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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1999


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Silja Vöneky/Markus Rau


XIII. Umwelt- und Naturschutz

1. Allgemeiner Umweltschutz

     132. Vom 26. bis 28. März 1999 fand in Schwerin das Umweltministertreffen der acht großen Industriestaaten (G 8) statt. Nach Ansicht von Bundesumweltminister Trittin war das G 8-Umweltministertreffen ein bedeutender Schritt zur Stärkung des Umweltschutzes in den internationalen Beziehungen. Es habe ein deutliches Signal an die Staats- und Regierungschefs der G 8 gesetzt, der Beachtung ökologischer Anforderungen in den weltweiten Wirtschafts- und Handelsbeziehungen mehr Nachdruck zu verschaffen.

     Die Umweltminister seien sich darin einig gewesen, daß die zunehmende wirtschaftliche Globalisierung einen globalen ökologischen Ordnungsrahmen erfordere, der den Schutz der Umwelt auch im internationalen Wettbewerb sicherstelle und "Umweltdumping" verhindere.

     Einig seien sich die Minister auch darin gewesen, daß Umweltbelastung, Ressourcenknappheit und ihre sozio-politischen Folgen eine potentielle Bedrohung für die Sicherheit darstellen, da sie innerstaatliche und zwischenstaatliche Konflikte verursachen oder verschärfen können. Einigkeit wurde daher darüber erzielt, daß die Beziehungen zwischen Umweltbelastung und Sicherheit weiter zu behandeln seien, mit dem Ziel, umweltbedingte Konflikte zu verhindern und zu entschärfen.

     Die G 8-Umweltminister erkannten an, daß ihnen als führenden Industrienationen eine besondere Verantwortung und Schlüsselrolle beim Klimaschutz zukomme. Sie erklärten zudem, daß dringend weitere Schritte zur Beschränkung der CO2-Emmissionen im Verkehrsbereich erforderlich seien, um deren Anstieg entgegenzuwirken.

     Die G 8-Umweltminister bedauerten, daß es bei der Sondervertragsstaatenkonferenz der Konvention über die biologische Vielfalt im Februar 1999 in Cartagena nicht gelungen sei, eine Einigung über ein Protokoll zur biologischen Sicherheit zu erzielen.324

     133. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der PDS-Fraktion nahm die Bundesregierung Stellung zu den Konsequenzen aus der Unterzeichnung der Aarhus-Konvention (Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten)325 für das bundesdeutsche Recht. 326

     Die Konvention begründet einen umfassenden Anspruch von jedermann auf den Zugang von Umweltinformation bei Behörden. Die Konvention sieht vor, daß eine Behörde einen Antrag auf Informationszugang nur unter bestimmten, im einzelnen bezeichneten eng auszulegenden Voraussetzungen ablehnen darf. Darüber hinaus verpflichtet die Konvention die Vertragsstaaten dazu, auch ohne entsprechenden Antrag bestimmte Umweltinformationen zugänglich zu machen. Die Konvention sieht außerdem auch eine Öffentlichkeitsbeteiligung im Hinblick auf die Zulassung von Projekten mit erheblichen Umweltauswirkungen vor. Dabei schreibt die Konvention im einzelnen vor, auf welche Weise die Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen ist. Weiter ist eine Öffentlichkeitsbeteiligung während der Vorbereitung umweltbezogener Pläne, Programme und Politiken vorgesehen. Im Bereich des Gerichtszugangs regelt die Konvention Widerspruchsverfahren und Klagerechte für Einzelpersonen und Umweltverbände im Falle der Verweigerung des Informationszugangs, im Hinblick auf Entscheidungen, die der Öffentlichkeitsbeteiligung unterliegen sowie im Hinblick auf Verstöße gegen umweltrechtliche Vorschriften allgemein.

     Die Bundesregierung hatte am 21. Dezember 1998 die Aarhus-Konvention unterzeichnet.327 Zu der Frage, welche Schritte unternommen werden, um die Verpflichtungen der Konvention in innerstaatliches Recht umzusetzen, stellte sie fest, daß vor der Ratifizierung das nationale Recht an die Erfordernisse der Konvention angepaßt werden müsse. Hierzu müsse zunächst aber die Europäische Gemeinschaft, die die Konvention ebenfalls unterzeichnet habe, ihre entsprechenden Richtlinien an die Vorgaben der Konvention anpassen. Die Bundesregierung werde deshalb die erforderlichen Änderungen des deutschen Rechts grundsätzlich erst dann in Angriff nehmen, nachdem die erforderlichen Anpassungen auf Ebene des EU-Rechts erfolgt seien. Im übrigen entspreche das deutsche Recht bereits den Anforderungen an Beteiligungsrechten, wie sie in Art. 6 der Konvention enthalten seien.328

     134. Im Juni 1999 fand die jährliche Sitzung der deutsch-polnischen Kommission für nachbarschaftliche Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Umweltschutzes statt. Aufgabe der Kommission ist es, den Rahmen für einen abgestimmten grenzüberschreitenden Umweltschutz zu schaffen und die Zusammenarbeit in den grenznahen Regionen zu fördern.

     Gegenstand des Treffens war die Durchführung grenzüberschreitender Umweltverträglichkeitsprüfungen, die Zusammenarbeit bei Industrieunfällen mit grenzüberschreitender Auswirkung, Fragen des grenznahen Naturschutzes und die Bewirtschaftung der Oder. Die Nachbarschaftskommission bekräftigte ihren Standpunkt, daß alle Maßnahmen zum Ausbau und zur Erhaltung der Oder als Wasserstraße unter dem Aspekt der nachhaltigen Entwicklung und nicht hochwasserverschärfend gestaltet werden müssen. 329

     Die Vorbereitung Polens auf den Beitritt zur Europäischen Union stand im Mittelpunkt der achten Sitzung des Deutsch-Polnischen Umweltrats, der im September 1999 tagte.330 Bundesumweltminister Trittin erklärte, daß die Erweiterung der Europäischen Union im Umweltbereich die Chance biete, für ganz Europa anspruchsvolle Grenzwerte, Verfahren und Standards einzuführen. Wertvolle Naturbereiche könnten länderübergreifend geschützt werden. Der Bundesumweltminister sagte Polen Unterstützung auf dem Weg in die Europäische Union zu, damit das Land die Standards der Gemeinschaft bis zum Zeitpunkt des Beitritts weitgehend erreiche. Ende Oktober 1999 startete in Polen ein erstes Twinning-Projekt, an dem Deutschland gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien beteiligt ist. Diese Partnerschaftsprojekte wurden von der EU-Kommission eingerichtet, um in den Mittel- und Osteuropäischen Beitrittsstaaten die Voraussetzungen für die Übernahme der EU-Vorschriften zu schaffen.

     135. Auch bei dem deutsch-tschechischen Umweltministertreffen im August 1999 lag der Schwerpunkt der Beratungen auf der zukünftigen Zusammenarbeit für die Beitrittsvorbereitungen zur Europäischen Union. Der Bundesumweltminister Trittin betonte, daß Deutschland Tschechien bei den Vorbereitungen für den EU-Beitritt tief unterstützen werde. Nach seiner Auffassung gehört die Heranführung der Beitrittsländer an die Umweltstandards der EU zu den Prioritäten bei den Beitrittsverhandlungen. Das Vorgehen der EU-Kommission, für jedes der Beitrittsländer eine individuelle Strategie zur Erreichung dieses Ziels zu erarbeiten, wurde von ihm ausdrücklich befürwortet. Die Umweltminister vereinbarten, die bisherige Kooperation im Rahmen der Luftreinhaltung künftig im Rahmen einer Expertengruppe der deutsch-tschechischen Umweltkommission durchzuführen. Darüber hinaus wurde beschlossen, eine Kooperation in den Bereichen Umwelt und Energie, Klimaschutz sowie Umweltschutz und Arbeitsplätze am Beispiel der Braunkohlesanierung in den neuen Bundesländern aufzubauen.331

     Am 2. Januar 1999 war zudem das deutsch-tschechische Abkommen über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Umweltschutzes vom 24. Oktober 1996 in Kraft getreten.332

     136. Im Mai 1999 trat die mit dem deutsch-slowakischen Umweltabkommen vom 14. Juli 1997 eingerichtete Leitgruppe zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Die Gruppe unter Vorsitz des Bundesumweltministeriums und des slowakischen Umweltministeriums soll die Kooperation beider Staaten im Umweltbereich leiten und koordinieren. Als erste Themen der Zusammenarbeit wurden vereinbart: die Vorbereitung der slowakischen Seite auf den Beitritt zur EU, Umwelt und Energie, Abstimmungen unter internationalen Umweltfragen. Auch zwischen der Slowakei und Deutschland besteht ein von der EU finanziertes Twinning-Projekt, in dem Deutschland die Slowakei bei der Erarbeitung neuer abfallwirtschaftlicher Gesetze unterstützt, um die Vorgaben der EU einhalten zu können.333

     137. Am 27. August 1999 wurde von Deutschland eine Partnerschaftsvereinbarung mit Bulgarien unterzeichnet.334 An dieser Vereinbarung sind neben Deutschland auch Frankreich und Österreich beteiligt. Im Rahmen der Vereinbarung werden die genannten Staaten Bulgarien bei den Beitrittsvorbereitungen zur EU auf dem Gebiet des Umweltschutzes unterstützen. Dazu gehört insbesondere die Angleichung der Rechtsnormen in den Bereichen Luftreinhaltung, Wasserwirtschaft, Abfallbehandlung, Naturschutz und Umweltinformationssystemen. Hauptaufgaben der deutschen Beratung wird die Unterstützung des bulgarischen Umweltministeriums bei der Ausarbeitung eines nationalen Umweltplans und der Umsetzung der nationalen Umweltstrategie in Gütestandards für Luft-, Wasser- und Bodenqualität sein. Beratungsaufgaben werden zudem auf den Gebieten Abfallwirtschaft und Altlasten übernommen werden.

     138. Zu bilateralen umweltpolitischen Gesprächen mit den USA hielt sich Bundesumweltminister Trittin im April 1999 in Washington, D.C. auf. In den Gesprächen standen Fragen der Intensivierung der bilateralen Zusammenarbeit und der internationalen Umweltverhandlungen im Mittelpunkt. Es wurde eine engere Zusammenarbeit auf dem Gebiet der nuklearen Entsorgung vereinbart. In bezug auf die Bereiche Handel und Umwelt begrüßten beide Seiten, daß sich die G 8-Umweltminister im März 1999 über die Notwendigkeit eines globalen ökologischen Ordnungsrahmens einig waren. Ziel ist für alle Akteure auf dem Weltmarkt sicherzustellen. Daß auch im globalen Wettbewerb der Umweltschutz einen hohen Stellenwert erhält. Verfolgt werden dabei die folgenden Ziele:

     Beschleunigung der internationalen Zusammenarbeit bei der Entwicklung und Verbesserung von Umweltstandards und Umweltnormen.

     Ausnahme des Themas "Handel und Umwelt" als Schlüsselthema in der nächsten Welthandelsrunde der WTO Ende 1999 in Seattle.

     Verbesserung der Integration von Umweltbelangen in der Arbeit internationaler Finanzinstitutionen und Exportkreditagenturen.

     Bundesumweltminister Trittin betonte, daß insbesondere die Beziehungen zwischen WTO-Regeln und Multilateralen Umweltabkommen im Mittelpunkt der Diskussion stehen sollten.

     Unterschiedliche Ansätze wurden im Hinblick auf die internationalen Klimaverhandlungen vertreten. Bundesumweltminister Trittin betonte die Notwendigkeit, mit der Umsetzung nationaler Klimaschutzmaßnahmen in den Industrieländern eine Vorreiterrolle zu übernehmen, die die Gespräche mit den Entwicklungsländern erleichtern würde. Nach Ansicht der USA gelte es für die Entwicklung eines "globalen Systems" die Rolle der Entwicklungsländer weiter zu klären.335




    324 Umwelt 5/1999, 189.

    325 Zum Konventionstext vgl. http://text.bundesumweltministerium.de/download/dateien/aarhus.pdf.

    326 BT-Drs. 14/746.

    327 Vgl. Umwelt 4/1999, 146.

    328 BT-Drs. 14/746.

    329 Umwelt 9/1999, 413.

    330 Umwelt 11/1999, 512; dazu auch Raible (Anm. 1), Ziff. 139. Allgemein zu den Twinning-Programmen vgl. Umwelt 1/1999, 7 f.

    331 Umwelt 10/1999, 462 f. Zur Sitzung der deutsch-tschechischen Umweltkommission vgl. Umwelt 11/1999, 512 f.

    332 BGBl. 1999 II, 182. Zum Abkommen selbst, BGBl. 1998 II, 2586; vgl. Raible (Anm. 1), Ziff. 135.

    333 Umwelt 7-8/1999, 325.

    334 Umwelt 10/1999, 463.

    335 Umwelt 6/1999, 266 f.