Rainer Grote
6. Nahrungsmittel und humanitäre Hilfe
192. In ihrer Antwort auf eine Große Anfrage zu Kriegen und bewaffneten Konflikten in Europa und in der Welt nahm die Bundesregierung umfassend zu den Voraussetzungen und Formen humanitärer Hilfsleistungen im Ausland Stellung. Danach leistet die Bundesrepublik in vielfältiger Form humanitäre Hilfe für die Opfer natürlicher und von Menschen verursachter Katastrophen. Diese Hilfe für Menschen in Not sei an keine politischen Bedingungen geknüpft. Sie werde subsidiär gewährt, wenn die Mittel eines Landes und der dort tätigen Hilfsorganisationen nicht ausreichten, um eine akute Katastrophe zu bewältigen. Die Vorhaben der humanitären Hilfe würden zum überwiegenden Teil von nichtstaatlichen deutschen Hilfswerken, den internationalen Hilfsorganisationen der Vereinten Nationen und vom Internationalen Komitee des Roten Kreuzes durchgeführt. Bei bewaffneten Konflikten und den damit meist verbundenen Flüchtlingsbewegungen komme der Arbeit des IKRK und des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen aufgrund ihrer völkerrechtlichen Mandate eine besondere Bedeutung zu. Die Bundesregierung unterstütze diese und andere internationale Organisationen durch regelmäßige Beiträge und durch besondere Zuwendungen für größere Vorhaben, die nicht aus den regulären Haushalten bezahlt werden könnten. Ferner leiste sie humanitäre Hilfe in erheblichem Umfang auch durch die Europäische Union.420
193. Die Bundesregierung äußerte sich ferner im Rahmen einer Kleinen Anfrage auch zu der Gewährung Humanitärer Soforthilfe durch die Europäische Union. Sie wies darauf hin, daß es im Bereich der humanitären Hilfe aus der Natur der Sache keine "Programme" im traditionellen Sinne gebe, vielmehr lasse sich nur von "Haushaltslinien" sprechen, mit denen Mittel grundsätzlich bereitgestellt würden. Die Mittel, die dem Amt für Humanitäre Soforthilfe der EU-Kommission (ECHO) zur Verfügung stünden, seien in den letzten Jahren ständig gestiegen und hätten sich 1994 auf rund 764 Millionen ECU belaufen. Der deutsche Anteil an der Humanitären Hilfe entspreche dem des deutschen Anteils am gesamten EU-Haushalt.421 Förmliche Vergabekriterien existierten zur Zeit nicht, vielmehr werde in der Verwaltungspraxis auf Kriterien wie Notwendigkeit des beantragten Projektes, Effizienz des Mitteleinsatzes und Professionalität der Durchführungsorganisation abgestellt.422 Nach den Angaben der Bundesregierung ist der weitaus größte Teil der EU-Soforthilfe in den letzten Jahren in die Flüchtlingshilfe geflossen, der Rest sei für die Bekämpfung von Epidemien, Naturkatastrophen, Hunger und Wirtschaftsproblemen und für die Allgemeine Medizinhilfe verwendet worden.423
194. Einen Schwerpunkt der bilateralen humanitären Hilfe der Bundesrepublik bildete auch im Berichtszeitraum Bosnien-Herzegowina. Mit Hilfe des von ihr finanzierten Lastwagenkonvois versuchte die Bundesregierung, eine ausreichende Versorgung der Menschen in Bosnien-Herzegowina mit lebenswichtigen Gütern sicherzustellen.424
195. Humanitäre Hilfe in größerem Umfang wurde von der Bundesregierung im Berichtszeitraum ferner an Ruanda geleistet. Nach Angaben der Bundesregierung sind Ruanda bis Ende 1995 bilateral und im Rahmen der EU 312,3 Millionen DM für humanitäre Hilfe und für die Flüchtlingslager geleistet bzw. zugesagt worden.425
196. Am 12. Juni 1995 leitete die Bundesregierung das Ratifikationsverfahren zu dem Abkommen vom 15. März 1994 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Litauen über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen ein.426 Nach Art. 1 bezieht sich das Abkommen auf Katastrophen oder Unglücksfälle, die ernsthafte Schäden oder Gefahren für die körperliche Unversehrtheit von Personen, für Güter oder die Umwelt nach sich ziehen und die mit den eigenen Mitteln des hilfeersuchenden Vertragsstaates offensichtlich nicht bewältigt werden können. Art. 3 bestimmt, daß die Stellung und Entgegennahme von Hilfeersuchen auf diplomatischem Wege erfolgen, und benennt die zuständigen Behörden (Art. 3). Die Vertragsstaaten verpflichten sich, die Förmlichkeiten beim Grenzübertritt auf das unerläßliche Mindestmaß zu beschränken; bei besonderer Dringlichkeit kann die Grenze auch außerhalb der zugelassenen Grenzübergangsstellen ohne Beachtung der sonst hierfür geltenden Vorschriften überschritten werden (Art. 5). Ferner verzichten die Vertragsstaaten auf Entschädigungsansprüche für Schäden, die im Zusammenhang mit der Durchführung des Abkommens entstehen (Art. 10).427