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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1995


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Rainer Grote

XIII. Umwelt- und Naturschutz

5. Landschafts- und Bodenschutz

    218. Am 6. März 1995 trat für die Bundesrepublik Deutschland das Übereinkommen vom 7. November 1991 zum Schutz der Alpen (Alpenkonvention) in Kraft.476 In einer Rede auf der Europäischen Alpenkonferenz im November 1995 hob der Vertreter des Bundesumweltministeriums den "Modellcharakter" der Konvention hervor:

    "Die Natur im Alpenraum ist das Kapital der hier ansässigen Bevölkerung. Gerade auch im Interesse künftiger Generationen muß sorgsam mit diesem Kapital umgegangen werden. Die Bewahrung dieses Kapitals schließt ein, daß der Alpenraum eine lebendige und attraktive Wirtschaftszone bleibt. [...]
    Diesem engen Zusammenhang zwischen der Erhaltung des Gleichgewichts des Naturhaushalts und der Sicherung der Wirtschafts- und Existenzgrundlagen für die einheimische Bevölkerung wird die Konvention gerecht: In Artikel 2 Absatz 1 der Alpenkonvention verpflichten sich die Vertragsparteien,
    'unter Beachtung des Vorsorge-, Verursacher- und des Kooperationsprinzips eine ganzheitliche Politik zur Erhaltung und zum Schutz der Alpen unter ausgewogener Berücksichtigung der Interessen aller Alpenstaaten, ihrer alpinen Regionen sowie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft unter umsichtiger und nachhaltiger Nutzung der Ressourcen' sicherzustellen.
    Mit dieser Zielrichtung kommt der Alpenkonvention Modellcharakter zu. Erstmals ist es politische Absicht, ein sektorübergreifendes Konzept zum Schutz, zur Erhaltung und zur nachhaltigen Entwicklung einer ganzen Region zu erarbeiten."477
    Über die bereits im Dezember 1994 in Chamb�ry angenommenen drei Protokolle zu Naturschutz und Landschaftspflege, Raumplanung und nachhaltige Nutzung sowie Berglandwirtschaft hinaus bemühten sich die Vertragsparteien im Berichtszeitraum um die Verabschiedung weiterer Protokolle zur Alpenkonvention. Erschwert wurden diese Bemühungen durch die Haltung Österreichs, das seine Zustimmung zu der Annahme weiterer Durchführungsprotokolle von der Aufnahme eines Verbots der Errichtung neuer umweltbelastender alpenquerender Straßenverkehrsachsen in das Verkehrsprotokoll abhängig machte. Hierzu erklärte der Vertreter des Bundesumweltministeriums:
    "In allen Verhandlungen zum Verkehrsprotokoll wurde von deutscher Seite gegenüber dem österreichischen Anliegen Verständnis entgegengebracht, die durch das hohe Verkehrsaufkommen hochbelasteten Alpenregionen, insbesondere das Bundesland Tirol, durch Maßnahmen zur Begrenzung des Aufkommens im Straßentransit zu entlasten. [...]
    Deutschland hat aber auch darauf hingewiesen, daß der hohe Entwicklungsstand der Verkehrsinfrastruktur in Österreich und Deutschland, in den Zentralalpen also, nicht Maßstab für den gesamten Alpenbogen sein kann. [...]
    Die Bundesregierung und die Bayerische Staatsregierung beteiligen sich aktiv an der Suche nach einem Ausweg aus dieser Sackgasse. Wir setzen uns für einen grundsätzlichen Verzicht auf neue, grenzüberschreitende, alpenquerende Verkehrsachsen durch hochbelastete Alpenregionen ein, der unter eng begrenzten Voraussetzungen Ausnahmen zuläßt.
    Die Ausnahmen müssen bei eindeutiger Berücksichtigung umweltpolitischer Gesichtspunkte Raum lassen für die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur, sofern hierfür ein Bedarf nachgewiesen wird, der durch keine andere Möglichkeit wie Schienen- oder Kombitransport befriedigt werden kann. Hiermit könnten erforderlichenfalls neue Vorhaben, u.a. auch im Rahmen der Transeuropäischen Netze der EU, in solchen Regionen ermöglicht werden, die im Gegensatz zu den deutsch/österreichischen Zentralalpen unzureichend erschlossen sind."478

    219. Im Berichtszeitraum setzte sich die Bundesregierung im Folgeprozeß der VN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung 1992 für wirksamere internationale Vereinbarungen zum Schutz der Wälder ein. In ihrer Bewertung der auf der 3. Sitzung der Kommission für Nachhaltige Entwicklung im April 1995 zu diesem Punkt erzielten Ergebnisse führte sie aus:

    "Die Beratungen über die Arbeitsthemen zeigten, daß zwar ein grundlegender Konsens über die Notwendigkeit internationaler Absprachen zur Walderhaltung besteht, die Positionen der einzelnen Partner jedoch im einzelnen sehr weit auseinanderliegen. Dies zeigte sich insbesondere bei der Frage, inwieweit die Entwicklung von Rechtsinstrumenten, wie z.B. einer Waldkonvention, über die Rio-Beschlüsse hinaus erforderlich ist.
    Die Entwicklungsländer sowie USA, Australien und Neuseeland sind erst bereit, diese Frage zu erörtern, wenn alle anderen Sachthemen ausgearbeitet sind und sich vor diesem Hintergrund eine Notwendigkeit dazu ergibt. Für die Bundesrepublik Deutschland und die EU ist es daher wichtig, daß das Thema auf der Tagesordnung geblieben ist. Insbesondere ist hervorzuheben, daß sich nunmehr auch Brasilien als eines der wichtigsten Waldländer der Erde in diese Arbeitsschritte voll einbinden ließ."479
    Skeptisch äußerte sich die Bundesregierung zu den Erfolgsaussichten für eine Waldkonvention:
    "Die bisher von der Bundesregierung angestrebte Ausarbeitung einer internationalen Waldkonvention ist, wie die dritte CSD-Sitzung gezeigt hat, nach wie vor nicht konsensfähig, da einige wichtige Waldländer sich dagegen stellen. Im Mandat des Panels ist dieses Thema dementsprechend vorsichtig formuliert worden. Es steht aber damit nach wie vor auf der Tagesordnung. [...]
    Die Position der Bundesregierung wird in Vorbereitung der ersten Panel-Sitzung � wie in anderen Mitgliedstaaten der EU auch � derzeit überprüft. Dabei werden auch alle anderen sich theoretisch bietenden Möglichkeiten, wie ein Waldprotokoll im Rahmen der Konvention zur Erhaltung der biologischen Vielfalt miteinbezogen. Die Prüfung ist noch nicht abgeschlossen."480


    476 BGBl. 1996 II, 662.
    477 Umwelt Nr. 1/1996, 20.
    478 Ibid., 21.
    479 BT-Drs. 13/2113, 18.
    480 Ibid., 19 f. � Im Berichtszeitraum legte die Bundesregierung ferner dem Deutschen Bundestag den 4. Bericht zu Schutz und Bewirtschaftung der Tropenwälder (Tropenwaldbericht) vor, BT-Drs. 13/1859.