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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1999


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Silja Vöneky/Markus Rau


XII. Zusammenarbeit der Staaten

4. Polizeiliche und militärische Zusammenarbeit

     110. Im Berichtszeitraum kam es zur Bekanntmachung von Abkommen über den gegenseitigen Schutz von Verschlußsachen. So wurde am 30. Juni 1999 das am 22. August 1998 in Kraft getretene Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Slowakischen Republik über den gegenseitigen Schutz von Verschlußsachen bekannt gemacht, am 27. April 1999 das entsprechende deutsch-lettische Abkommen, das am 19. März 1998 in Kraft getreten war, am 4. Juni 1999 das entsprechende deutsch-rumänische Abkommen, das am 21. Januar in Kraft getreten war, am 23. Juni 1999 das deutsch-litauische Abkommen, das am 17. Mai 1999 in Kraft getreten war, und am 9. September 1999 das deutsch-ukrainische Abkommen, das am 11. März 1999 in Kraft getreten war.273

     Ziel dieser Abkommen ist, die Sicherheit aller Verschlußsachen zu gewährleisten, die von der zuständigen Behörde einer Vertragspartei oder auf deren Veranlassung eingestuft und der anderen Vertragspartei über die hierfür ausdrücklich ermächtigten Behörden oder Stellen zu dem Zweck, den Erfordernissen der öffentlichen Verwaltung zu entsprechen, oder im Rahmen staatlicher Verträge/Aufträge mit öffentlichen oder privaten Stellen der Staaten beider Vertragsparteien übermittelt wurden, zu gewährleisten. Verschlußsachen sind danach im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, unabhängig von ihrer Darstellungsform. Die Vertragsparteien sind verpflichtet, im Rahmen ihres innerstaatlichen Rechts alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um Verschlußsachen, die nach dem Abkommen übermittelt werden, zu schützen.

     111. Im Berichtszeitraum beschloß der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates das Gesetz über die Rechtsstellung der dänischen, griechischen, italienischen, luxemburgischen, norwegischen portugiesischen, spanischen und türkischen Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland. Darin wird dem Notenwechsel vom 29. April 1998 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den genannten Staaten zugestimmt.274

     112. Bekannt gemacht wurde am 17. Mai 1999 das am 13. Oktober 1994 unterzeichnete und am selben Tag in Kraft getretene deutsch-ukrainische Abkommen über die Zusammenarbeit bei der Entwicklung gemeinsamer Technologien zur Eliminierung unterirdischer Raketenstartsilos;275 die Ergänzungsprotokolle276 zum deutsch-ukrainischen Protokoll vom 21. August 1996 über die Zusammenarbeit bei der Eliminierung unterirdischer Raketenstartsilos traten am 27. Mai 1997 und am 16. September 1998 in Kraft, wie am 21. Juni 1999 bekannt gemacht wurde.277

     Ziel des Abkommens ist es, bei der Eliminierung von unterirdischen Raketenstartsilos für ballistische Interkontinentalraketen zusammenzuarbeiten. Zum Zweck der gemeinsamen Entwicklung, der Erprobung und des praktischen Einsatzes neuer effektiver Technologien zur Eliminierung unterirdischer Raketenstartsilos wird das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland dem Verteidigungsministerium der Ukraine für das Vorhaben Ausrüstungsgegenstände und Dienstleistungen zur Verfügung stellen.

     113. Im Berichtszeitraum trat am 31. März 1999 das deutsch-amerikanische Abkommen über den Erwerb und Besitz von privateigenen Waffen durch Personal der Streitkräfte der Vereinigten Staaten in der Bundesrepublik Deutschland außer Kraft.278 Das genannte Abkommen war in Bonn am 29. November 1984 unterzeichnet worden279 und war für die Bundesrepublik Deutschland fristgerecht zum 31. März 1999 gekündigt worden. Nach dem Abkommen waren von den Militärbehörden der Vereinigten Staaten in der Bundesrepublik Deutschland an Personal der Streitkräfte gemäß den Militärvorschriften und -richtlinien für privateigene Schußwaffen ausgestellte Anmeldebescheinigungen den Erlaubnissen gleichgestellt, die nach dem Waffenrecht der Bundesrepublik Deutschland zum Erwerb und Besitz von Schußwaffen berechtigen.

     114. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage nahm die Bundesregierung zu Berichten über eine erneute militärische und polizeiliche Kooperation mit dem Regime in Indonesien Stellung.280

     Die Bundesregierung wies darauf hin, daß im Länderprogramm der Ausstattungshilfe (Polizei/Streitkräfte) Indonesien als Empfängerland seit 1995 nicht mehr berücksichtigt worden sei. Eine Aufnahme in das neue Programm (1999-2002) sei nicht vorgesehen:

     "Derzeit wird lediglich ein Projekt im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit durchgeführt. Hierbei handelt es sich um ein Ausbildungsprogramm des Polizeipräsidenten Berlins für eine einjährige Hospitation von zwei leitenden indonesischen Polizeioffizieren bei der Berliner Polizeibehörde. Der Ausbildungsplan, der u.a. auch den Bereich 'Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Demonstrationen' als generellen Bestandteil der Polizeiarbeit abdeckt (Dauer des Ausbildungsabschnitts: zwei Wochen) ist darauf ausgelegt, den Hospitanten grundlegende Kenntnisse über Aufgaben und Arbeitsweisen der Polizei in einem demokratischen Rechtsstaat zu vermitteln."281

     Auf die Frage, wie die Bundesregierung verhindern wolle, daß geplante militärische und polizeiliche Hilfe für die Fortsetzung der bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen mit Ost-Timor genutzt würden, stellte die Bundesregierung ausdrücklich klar, daß eine militärische Hilfe nicht vorgesehen sei.282

     115. In der Anwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zu Lieferungen deutscher Waffen für die UCK stellte die Bundesregierung fest, daß ihr dazu keine gesicherten Erkenntnisse vorlägen. Ihr sei auch nicht bekannt, wie die UCK ihre Waffenkäufe konkret finanziere.283

     116. Auch im Jahr 1999 war die militärische und polizeiliche Kooperation zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei Gegenstand Kleiner Anfragen im Bundestag.284 In der Anwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage führte diese zur Zusammenarbeit zwischen bundesdeutschen und türkischen Sicherheitsbehörden aus:285

     "Das Bundeskriminalamt unterhält wegen der besonderen kriminalgeographischen Relevanz der Türkei für die Kriminalitäts- und Sicherheitslage in Deutschland Beziehungen zu türkischen Polizei- und Strafverfolgungsbehörden im fachlich notwendigem Umfang mit Schwerpunkt allgemeine und organisierte Kriminalität.
     Vornehmlich zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels erfolgt - schon aufgrund eigener Interessenlage als 'Ziel- und Transitland' insbesondere von Heroin aus der Türkei - regelmäßig ein sowohl allgemeiner als auch jeweils fallbezogener Informationsaustausch mit türkischen Polizeibehörden. Die Übermittlung personenbezogener Daten richtet sich nach den einschlägigen Rechtsvorschriften, insbesondere den Datenschutzbestimmungen sowie den Regelungen zur Rechtshilfe in Strafsachen.
     Arbeitskontakte bestehen auch in Fragen der Bekämpfung politisch motivierter Straftaten, insbesondere der Terrorismusbekämpfung. Eine Weitergabe personenbezogener Informationen ist dabei auf alle Fälle beschränkt, in denen es zur Abwehr einer unmittelbar drohenden erheblichen Gefahr, etwa eines terroristischen Anschlags, geboten ist.
     Zur Erörterung grundsätzlicher Fragen polizeilicher Zusammenarbeit haben jeweils im November der Jahre 1997 und 1998 Treffen auf Leitungsebene zwischen dem Bundeskriminalamt und der Generaldirektion der türkischen Polizei stattgefunden. Bei letztgenannten Treffen standen neben Fragen der Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität Aktivitäten des in Köln ansässigen sogenannten 'Kalifats-Staates' ('Kaplan-Verband') in der Türkei und Meldungen über die Tötung einer deutschen Staatsangehörigen im Rahmen der Auseinandersetzung zwischen türkischen Sicherheitskräften und der PKK im Vordergrund. Im Anschluß an dieses Treffen fand ein Informationsbesuch der türkischen Seite bei der Grenzschutzgruppe 9 des Bundesgrenzschutzes statt.
     Zur Verbesserung der logistischen Arbeitsgrundlagen der türkischen Rauschgiftbekämpfungsdienststellen sowie der kriminalpolizeilichen Zusammenarbeit hat das Bundeskriminalamt in den vergangenen fünf Jahren Ausstattungshilfe von 704.611 DM geleistet. Es handelte sich dabei um Büro-, Video- und Fotoausstattung, Funk- und Kommunikationstechnik, Kriminaltechnische und EDV-Ausstattung sowie Fahrzeuge. Im gleichen Zeitraum wurden insgesamt zwölf Ausbildungsmaßnahmen u.a. zu den Themen 'Aufbau, Ausbildung und Organisation der deutschen Polizei', 'Internationale polizeiliche Zusammenarbeit', 'Polizeiliches Informationswesen', 'Analysesoftware', 'Elektronenmikroskopie', 'Ballistik', 'Maschinenschrifterkennung' und eine 'Sprachausbildung' durchgeführt, an denen insgesamt 111 türkische Beamte teilnahmen.
     Kontakte des Bundesgrenzschutzes zur türkischen Grenzpolizei beschränken sich im wesentlichen auf die regelmäßige Übermittlung der Sonderlageinformationen 'Afghanistan, Irak und Kosovo' an die türkische Grenzpolizei. Diese enthält keinerlei personenbezogene Daten. In wenigen Fällen hat auch der türkische Grenzschutz Kurzsachverhalte zur illegalen Einreise und zur Schleuserkriminalität an den Bundesgrenzschutz übermittelt." 286

     Die Bundesregierung betonte, daß sie eine Zusammenarbeit deutscher und türkischer Sicherheitsbehörden grundsätzlich auch weiterhin für unverzichtbar halte. Der Bundesregierung sei aber bekannt, daß türkische Sicherheitskräfte landesweit gegen mutmaßliche Anhänger der PKK vorgingen und daß dabei auch Angehörige anderer, insbesondere kurdischer Gruppen wegen des Verdachts einer Zusammenarbeit mit der PKK polizeilich und strafrechtlich verfolgt würden.287

     117. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage beschäftigte sich die Bundesregierung mit der ausländer- und asylpolitischen Zusammenarbeit mit den Baltischen Staaten.288 Anlaß waren zum einen die Angaben des UNHCR (Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen), wonach es in Estland, Lettland und Litauen Probleme bei der Umsetzung der erst jüngst verabschiedeten Ausländer-Asylgesetze gebe, und Medienberichte, wonach auf Druck der Bundesregierung sowie insbesondere der polnischen Regierung die Baltischen Staaten ihrerseits begonnen hätten, ihre Ostgrenzen gegen Flucht- und Migrationsbewegungen abzuschotten.

     Die Bundesregierung stellte fest, daß die Baltischen Staaten als Transitländer, bezogen auf den See- und Luftweg, nur von geringer Bedeutung seien. Im Jahre 1998 seien von insgesamt 6789 ohne gültige Ausweispapiere festgestellten und auf dem Luftweg nach Deutschland beförderten Ausländer nur 190 als aus den Baltischen Staaten kommend registriert worden. Von den im Jahre 1998 insgesamt 719 ohne gültige Ausweispapiere festgestellten und auf dem Seeweg beförderten Ausländern seien nur 11 Personen als aus den Baltischen Staaten kommend registriert worden. Die EU-Kommission habe im Rahmen des PHARE-Programms 1996/1997 ein sogenanntes Eastern-Boarder-Management-Programm aufgelegt, das die Unterstützung der Baltischen Staaten bei der Sicherung ihrer Ostgrenzen zum Ziel habe. Nach den Informationen der Bundesregierung werden daraus u.a. Maßnahmen zur Demarkation der Ostgrenze sowie der Modernisierung eines Ausländerregistrierzentrums in Litauen finanziert.289

     Zu der Frage, welche bilateralen Maßnahmen zur Zusammenarbeit mit den Baltischen Staaten auf den Feldern der Ausländer-Asylpolitik sowie der inneren Sicherheit durch die Bundesregierung ergriffen werden, antwortete diese wie folgt:

     "Die Bundesregierung betrachtet die Ostseeanrainerstaaten als kriminalgeographischen Raum, der besondere Beachtung verdient. Im Bereich der inneren Sicherheit werden verschiedene Maßnahmen zur bilateralen Zusammenarbeit durchgeführt.
     Im Rahmen der Zusammenarbeit mit den mittel-osteuropäischen Staaten wurden Regierungsabkommen bei der Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität u.a. mit Estland und Lettland geschlossen. Ein entsprechendes Abkommen mit Litauen steht zur Vertragsunterzeichnung an.
     Ein Schwerpunkt der bilateralen Zusammenarbeit im Bereich der inneren Sicherheit bildet der Informationsaustausch."290



    273 BGBl. 99 II, 420, 607, 477, 569, 956.

    274 BGBl. 1999 II, 506.

    275 BGBl. 1999 II, 437.

    276 BGBl. 1999 II, 441, 443.

    277 BGBl. 1999 II, 540.

    278 BGBl. 1999 II, 177.

    279 BGBl. 1985 II, 676.

    280 BT-Drs. 14/368.

    281 Ibid., 3.

    282 Ibid.

    283 BT-Drs. 14/862.

    284 Vgl. dazu im Jahr 1998, Raible (Anm. 1), Ziff. 117.

    285 BT-Drs. 14/720.

    286 Ibid., 2 f.

    287 Ibid. Vgl. zu der Kleinen Anfrage der PDS hinsichtlich des Einsatzes deutscher Waffen in kurdischen Provinzen die Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 14/958.

    288 BT-Drs. 14/362, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Pau, Jelpke und der Fraktion der PDS, BT-Drs. 14/362.

    289 Ibid., 1.

    290 Ibid., 2.