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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1998


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Karen Raible


VII. Personalhoheit und Staatsangehörigkeit

2. Ausübung diplomatischen Schutzes

    29. In ihrer Antwort vom 24. Februar 1998 auf eine Schriftliche Parlamentarische Anfrage legte die Bundesregierung dar, welche Anstrengungen sie unternommen habe, um auf die Aufklärung des Schicksals der unter der Militärdiktatur von Argentinien "verschwundenen" deutschen Staatsangehörigen hinzuwirken.68 Ihre Bemühungen um die Aufklärung des Schicksals der meisten Vermißten seien durch die noch vom Militärregime vorgenommene Vernichtung aller einschlägigen Akten, das 1986 verabschiedete Gesetz über den Ausschluß der Eröffnung neuer Kriegsverfahren in Menschenrechtssachen, sowie die 1987 verfügte Einstellung bereits laufender Verfahren gegen alle "Befehlsempfänger", erschwert und eingeschränkt worden. Ungeachtet dieser Schwierigkeiten bestehe die Bundesregierung bis heute gegenüber der argentinischen Regierung auf einer Aufklärung des Schicksals der insgesamt 72 deutschen und deutschstämmigen Verschwundenen. In Anbetracht einer möglichen strafrechtlichen Verfolgung dieser Fälle in Deutschland führte die Bundesregierung aus:

"Die Möglichkeit einer strafrechtlichen Verfolgung dieser Fälle in Deutschland wird insbesondere durch � 7 Abs. 1 des BGB eröffnet. Nach dieser Vorschrift gilt das deutsche Strafrecht für Taten, die im Ausland gegen einen Deutschen begangen werden, wenn die Tat auch am Tatort mit Strafe bedroht ist. Die Vorschrift wird überwiegend so ausgelegt, daß eine ausländische Amnestie an der Geltung des deutschen Strafrechts nichts ändert. Soweit in Deutschland kein spezieller Gerichtsstand begründet ist, kann der Bundesgerichtshof nach � 13a StPO ein zuständiges Gericht und damit auch die zuständige Staatsanwaltschaft bestimmen. Für die Einleitung eines staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens ist allerdings erforderlich, daß zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die den konkreten Anfangsverdacht einer bestimmten Straftat begründen (� 152 Abs. 2 StPO)."69

    30. Auf eine Kleine Anfrage gab die Bundesregierung am 23. März 1998 Auskunft über ihre Bemühungen betreffend die Sicherheit von Touristinnen und Touristen in Ägypten. Sie selbst habe sehr geringe Möglichkeiten, die Bemühungen der ägyptischen Regierung um Erhöhung der Sicherheit von Touristen zu unterstützen. Eine Überprüfung aller Sicherheitsmaßnahmen, die an den in Betracht kommenden touristischen Zielen getroffen wurden, sei nicht möglich. Von einer offiziellen und klaren Warnung vor einem Besuch in Ägypten habe die Bundesregierung abgesehen, weil generelle Reisewarnungen durch das Auswärtige Amt nur in wenigen extremen Fällen ausgesprochen werden. Sie gelten nur für Länder, in denen die Staatsgewalt zusammengebrochen sei.70

    31. Im Berichtszeitraum wurden mehrere Kleine Anfragen im Bundestag zum diplomatischen Schutz von bestimmten deutschen Staatsangehörigen gestellt, die in der Türkei und im Nordirak inhaftiert bzw. gefangengenommen worden waren.71

    Im Hinblick auf die Eröffnung eines Strafverfahrens in der Türkei gegen eine Menschenrechtlerin mit deutscher und türkischer Staatsangehörigkeit erklärte die Bundesregierung am 29. April 1998:

"Da Güllü Selcuk nach bisheriger Erkenntnis Doppelstaaterin ist - nach Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit beantragte Güllü Selcuk 1995 erneute Einbürgerung in die Türkei, worüber nach Angaben der türkischen Behörden 1997 positiv entschieden worden ist - wird sie von den türkischen Gerichten gemäß entsprechender internationaler Praxis als türkische Staatsangehörige behandelt. Die Bundesregierung kann nicht in ein schwebendes gerichtliches Verfahren eines anderen Staates eingreifen. Sie wird das Verfahren gegen Güllü Selcuk aufmerksam verfolgen und nötigenfalls gegenüber den türkischen Behörden intervenieren."72

    Auf eine andere Kleine Anfrage betreffend die Gefangennahme eines deutschen Staatsangehörigen durch die "Demokratische Partei Kurdistans" im Nordirak antwortete die Bundesregierung am 14. Mai 1998, daß dem deutschen Staatsangehörigen nach Intervention der Bundesregierung die Ausreise nach Deutschland und die dazu nötigen Hilfeleistungen durch die KDP und das Auswärtige Amt angeboten worden sei. Bislang habe er jedoch jede Zusammenarbeit mit den deutschen Stellen verweigert und er könne nicht zur Rückkehr nach Deutschland gezwungen werden.73



    68 BT-Drs. 13/9988, 1 f.
    69 Ibid.
    70 BT-Drs. 13/10165, 2 f.
    71 Vgl. neben den folgenden Kleinen Anfragen BT-Drs. 13/11419 und BT-Drs. 14/202.
    72 BT-Drs. 13/10573, 4.
    73 BT-Drs. 13/10729, 2 und 4.