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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1999


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Silja Vöneky/Markus Rau


XIII. Umwelt- und Naturschutz

7. Abfall und gefährliche Güter

     152. Die sechste Sitzung des Zwischenstaatlichen Verhandlungsausschusses Rotterdamer Übereinkommen über das Verfahren der vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung für bestimmte gefährliche Chemikalien sowie Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel im internationalen Handel (PIC-Konvention) vom 10. September 1998377 tagte im Juli 1999 in Rom.378 Ziel der Sitzung war, die Umsetzung des Übereinkommens durch geeignete Instrumente voranzubringen.

     Kernstück des Rotterdamer Übereinkommens ist ein qualifiziertes Informations- und Notifizierungssystem. Danach können Exportländer die unter dieses Verfahren fallende Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel und Industriechemikalien in ein anderes Land nur importieren, wenn dieses grundsätzlich dem Import zugestimmt hat (Prior Informed Consent - PIC).379 Deutschland hatte die Konvention am 11. September 1998 unterzeichnet und am 11. Januar 2001 ratifiziert.

     Aufgabe des internationalen Verhandlungskomitees war es, daß bisher bestehende "freiwillige PIC-Verfahren" bis zum Inkrafttreten der Kommission in Übereinstimmung mit den Regelungen der Konvention zu bringen. Verhandlungsschwerpunkte waren: die Festsetzung des Interim-PIC-Verfahrens in der Interimsperiode; die Annahme von "Decision Guidance Documents" für schon identifizierte Chemikalien, die in das PIC-Verfahren aufgenommen werden sollen; die Sicherung der Interim-Aktivitäten des Sekretariats und finanzielle Fragen.

     Beschlossen wurde die Gründung eines vorläufigen Ausschusses für chemische Prüfung (Interim Chemical Review Committee - ICRC), besetzt mit 27 Experten, der Empfehlungen über die Einbeziehung verbotener oder in der Verwendung stark beschränkter Chemikalien oder gefährlicher Pflanzenschutzmittel aussprechen soll; weiter wurde beschlossen, als neue Stoffe die - in Deutschland verbotenen Chemikalien - Binapacryl380 und Toxaphene381 in das Interim-PIC-Verfahren einzubeziehen.

     Deutschland erneuerte auf der Konferenz auch seine Bewerbung zur Ansiedlung des PIC-Sekretariats in Bonn. Die endgültige Entscheidung zum Standort des Sekretariats wird die erste Vertragsstaatenkonferenz wahrscheinlich im Jahr 2002 treffen.382

     153. Im Berichtszeitraum fand die dritte Runde der Regierungsverhandlungen zu der Konvention über Persistente Organische Stoffe (POP-Konvention) statt.383 Über die Konvention war bereits im Sommer 1998 verhandelt worden. Ziel der Vertragsparteien ist es, mit der Konvention zu einem weltweiten Verbot gefährlicher Chemikalien zu kommen: Verboten werden soll die Herstellung und Verwendung von Umweltgiften (dauerhaften organischen Schadstoffen/persistant organic pollutants). Im Mittelpunkt der Verhandlungen standen zwölf als besonders kritisch eingestufte Chemikalien, die acht Pflanzenschutzmittel (Aldrin, Chlordan, DDT, Dieldrin, Endrin, Heptachlor, Mirex und Toxaphen), zwei Industriechemikalien (Hexachlorbenzol, PCB) und zwei Gruppen von unerwünschten Nebenprodukten (Dioxine und Furane). Gemeinsam ist diesen Stoffen, daß sie bereits in sehr niedrigen Dosen krebserregend wirken können und dem Nervensystem schaden. Ihre wesentlichen Eigenschaften sind neben ihrer Gefährlichkeit, ihre Dauerhaftigkeit und ihre Fähigkeit zum weltweiten Transport in der Luft und im Wasser.

     Während der Verhandlungen im Berichtszeitraum wurden wesentliche Fortschritte zur Verabschiedung der Konvention erzielt: Acht Stoffe sollen unter ein sofortiges Verbot sowohl für die Herstellung als auch den Gebrauch fallen. Im Hinblick auf DDT wurde beschlossen, dieses im Rahmen der POP-Konvention zwar für sämtliche landwirtschaftliche Zwecke zu verbieten, aber eine generelle Ausnahme zur Malariabekämpfung für eine Übergangsfrist zu erlauben, bis vollwertige Ersatzstoffe vorhanden seien. Bei der Industriechemikalie PCB solle die Herstellung und der Neueinsatz verboten werden; aber auch hier solle es für den Gebrauch der bereits eingesetzten PCB Übergangsfristen geben. Neben den Verbotsnormen im Hinblick auf die genannten Chemikalien solle die Konvention auch Regelungen zur technischen und finanziellen Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern enthalten. Die Geberländer schlugen im Hinblick auf den Finanzierungsmechanismus vor, vorhandene Finanzierungswege und -mittel im Rahmen der Entwicklungshilfe zu nutzen und als existierende Institution, die Global Environment Facility.384

     154. Im Dezember 1999 fand die fünfte Vertragsstaatenkonferenz des Basler Übereinkommens über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung statt.385 Das 1989 unterzeichnete und am 5. Mai 1992 in Kraft getretene Übereinkommen regelt die grenzüberschreitende Verbringung und die Entsorgung gefährlicher Abfälle. Kern des Übereinkommens sind Bestimmungen über die Notifizierung von Abfallexporten. Erst wenn der Exportstaat, die Transitstaaten und der Importstaat der Verbringung zugestimmt haben, darf diese stattfinden. Neben dieser Regel sind Normen über Kontrollmaßnahmen enthalten sowie über Maßnahmen für Fälle, in denen eine illegale Verbringung stattgefunden hat. Die Konvention wurden in der Europäischen Union durch die EG-Abfallverbringungs-Verordnung 259/93 umgesetzt; in Deutschland wurde diese wiederum durch das Abfallverbringungsgesetz in nationales Recht umgesetzt.

     Ein Hauptproblem der Vertragsstaatenkonferenz war der Abschluß eines Haftungsprotokolls. Nach sieben Jahren Verhandlungen sollte das erste weltweite Umwelt-Haftungsregime eingerichtet werden. Hauptstreitpunkte dabei waren die Einrichtung eines Haftungs- und Entschädigungsfonds und die Möglichkeit für Staaten, die bereits ein funktionierendes Haftungsregime besaßen, von den Regelungen des Protokolls freigestellt zu werden.

     Deutschland war der Auffassung, daß ein Pflichtfonds, d.h. ein Fonds in den regelmäßig in bestimmter Höhe Gelder eingezahlt werden müssen, nicht wünschenswert erscheine:

     Zum einen würden durch einen solchen Fonds die Anreize für Verantwortliche gesenkt werden, da sie im Zweifel nicht für von ihnen verursachte Schäden finanziell haftbar gemacht würden; dies wiederum würde dazu führen, daß die zur Verfügung zu stellenden Mittel sehr hoch sein müßten; es gäbe im übrigen keinerlei Regeln und Maßstäbe, wer zu welchem Zwecke Gelder aus dem Fonds erhalten solle; es sei weder ein Entscheidungsgremium noch ein Kriterienkatalog vorhanden. Ein Kompromißvorschlag sah einen Fonds vor, aus dem in Notfällen technische und finanzielle Hilfe geleistet werden könne, der sich jedoch aus freiwilligen Beiträgen finanzieren soll.386




    377 BR-Drs. 462/99.

    378 Umwelt 9/1999, 447 f.

    379 Vgl. dazu Raible (Anm. 1), Ziff. 158.

    380 Binapacryl ist ein Pflanzenschutzmittelwirkstoff, der in Pilz und Milbenbekämpfungsmitteln enthalten ist; vgl. FAO-Aktuell 29/1999 vom 23.7.1999 unter http://www.verbraucherministerium.de/welternaehrung/fao-aktuell-1999/fa9929.htm.

    381 Toxaphene ist ein Fraß- und Kontaktinsektizid, das auch als Fraßgift gegenüber Nagetieren wirkt; vgl. Ibid.

    382 Umwelt 9/1999, 447. Die Konvention ist zur Zeit noch nicht in Kraft (Stand: 1.10.2001), vgl. http://www.pic.int/.

    383 Umwelt 11/1999, 543 f.

    384 Ibid.

    385 BGBl. 1994 II, 2704.

    386 Umwelt 12/1999, 616.