Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Logo Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

Sie befinden sich hier: Publikationen Archiv Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland 1999

Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1999


Inhalt | Zurück | Vor

Silja Vöneky/Markus Rau


X. Diplomatie und Konsularwesen

     91. In ihrer Antwort auf die oben genannte Kleine Anfrage der Fraktion der FDP zur Hinrichtung der deutschen Staatsangehörigen Karl und Walter LaGrand am 24. Februar und 3. März 1999 im Staatsgefängnis von Florence im US-Bundesstaat Arizona231 nahm die Bundesregierung Stellung zu dem Verstoß der amerikanischen Behörden gegen das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen232 (WÜK) vom 24. April 1963.233

     Art. 36 regelt den Verkehr mit Angehörigen des Entsendestaates; nach dessen Abs. 1 lit. b gilt:

     "(D)ie zuständigen Behörden des Empfangsstaats haben die konsularische Vertretung des Entsendestaats auf Verlangen des Betroffenen unverzüglich zu unterrichten, wenn in deren Konsularbezirk ein Angehöriger dieses Staates festgenommen, in Straf- oder Untersuchungshaft genommen oder ihm anderweitig die Freiheit entzogen ist. Jede von dem Betroffenen an die konsularische Vertretung gerichtete Mitteilung haben die genannten Behörden ebenfalls unverzüglich weiterzuleiten. Diese Behörden haben den Betroffenen unverzüglich über seine Rechte auf Grund dieser Bestimmungen zu unterrichten;"

     Art. 36 Abs. 2 WÜK bestimmt:

     "Die in Absatz 1 genannten Rechte sind nach Maßgabe der Gesetze und sonstigen Rechtsvorschriften des Empfangsstaats auszuüben; hierbei wird jedoch vorausgesetzt, daß diese Gesetze und sonstigen Rechtsvorschriften es ermöglichen müssen, die Zwecke vollständig zu verwirklichen, für welche die in diesem Artikel vorgesehenen Rechte eingeräumt werden."

     Die Bundesregierung stellte dazu fest, daß die amerikanischen Behörden die deutsche Seite nie amtlich darüber unterrichtet hätten, daß die Behörden des Staates Arizona bereits 1982 Kenntnis von der deutschen Staatsangehörigkeit der Brüder LaGrand hatten. Nachdem die Bundesregierung davon Kenntnis erlangt hatte, habe sie unverzüglich alles Erforderliche für den alsbaldigen Erlaß einer vorsorglichen Maßnahme durch den Internationalen Gerichtshof in die Wege geleitet und Klage in der Hauptsache eingereicht.

     Die Bundesregierung verfolge in dem Verfahren in der Hauptsache insbesondere das Ziel, die Völkerrechtswidrigkeit des Verhaltens der USA feststellen zu lassen, sowie von den USA eine verbindliche Zusicherung völkerrechtskonformen Verhaltens in vergleichbaren zukünftigen Fällen zu erhalten.

     In förmlichen Schreiben an US-Außenministerin Albright und an Gouverneurin Hull habe Bundesminister Josef Fischer in aller Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, daß nach Auffassung der Bundesregierung das Verhalten der amerikanischen Behörden einen Verstoß gegen das WÜK darstelle. Zudem sei der US-Regierung auf diplomatischem Weg die Klageschrift im Verfahren vor dem IGH wegen Verstoßes gegen Art. 36 WÜK sowie der Antrag auf Erlaß einer vorsorglichen Maßnahme mit entsprechender Begründung übermittelt worden.234

     92. Im Berichtszeitraum teilte das Auswärtige Amt folgende Erklärung im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union vom 9. März 1999 über den Abzug von Personal der diplomatischen Vertretungen aus der Bundesrepublik Jugoslawien mit:

     "Da der Durchbruch bei den Verhandlungen in Rambouillet bislang offen ist und für den Fall, daß sich kein Durchbruch erzielen läßt, erklärt der Vorsitz der EU nachdrücklich, daß gegenwärtig Maßnahmen für einen koordinierten und gestuften Abzug von Personal aus den diplomatischen Vertretungen der Unionsländer in der Bundesrepublik Jugoslawien getroffen werden, und zwar im Einklang mit dem Bedarf und der Priorität der einzelnen Vertretung.
     Die Union ergreift diese Maßnahmen im Zusammenhang und in voller Übereinstimmung mit ihrem wiederholt bekundeten festen Willen, daß bei den Kosovo-Verhandlungen in Rambouillet ein friedliches Ergebnis erzielt wird."235

     93. Am 13. Dezember 1999 wurde das Inkrafttreten des in Warschau am 15. Dezember 1997 unterzeichneten Abkommens zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Polen über die Gegenseitige Einräumung von Eigentum an Grundstücken für die Zwecke der diplomatischen Vertretung beider Staaten in Warschau und Berlin am 5. Oktober 1998 bekannt gemacht. Darin verpflichtet sich die Regierung der Bundesrepublik Deutschland der Regierung der Republik Polen kostenfrei Eigentum an zwei Grundstücken in Berlin einzuräumen. Die Regierung Polen verpflichtet sich der Regierung der Bundesrepublik Deutschland kostenfrei ein Eigentum an einem Grundstück in Warschau einzuräumen. Die Vertragsparteien schlossen das Übereinkommen auf der Grundlage der Gegenseitigkeit.236

     94. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage nahm die Bundesregierung Stellung zu den tödlichen Schüssen am israelischen Generalkonsulat am 17. Februar 1999.237 An diesem Tag wurden zwei Männer und eine Frau während einer Protestaktion im Zusammenhang mit der Verhaftung des PKK-Vorsitzenden Öcalans vor bzw. im israelischen Generalkonsulat in Berlin von israelischen Sicherheitsbeamten erschossen.

     Nach der Feststellung der Bundesregierung seien keine Bundesbehörden mit den Ermittlungen betraut worden. Die Bundesregierung habe den Anschlag auf das israelische Generalkonsulat verurteilt und ihr Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht, daß es im Rahmen dieser Ausschreitung Opfer auf Seiten der Straftäter gegeben habe. Der Sprecher des Auswärtigen Amtes habe in der Bundespressekonferenz vom 19. Februar 1999 im Zusammenhang mit den Vorgängen am israelischen Generalkonsulat ausgeführt, daß dem Auswärtigen Amt bisher keinerlei Anhaltspunkte dafür vorlägen, daß sich die israelischen Sicherheitskräfte in irgendeiner Weise schuldhaft verhalten hätten.




    231 Vgl. oben Ziff. 86.

    232 BGBl. 1969 II, 1585.

    233 BT-Drs. 14/784.

    234 Zur Entscheidung des IGH vom 27.6.2001, vgl. http://www.icj-cij.org/icjwww/idocket/igus/igusframe.htm.

    235 Bull. Nr. 13 vom 30.3.1999, 142.

    236 BGBl. 2000 II, 152.

    237 BT-Drs. 14/724.