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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1995


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Rainer Grote

XI. Rechtshilfe und Auslieferung

1. Rechtshilfe

    134. Am 10. April 1995 beschloß der Deutsche Bundestag das Gesetz über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (Jugoslawien-Strafgerichtshof-Gesetz).291 Das Gesetz regelt die für die Erfüllung der sich aus der Resolution 827 (1993) des VN-Sicherheitsrates und dem zugleich erlassenen Statut für einen Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien292 ergebenden Pflichten der Bundesrepublik Deutschland erforderlichen Anpassungen des innerstaatlichen Rechts. In der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung wird hierzu ausgeführt, die Resolution und das Statut des Gerichtshofes schüfen jedenfalls für die VN-Mitgliedstaaten ohne weitere Umsetzungsakte der nationalen Gesetzgeber unmittelbar bindende Verpflichtungen, da die Einsetzung des Internationalen Strafgerichtshofes auf einem auf Kapitel VII der VN-Charta gestützten Beschluß des Sicherheitsrates beruhe. Dies gelte insbesondere für Art. 29 Abs. 2 des Statuts, wonach die Staaten allen Rechtshilfeersuchen und allen von den Strafkammern des Gerichtshofes erlassenen "Anordnungen" unverzüglich nachzukommen hätten. Soweit darüber hinaus Art. 18 des Statuts der Anklagebehörde das Recht zu eigener Ermittlungstätigkeit im Hoheitsbereich der einzelnen Staaten einräume, liege darin für die Bundesrepublik eine Wahrnehmung von Hoheitsrechten durch eine "zwischenstaatliche Einrichtung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 GG, wobei davon auszugehen sei, daß die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts herausgearbeiteten verfassungsmäßigen Grenzen für die Übertragung von Hoheitsrechten eingehalten seien. Ungeachtet der unmittelbaren Bindungswirkung der Resolution sei der Erlaß einer Reihe materieller und Verfahrensvorschriften erforderlich, um das deutsche Recht mit den sich aus der Resolution und dem Statut ergebenden Staatenverpflichtungen und der Übertragung von Hoheitsrechten in Einklang zu bringen.293
    Zu diesem Zweck statuiert § 1 des Gesetzes noch einmal ausdrücklich die Verpflichtung deutscher Stellen zur Zusammenarbeit mit dem Gerichtshof und seinen Organen zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus den Sicherheitsresolutionen 808 (1993) und 827 (1993) ergeben. § 2 schreibt vor, daß auf Ersuchen des Jugoslawien-Strafgerichtshofes Strafverfahren, die Straftaten betreffen, die seiner Gerichtsbarkeit unterliegen, in jedem Stadium des Verfahrens auf den Gerichtshof übergeleitet werden. War in dem übergeleiteten Verfahren bereits rechtskräftig auf eine Strafe erkannt worden, so ist im Hinblick auf den Grundsatz "ne bis in idem" von der weiteren Vollstreckung dieser Strafe abzusehen, sobald der Verurteilte dem Gerichtshof überstellt worden ist. § 3 normiert die Pflicht, auf Ersuchen des Gerichtshofes Personen, die sich im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, zur Verfolgung wegen einer der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofes unterliegenden Straftat oder zur Vollstreckung einer wegen einer solchen Straftat verhängten Straftat in Haft zu nehmen und an den Gerichtshof oder an den Staat, der die Strafvollstreckung übernommen hat, auszuliefern. In § 4 sind die Fälle sonstiger Rechtshilfe geregelt, wobei Abs. 2 in Abweichung von den im Rechtshilfeverkehr mit anderen Staaten allgemein geltenden Grundsätzen vorsieht, daß Ladungen von Zeugen und Sachverständigen vor den Jugoslawien-Strafgerichtshof mit denselben Ordnungsmitteln durchgesetzt werden können, die durch ein deutsches Gericht oder eine deutsche Staatsanwaltschaft angeordnet werden könnten. Auf die Rechtshilfe durch Vollstreckung einer rechtskräftigen, vom Gerichtshof verhängten Freiheitsstrafe erklärt das Gesetz im wesentlichen die einschlägigen Bestimmungen des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für entsprechend anwendbar. Das Gesetz sieht ferner vor, daß die Vorschriften des Fünften und des Siebten Teils des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG), die sich mit der Rechtshilfe in Fällen befassen, in denen keine Eingriffe in Rechte einzelner erforderlich werden, künftig generell auf Ersuchen zwischen- und überstaatlicher Einrichtungen um Rechtshilfe in strafrechtlichen Angelegenheiten entsprechende Anwendung finden.

    135. Zur Zusammenarbeit der Bundesrepublik mit dem Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda führte die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Schriftliche Anfrage aus:

    "Durch die zuständigen Fachressorts wird gegenwärtig die Frage erörtert, inwieweit das bereits zur Regelung der Zusammenarbeit der deutschen Justizbehörden mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien verabschiedete Gesetz auf die Zusammenarbeit mit dem Strafgerichtshof für Ruanda ausgeweitet werden kann. Das Gesetz über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof ermöglicht jedoch schon jetzt die Gewährung einfacher Rechtshilfe (außer Überstellung) für andere internationale Institutionen � also auch für den Strafgerichtshof in Ruanda."294
    Als drittgrößter Beitragszahler zum Budget der Vereinten Nationen werde Deutschland auch zur finanziellen Absicherung der Tätigkeit dieses Strafgerichtshofes in erheblichem Umfang beitragen. Darüber hinaus habe die Bundesregierung ihre grundsätzliche Zusage gegeben, der Anklagebehörde einen Juristen bzw. Gerichtsmediziner für die Zeitdauer eines Jahres zur Verfügung zu stellen.295

    136. Am 4. Dezember 1995 erging das Zustimmungsgesetz zu dem Vertrag vom 26. Mai 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Thailand über die Überstellung von Straftätern und über die Zusammenarbeit bei der Vollstreckung von Strafurteilen.296 In der Denkschrift der Bundesregierung heißt es zur Zielsetzung des Abkommens:

    "Die nach deutschen Maßstäben strengen Haftverhältnisse in thailändischen Strafanstalten, die relativ hohe Anzahl deutscher Staatsangehöriger im dortigen Vollzug und die thailändische Rechtslage, nach der eine Überstellung von verurteilten Personen in ihr Heimatland zur Verbüßung der verhängten Strafe ohne völkerrechtlichen Vertrag nicht möglich ist, geben Anlaß, die hierfür erforderliche Grundlage zu schaffen.
    Da die Regierung des Königreichs Thailand weder dem deutschen Vorschlag folgen wollte, dem multilateralen Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen vom 21. März 1983 (für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft seit dem 1. Februar 1992) beizutreten, noch den Musterentwurf der Vereinten Nationen über die Überstellung verurteilter Personen bilateralen Vertragsverhandlungen zugrunde legen wollte, mußten die Verhandlungen auf der Grundlage von Verträgen erfolgen, die das Königreich Thailand mit mehreren Staaten Europas sowie mit den Vereinigten Staaten von Amerika und Kanada über die Überstellung verurteilter Straftäter abgeschlossen hatte."297
    Der Vertrag sieht keine Überstellungspflicht vor. Vielmehr kann nach Art. 2 des Vertrages eine Überstellung aus dem Hoheitsgebiet der einen Vertragspartei, in dem die Verurteilung der betreffenden Person erfolgt ist, in das Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei erfolgen, wenn hierüber Einigkeit zwischen den Vertragsparteien hergestellt wird und die verurteilte Person ihre Zustimmung erteilt.298 Die Anwendung des Vertrages ist ausgeschlossen, wenn die der Verurteilung zugrundeliegende Straftat nach thailändischem Recht sich gegen die innere oder äußere Sicherheit, die königliche Familie oder gegen Kulturschutzbestimmungen richtet (Art. 3 c)). Eine Überstellung kommt erst in Betracht, wenn der Verurteilte im überstellenden Staat eine bestimmte Mindestdauer der Freiheitsstrafe, Unterbringung oder sonstigen Form der Freiheitsentziehung verbüßt hat (Art. 3 e)). Art. 3 i) sieht darüber hinaus einen besonderen Ablehnungsgrund für das Überstellungsersuchen einer Vertragspartei vor. Danach führt der übernehmende Staat, wenn nach seinem Recht sein zuständiges Gericht zur Vollstreckung der vom Gericht des überstellenden Staates gegen den Straftäter verhängten Strafe eine Entscheidung zu treffen hat, diese Gerichtsentscheidung herbei, bevor der überstellende Staat den Straftäter überstellt. Falls die vom Gericht des übernehmenden Staates festgesetzte Dauer der Vollstreckung der Sanktion kürzer ist als die Dauer der noch zu verbüßenden Reststrafe, hat der überstellende Staat das Recht, das Ersuchen abzulehnen. In der Denkschrift zum Vertrag weist die Bundesregierung darauf hin, daß diese Lösung sowohl von dem multilateralen Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen als auch vom Musterentwurf der Vereinten Nationen über die Überstellung verurteilter Personen abweicht, die in Fällen, in denen die Sanktion ihrer Dauer nach mit dem Recht des Vollstreckungsstaates nicht vereinbar ist, eine Anpassung an die nach dem nationalen Recht vorgeschriebene Höchststrafe vorsehen.299 Ferner heißt es dort:
    "Diese ungewöhnliche Vorschrift ist darauf zurückzuführen, daß sich die deutsche Seite nicht in der Lage sah, nach dem Vorbild der früheren bilateralen thailändischen Vollstreckungshilfeverträge bei der Exequaturentscheidung eine Bindung des deutschen Gerichts an die Höhe der in Thailand verhängten Strafe auch dann einzugehen, wenn diese das nach deutschem Recht vorgeschriebene Höchstmaß bei weitem übertrifft. Da die thailändische Seite andererseits sich nicht in der Lage sah, die sowohl im Überstellungsübereinkommen als auch im Musterentwurf der Vereinten Nationen vorgesehene Anpassung nach Maßgabe des nationalen Rechts zuzugestehen, sieht diese pragmatische, im Kompromißweg gefundene und dogmatisch nicht saubere Lösung vor, daß bei der Verhängung von Freiheitsstrafen in Thailand, die das Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe von 15 Jahren nach deutschem Recht (vgl. § 38 Abs. 2 StGB) übersteigen, eine Überstellung jedenfalls dann abgelehnt werden kann, wenn auch nach königlichen Amnestien und sonstigen Straferlassen in Thailand die vom deutschen Gericht der Höhe nach für vollstreckbar erklärte Strafe geringer ist als die noch in Thailand zu verbüßende Reststrafe."300
    In diesem Zusammenhang wird auch grundsätzlich zu den Problemen des Vollstreckungshilfeverkehrs zwischen Staaten mit unterschiedlichen Rechtssystemen Stellung bezogen:
    "Diese Kompromißlösung verdeutlicht die Problematik der Eröffnung des Vollstreckungshilfeverkehrs zwischen Staaten, deren Rechtssysteme, insbesondere im Bereich der Strafzumessungspraxis, kaum kompatibel sind. Derartige Erfahrungen sind bereits beim Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen gemacht worden. Die Verhängung hoher Strafen im Urteilsstaat wird häufig begleitet von einem großzügigen System von Teilamnestien und Strafermäßigung bei guter Führung und/oder Arbeit im Vollzug. Im Ergebnis hat daher die verurteilte Person bei einer Strafverbüßung im Urteilsstaat in vielen Fällen eine kaum höhere Strafe zu verbüßen als etwa in der Bundesrepublik Deutschland mit ihren eher niedrigen Strafen, aber restriktiveren Bestimmungen über eine vorzeitige Entlassung aus der Haft. Die Verquickung beider Systeme in der Praxis führt indes häufig zu nur schwer hinnehmbaren Unzuträglichkeiten."301

    137. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage zur Zusammenarbeit der Bundesregierung mit anderen Staaten zur Bekämpfung von Sextourismus und Kinderprostitution teilte die Bundesregierung mit, daß die 1993 erfolgte Änderung des deutschen Strafgesetzbuchs, wonach der sexuelle Mißbrauch von Kindern unter 14 Jahren, der von einem deutschen Staatsangehörigen im Ausland begangen wird, auch dann nach deutschem Strafrecht verfolgt werden kann, wenn es sich bei dem Opfer um ein deutsches Kind handelt, bereits den Hauptzielländern Philippinen, Thailand, Sri Lanka, Brasilien und Taiwan mitgeteilt worden sei. Die Unterrichtung der Regierungen der genannten Länder sei mit der Bitte verbunden worden, auf dem diplomatischen Geschäftsweg die deutschen Strafverfolgungsbehörden über etwaige einschlägige Straftaten Deutscher � möglichst unter Beifügung von Beweismitteln � in Kenntnis zu setzen. Die Regierungen von Thailand, den Philippinen, Sri Lanka und Brasilien hätten die deutsche Gesetzesänderung positiv aufgenommen und ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit auf diesem Gebiet zum Ausdruck gebracht. Eine Reaktion Taiwans sei bisher nicht erfolgt.302
    Die Bundesregierung bekräftigte303 in diesem Zusammenhang ihre Position, daß durch den Abschluß von Rechtshilfeverträgen mit den betroffenen Staaten die Verfolgung des sexuellen Mißbrauchs von Kindern im Ausland nicht effektiver gestaltet werden könne. Im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den vom Sextourismus vorrangig betroffenen Staaten sei bereits auf vertragsloser Grundlage eine strafrechtliche Zusammenarbeit möglich. Sie vollziehe sich auf der Grundlage der jeweiligen nationalen Rechtsordnungen, die in fast allen Staaten die Stellung und Erledigung strafrechtlicher Rechtshilfeersuchen auch ohne den Abschluß eines bilateralen Rechtshilfeabkommens erlaubten. Praktische Schwierigkeiten, die bei der Ausführung solcher Ersuchen im Ausland nicht ausgeschlossen seien, könnten auch durch den Abschluß von Rechtshilfeverträgen nicht ausgeräumt werden.304

    138. Ferner nahm die Bundesregierung im Berichtszeitraum zur Rechts- und Vollstreckungshilfe bei internationalen Kindesentführungen ausführlich Stellung.305 Sie betonte, daß solchem Verhalten wirksam nur durch völkerrechtliche Rechtsgrundlagen entgegengetreten werden könne, die im Verhältnis zwischen möglichst vielen Vertragsstaaten sicherstellen, daß rechtswidrige Kindesmitnahmen durch einen Elternteil diesem keinen dauerhaften Erfolg bringen und die Kinder zu ihrem Wohl möglichst umgehend wieder dorthin gebracht werden, wo sie sich vor dem Verbringen befunden haben. Dieses Ziel verfolgten das Haager Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ) und das Europäische Übereinkommen vom 20. Mai 1980 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses (ESÜ). Die beiden Übereinkommen, die für die Bundesrepublik am 1. Dezember 1990 (HKÜ) bzw. am 1. Februar 1991 (HKÜ) wirksam geworden seien, entsprächen den Verpflichtungen nach Artikel 11 und 35 des Übereinkommens vom 29. November 1989 über die Rechte des Kindes, wonach die Vertragsstaaten insbesondere Maßnahmen treffen, um das rechtswidrige Verbringen von Kindern ins Ausland und ihre rechtswidrige Nichtrückgabe zu bekämpfen, und zu diesem Zweck den Abschluß von Übereinkünften fördern.306 Daneben werde vertragslose Rechtshilfe über diplomatische Kanäle geleistet. Die Bedeutung des Einzelfalles könne dabei durch politische Intervention auf höchster Ebene hervorgehoben werden. Es bestehe aber grundsätzlich keine Rechtspflicht eines ausländischen Staates, auf diesem Weg dem Sorgerecht einer deutschen Mutter, deren Kind von seinem nicht-deutschen Vater in das Ausland entführt worden sei, Wirkung zu verleihen.307
    Die Bundesregierung führte weiter aus, sie halte eine erfolgreiche und schnelle Rückführung nur bei Staaten für gewährleistet, die das HKÜ und/oder das ESÜ ratifiziert haben. Sie habe deshalb in jedem einzelnen Falle gegenüber dem Depositarstaat, den Niederlanden, solche Beitritte angenommen, um dem HKÜ einen möglichst weiten territorialen Anwendungsbereich zu sichern. Die Annahme sei nach dem Abkommen Voraussetzung dafür, daß der Beitritt auch im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland wirkt.308 Besondere Schwierigkeiten träten auf, weil insbesondere in Staaten mit einer arabisch-islamisch geprägten Rechtsordnung dem Vater in bezug auf die Personensorge für das Kind ungeachtet seines � aus der Sicht des bisherigen Aufenthaltsstaates � rechtswidrigen Verhaltens größere Rechte eingeräumt würden als der Mutter. Diese Staaten hätten die genannten Übereinkommen von 1980 bisher nicht ratifiziert. Die Anerkennung einer deutschen Sorgerechtsentscheidung, die der Mutter die Personensorge für das entführte Kind zuspreche, sei dort so gut wie ausgeschlossen.309 Die Bundesregierung würde es daher begrüßen, wenn auch Staaten des arabisch-islamischen Rechtskreises dem HKÜ beitreten würden. Eine entsprechende Anfrage der konsularischen Vertretungen von EU-Staaten im nordafrikanischen Raum sei bisher unbeantwortet geblieben. Andere europäische Staaten hätten mit Ländern in Nordafrika Vereinbarungen über die Errichtung "gemischter Ausschüsse" geschlossen, die sich aus Vertretern der Vertragsstaaten zusammensetzten und u.a. in Kindesentziehungsfällen eine gütliche Streitbeilegung fördern, zumindest aber die Aufrechterhaltung des persönlichen Kontaktes der Mutter zu ihrem Kind ermöglichen sollten. Die Bundesregierung prüfe, ob auch Deutschland mit ausgewählten Staaten Vereinbarungen über die Errichtung solcher Ausschüsse treffen sollte. Dabei dürfe nicht übersehen werden, daß solche Ausschüsse keine verbindlichen Entscheidungen treffen und die Ursache der Schwierigkeiten, nämlich die Bevorzugung des Mannes im arabisch-islamischen Rechtsraum, nicht beseitigen könnten. Deshalb werde zunächst angestrebt, Berichte über Erfahrungen anderer EU-Staaten mit "gemischten Ausschüssen" zu sammeln und im übrigen das weitere Vorgehen möglichst mit anderen EU-Staaten abzustimmen.310


    291 BGBl. 1995 I, 485.
    292 Der Text der Resolution und des Statuts sind als Anlage zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung abgedruckt, BT-Drs. 13/57, Anlage 1.
    293 Ibid., 6 f.
    294 BT-Drs. 13/1999, 7.
    295 Ibid.
    296 BGBl. 1995 II, 1010. Das Abkommen ist am 19.6.1996 in Kraft getreten, BGBl. 1996 II, 1220.
    297 BT-Drs. 13/666, 11.
    298 Denkschrift, BT-Drs. 13/666, 11.
    299 Ibid.
    300 Ibid., 12.
    301 Ibid., 11.
    302 BT-Drs. 13/1009, 2.
    303 Zu früheren Stellungnahmen der Bundesregierung im Zusammenhang mit der Bekämpfung der internationalen Kinderprostitution s. Stoll (Anm. 10), Ziff. 125.
    304 BT-Drs. 13/1019, 2 f.
    305 Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BT-Drs. 13/2705.
    306 Ibid., 2.
    307 Ibid., 7.
    308 Ibid., 9.
    309 Ibid., 8.
    310 Ibid., 9 f.