIHV und des türkischen Menschenrechtsvereins IHD ausgewertet worden. Während die Kosovo-Albaner als Volksgruppe ein Vertreibungsschicksal erlitten, würden Kurden nicht wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit verfolgt. Es seien allerdings Personen von Verfolgung bedroht, die sich unabhängig von ihrer eigenen Herkunft der kurdischen Sache annehmen. Dies ist nach Ansicht der Bundesregierung der Unterschied zwischen der Lage der Kosovo-Albaner, bei denen eine pauschale Verfolgung anerkannt wurde und der Verfolgung der Kurden in der Türkei.224

     86. In Anworten auf Kleine Anfragen der Fraktion der FDP und der Fraktion der PDS nahm die Bundesregierung im Berichtszeitraum auch Stellung zum Problem der Verhinderung der Todesstrafe in den USA.

     Gegenstand der Kleinen Anfrage der Fraktion der FDP war die Hinrichtung der deutschen Staatsangehörigen Karl und Walter LaGrand am 24. Februar und 3. März 1999 im Staatsgefängnis von Florence im US-Bundesstaat Arizona.225 Neben der Einreichung der Klageschrift beim IGH wegen Verstoßes gegen Art. 36 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen (WÜK) vom 24. April 1963226 habe die Bundesregierung in den letzten Monaten zusammen mit den EU-Partnern ihre Anstrengungen im Rahmen der internationalen Menschenrechtspolitik deutlich intensiviert. Ziel sei es, zunächst die Anzahl der Todesurteile bzw. Vollstreckungen weltweit zu reduzieren und auf Vollstreckungsmoratorien hinzuwirken.227




    192 Permanent Mission of Finland to the United Nations (Anm. 3): http://www.un.int/finland/euspeechHumanRightsQuestions.cfm.

    193 Vgl. Anm. 192.

    194 BT-Drs. 14/1852, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Lippmann-Kasten, Hübner und der Fraktion der PDS, BT-Drs. 14/1700.

    195 Ibid.

    196 Blickpunkt Bundestag 3/99, 28.

    197 Ibid.

    198 Vgl. dazu bereits oben bei Ziff. 54, 55, 68.

    199 Permanent Mission of Germany to the United Nations (Anm. 7): http://www.germany-info.org/UN/un_press_02_01_00.htm.

    200 Blickpunkt Bundestag 2/99, 63.

    201 Vgl. Anm. 192.

    202 Vgl. Anm. 192.

    203 Vgl. Anm. 192.

    204 Vgl. Anm. 192.

    205 Permanent Mission of Finland to the United Nations (Anm. 3): http://www.un.int/finland/euspeechHRIraq.cfm.

    206 Vgl. Anm. 192.

    207 Permanent Mission of Finland to the United Nations (Anm. 3): http://www.un.int/finland/euspeechIranIntro.cfm.

    208 Permanent Mission of Finland to the United Nations (Anm. 3): http://www.un.int/finland/euspeechIsraeliPractices11.10.cfm.

    209 Vgl. Anm. 192.

    210 Vgl. Permanent Mission of Finland to the United Nations (Anm. 3): http://www.un.int/finland/euspeechHumanRightsQuestions.cfm.

    211 Vgl. Anm. 192.

    212 Blickpunkt Bundestag 10/99, 61.

    213 Vgl. Anm. 192.

    214 Vgl. Anm. 192.

    215 Blickpunkt Bundestag 6/99, 30.

    216 Vgl. Anm. 192.

    217 Vgl. Anm. 192. Vgl. auch die Stellungnahme der Europäischen Union zum Entwurf der Resolution "Human Rights Situation in the Democratic Republic of the Congo" vom 16.11.1999: Permanent Mission of Finland to the United Nations (Anm. 3): http://www.un.int/finland/euspeechCongo.cfm. Vgl. dazu auch unten die Ziff. 195.

    218 BT-Drs. 14/497, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Hübner, Bläss und der Fraktion der PDS, BT-Drs. 14/386.

    219 Ibid.

    220 Permanent Mission of Finland to the United Nations (Anm. 3): http://www.un.int/finland/euspeechRwanda2.cfm.

    221 Permanent Mission of Finland to the United Nations (Anm. 3): http://www.un.int/finland/euspeechSudan.cfm.

    222 BT-Drs. 14/1099.

    223 BT.-Drs. 14/1886.

    224 Ibid.

    225 BT-Drs. 14/784.

    226 Vgl. dazu näher im folgenden bei Ziff. 91.

    227 BT-Drs. 14/784. Vgl. zum Verfahren und die Verhängung der Todesstrafe in den USA gegen Abu-Jamal die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der PDS Fraktion, BT-Drs. 14/1948.