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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1998


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Karen Raible


VIII. Ausländer

2. Asyl- und Flüchtlingsrecht

    37. Die Bundesregierung äußerte sich auf die Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen am 29. Januar 1998 umfassend zu einzelnen Gesichtspunkten des Schutzes verfolgter Frauen.82

    Unter Hinweis auf die Beantwortung früherer Parlamentarischer Anfragen83 wies sie den Vorwurf, sie trage frauenspezifischen Verfolgungsschicksalen nicht hinreichend Rechnung, mit Nachdruck zurück. Der Schutz verfolgter Frauen sei auch ein Anliegen der Bundesregierung, das sie im Rahmen ihrer rechtlichen und verwaltungstechnischen Möglichkeiten verfolge. Die Asylbewerberinnen sollten sich durch die Art und Weise ihrer Anhörung ermutigt fühlen, ihre Fluchtgründe umfassend zu schildern, damit eine sachgerechte Entscheidung ergehen könne, die auch alle Aspekte zu ihren Gunsten berücksichtige. Der Anteil der Frauen und Mädchen an Asylsuchenden, deren Verfahren beim Bundesamt oder bei Gericht anhängig war, habe in den Jahren 1995 bis 1997 jeweils etwa 36 % betragen. Zu den Fluchtursachen, die von weiblichen Asylsuchenden in der Anhörung beim Bundesamt am häufigsten vorgetragen wurden, zählen: politische Verfolgung der Väter, Ehemänner oder Brüder, ohne selbst verfolgt zu sein; Sippenhaft wegen politischer Aktivitäten naher Verwandter; Verfolgung wegen Aktivitäten für eine oppositionelle Partei/Mitgliedschaft in einer derartigen Partei; Verfolgung wegen Zugehörigkeit einer ethnischen Gruppe; Verfolgung wegen bestimmter Religionszugehörigkeit; Verfolgung wegen einer Straftat; Verfolgung wegen Ablehnung der Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen; Entzug einmal erworbener oder zugestandener Rechte (vor allem zunehmend in islamischen Staaten).

    Im folgenden gab die Bundesregierung Auskunft über die unterschiedlichen Informationsquellen über geschlechtsspezifische Verfolgung in den Herkunftsländern, die den Entscheidungsinstanzen im Asylverfahren im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht zur Verfügung stünden. Das für die Entscheidungen in Asylverfahren zuständige Bundesamt habe umfassende Grundlagen zur Informationsfindung für die Entscheidungspraxis in Fällen frauenspezifischer Verfolgung geschaffen. Für die Entscheidungsinstanzen im Asylverfahren seien ebenso zugänglich die Berichte und Monographien von amnesty international und der Gesellschaft für bedrohte Völker, die Veröffentlichungen der Zentralen Dokumentationsstelle der Freien Wohlfahrtspflege für Flüchtlinge und Monographien von Terre des Femmes.

    Um im asylrechtlichen Verfahren die besondere Situation von Frauen, die geschlechtsspezifischer Verfolgung ausgesetzt sind, zu berücksichtigen, sei durch interne Dienstanweisungen des Bundesamtes sichergestellt worden, daß weibliche, besonders ausgebildete und für den Umgang mit Frauen in bestimmten Lebenslagen sensibilisierte Entscheider die Anhörung durchführen, wenn die Verhaltensweisen der Antragstellerin oder konkrete Umstände eines Einzelfalls es angezeigt erscheinen lassen würden.

    Im Hinblick auf Verfolgungshandlungen, denen Frauen im Rahmen von Kriegen und Bürgerkriegen ausgesetzt sind, wies die Bundesregierung auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Asylrelevanz von Verfolgungshandlungen in Bürgerkriegssituationen hin.84 Sofern die Voraussetzungen erfüllt seien, gewähre das deutsche Recht politisch verfolgten Frauen ebenso wie politisch Verfolgten anderen Geschlechts den hierfür gesetzlich vorgesehenen Schutz des Asyl- und Ausländerrechts.

    Außerdem machte die Bundesregierung deutlich, daß sie keinen Einfluß auf eine Entscheidung nach � 51 AuslG für weibliche Asylsuchende nehmen könne. Sowohl die Auslegung des Art. 16a GG als auch der sonstigen asylrechtlichen Vorschriften im deutschen Recht obliege in der Bundesrepublik Deutschland letztlich den Gerichten der Verfassungs- bzw. Verwaltungsgerichtsbarkeit. Ob die Voraussetzungen im Einzelfall vorlägen, werde gemäß � 5 Abs. 2 AsylVfG von insoweit weisungsungebundenen Bediensteten des Bundesamtes und unabhängigen Gerichten festgestellt, die sich an dieser Rechtsprechung zu orientieren hätten.

    Abschließend führte die Bundesregierung Maßnahmen auf, die sie zum Schutz weiblicher Flüchtlinge ergriffen habe. Auf Erstellung eines eigenständigen Berichtes über weltweite Menschenrechtsverletzungen an Frauen sei verzichtet worden, da die Bundesregierung auf Wunsch des Parlamentes einen Bericht über ihre Menschenrechtspolitik in den auswärtigen Beziehungen vorlege. Die Bundesregierung unterstütze die Arbeit der Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen zum Thema "Gewalt gegen Frauen, ihre Ursachen und Folgen" in besonderem Maße. Sie setze sich seit Jahren außerdem für eine Harmonisierung des Asylrechts auf europäischer Ebene ein.

    38. Im Berichtszeitraum gab die Bundesregierung in ihren Antworten auf zwei Kleine Anfragen Auskunft über Fluchtmöglichkeiten für Kurden aus der Türkei.

    Am 4. Februar 1998 legte die Bundesregierung die Maßnahmen dar, die sie ergriffen hat, um die Türkei zur Einhaltung völkerrechtlicher Verträge, insbesondere der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention, zu bewegen:

"Die Türkei hat die Anwendung des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge von 1951 (GFK) gemäß Artikel 1 B Nr. 1 geographisch auf Europa beschränkt und hierzu entsprechende innerstaatliche Verfahrensvorschriften erlassen. Die sich hieraus in der Türkei für nordirakische und andere nichteuropäische Flüchtlinge ergebende rechtliche Situation ist der Bundesregierung bekannt. Die Möglichkeit der geographischen Beschränkung des Anwendungsbereichs der GFK ist in diesem Abkommen angelegt und nach dem Grundsatz der Freiheit der Verträge zu beurteilen. Die Bundesregierung hat sich jedoch wiederholt für die Rücknahme des geographischen Vorbehalts zur GFK eingesetzt.

Das Ministerkomitee des Europarats, in dem die Bundesregierung aktiv mitarbeitet, fordert die Türkei regelmäßig zur Einhaltung der Menschenrechtsstandards des Europarats auf. Die EMRK enthält darüber hinaus in ausreichendem Umfang Sanktionsmöglichkeiten bereit, die bei nachhaltigen und andauernden Verstößen angewendet werden können. Ferner unterstützt die Bundesregierung die Bemühungen der einzelnen Organe des Europarats, für ihren jeweiligen Bereich die Einhaltung der Standards des Europarats zu überwachen.

Die Bundesregierung setzt sich im übrigen in ihren bilateralen Kontakten mit der türkischen Regierung und in öffentlichen Erklärungen bei jeder sich bietenden Gelegenheit konsequent für die Einhaltung europäischer und internationaler Menschenrechtsstandards in der Türkei ein, weist auf konkrete Mißstände, auch in Einzelfällen hin, und tritt mit Nachdruck für eine Verbesserung der Menschenrechtspraxis in der Türkei ein."85

    Weiter gab die Bundesregierung bekannt, welche "Asylanerkennungspraktiken" im Zusammenhang mit der Massenflucht von Kurden gemeinschaftsweit angeglichen werden sollen:

"Angestrebt wird insbesondere
- eine einheitliche Beurteilung der Lage im Herkunftsland einschließlich der Frage, ob es dort staatliche Verfolgung gibt und ob die Möglichkeit einer inländischen Fluchtalternative besteht,
- Anwendung des non-refoulement-Gebots,
- Gewährung von vorübergehendem Schutz,
- Angleichung von Asylverfahren."86

    Am 14. April 1998 erklärte die Bundesregierung, daß ihr keine Angaben über die Zahl der vom Bundesgrenzschutz festgenommenen Kurden vorliege, weil es sich dabei sowohl um irakische als auch um türkische Staatsangehörige handeln könne. Der Aktionsplan der Europäischen Union zur illegalen Einwanderung aus dem Irak und der Nachbarregion umfasse alle Bereiche der Außenbeziehungen der Europäischen Union. Im Mittelpunkt der Bemühungen stünden Gespräche mit der türkischen Regierung und die Zusammenarbeit mit dem UNHCR. Weder die Europäische Union noch die Bundesregierung habe bislang Verhandlungen über ein Rückübernahmeabkommen mit der Türkei aufgenommen.87

    39. Gegenstand mehrerer Kleiner Anfragen im Berichtszeitraum betraf die Abschiebung von Flüchtlingen aus bestimmten Staaten.

    In bezug auf Togo erklärte die Bundesregierung am 31. März 1998, daß rechtskräftig abgelehnte togoische Asylbewerber mit anerkannten Heimreisedokumenten problemlos nach Togo einreisen könnten. Die Deutsche Botschaft in Lomé beobachte die Fälle rechtskräftig abgelehnter togoischer Asylbewerber. Bislang seien keine Fälle bekannt geworden, in denen aus Deutschland abgeschobene Asylbewerber nachweislich Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt gewesen seien. Die Bundesregierung sehe gegenwärtig dennoch keinen Anlaß, Verhandlungen mit der Regierung Togos über eine Wiederaufnahme der seit Februar 1993 suspendierten bilateralen staatlichen Entwicklungszusammenarbeit zu führen. 88

    Zur Abschiebung traumatisierter Personen, unter anderem vergewaltigter Frauen, gegen ihren Willen nach Bosnien-Herzegowina verwies die Bundesregierung am 14. April 1998 auf die Beschlüsse der Innenministerkonferenz, nach denen traumatisierte Personen, die deswegen mindestens seit dem 16. Dezember 1995 in medizinischer Behandlung stünden, zuletzt zurückgeführt werden sollten, soweit ihre Behandlung nicht abgeschlossen sei. Ferner erachte die Bundesregierung die asylverfahrensrechtliche Einzelfallprüfung durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge als grundsätzlich ausreichend an, um bei traumatisierten Personen im Einzelfall Abschiebungshindernisse nach � 53 AuslG feststellen zu können und gedenke deshalb nicht, von ihrer Weisungsbefugnis Gebrauch zu machen.89

    40. Am 7. April 1998 teilte die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage Einzelheiten zur Rückführung von Flüchtlingen in die Staaten der Euromediterranen Partnerschaft mit.90 Nach einer Entscheidung des Rates vom 4. März 1996 sollen in allen "gemischten Abkommen", die die Europäische Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten mit Drittstaaten schließen, Rückübernahmeklauseln vorgesehen werden. Diese Entscheidung betreffe alle Europa-Mittelmeerabkommen, mit Ausnahme der bereits bestehenden Assoziationsabkommen mit Tunesien und Israel. Die Rückübernahmeklauseln dienten der Klarstellung der bereits nach Völkergewohnheitsrecht bestehenden Pflicht eines jeden Staates zur Rückübernahme derjenigen eigenen Angehörigen, die im Aufenthaltsland kein Aufenthaltsrecht mehr hätten. Ferner verpflichteten sie die Vertragsparteien zur Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der illegalen Einwanderung und zur Bereitschaft mit demjenigen Vertragspartner, der dies wünsche, ein bilaterales Rückübernahmeabkommen abzuschließen. Nachdem die Rückführung von sich illegal in den Mitgliedstaaten aufhaltenden Drittstaatsangehörigen in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten falle, könne die Kommission in den Europa-Mittelmeerabkommen nur über generelle Rückübernahmeklauseln verhandeln. Zur Durchführung und Umsetzung dieser generellen Klauseln müßten die einzelnen Mitgliedstaaten mit dem jeweiligen Mittelmeerdrittstaat Rückübernahmeabkommen schließen. Neben der Rückübernahme von Flüchtlingen werde im Rahmen des euromediterranen Dialogs nicht über polizeiliche, grenzpolizeiliche, ausländer- oder asylrechtliche Ausstattungs-, Ausbildungs- oder Beratungshilfen verhandelt. Auch auf nationaler Ebene habe die Bundesregierung mit keinem der 12 Mittelmeerpartner bilaterale Abkommen über derartige Unterstützungen geschlossen.

    41. Auf die Frage, ob sie Abschiebehindernisse bei Homosexuellen aus Afghanistan sehe, erwiderte die Bundesregierung am 22. April 1998:

"Ein Abschiebungshindernis nach � 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Artikel 3 EMRK scheidet wie die Asylgewährung mangels staatlicher Verfolgung aus.

Für den Fall einer individuell-konkreten Gefahr kommt im Rahmen der Einzelfallprüfung ein Abschiebungshindernis nach � 53 Abs. 6 AuslG in Betracht, sofern die Gefahr landesweit droht. � 53 Abs. 6 AuslG enthält einen Ermessenstatbestand für Fälle schwerer Existenzbedrohung, wobei jedoch Gefahren, denen die Bevölkerung des Staates oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt sind, nur nach � 54 AuslG im Wege einer Anordnung der Aussetzung der Abschiebung durch die oberste Landesbehörde Berücksichtigung finden können. Der Bundesregierung liegen bisher keine Erkenntnisse dahin gehend vor, daß Menschen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung in Afghanistan landesweit mit dem Tode bedroht sind."91

    42. Auf eine Kleine Anfrage äußerte sich die Bundesregierung am 18. Juni 1998 zur Forderung des Bundesaußenministers nach Aussetzung der Entwicklungshilfe an Partnerländer, die die Rücknahme abgewiesener Asylbewerber verweigern.92 Innerhalb der Bundesregierung bestehe Einvernehmen, daß auf Länder, die völkerrechtswidrig die Rückführung von ausreisepflichtigen Staatsangehörigen in ihre Heimatländer behindern oder verhindern, mit dem Ziel eingewirkt werden müsse, daß diese ihren Verpflichtungen nachkommen. Alle der Bundesregierung zur Verfügung stehenden und geeigneten Mittel können grundsätzlich eingesetzt werden, um auf eine Lösung des Problems der Rückführung abgewiesener Asylbewerber in ihre Heimatländer hinzuwirken. Dies schließe alle Politikbereiche ein, auch die entwicklungspolitischen Beziehungen. Die Bundesregierung lehnte es jedoch angesichts der fortdauernden Bemühungen des Auswärtigen Amtes, auf diplomatischem Wege eine nachhaltige Verbesserung der Zusammenarbeit zu erreichen, ab, einzelne betroffene Staaten in der Öffentlichkeit zu nennen.

    43. Auf eine Kleine Anfrage zur möglichen Einführung von Chipkarten im Asylverfahren, die die betroffene Person identifiziert, deren Aufenthalt kontrolliert, Verfahrensdaten wie Antrag und durchgeführte Anhörungen enthält und Auskunft über den Empfang von Unterstützungsleistungen und ähnliches gibt, erklärte die Bundesregierung am 7. August 1998, daß der Einsatz einer sogenannten "smart card" im Asylverfahren erst nach Prüfung einer Machbarkeitsstudie ernsthaft in Erwägung gezogen werden könne. Ein Handlungsspielraum des Gesetzgebers bei der Datenspeicherung bestehe nach Ansicht der Bundesregierung insoweit, als das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingeschränkt werde durch das öffentliche Interesse an der Leistungsfähigkeit des Sozialstaats und der Verhinderung von Leistungsmißbrauch. Eine erkennungsdienstliche Behandlung nicht erst bei der Asylantragstellung, sondern bereits dann, wenn ein Ausländer um Asyl nachsuche, sei aus denselben Gründen mit den Freiheits- und Persönlichkeitsrechten der Asylbewerber vereinbar, die den Gesetzgeber bewogen haben, die Vorschriften der �� 16 Abs. 1, 18 Abs. 5, 19 Abs. 2 und 22 AsylVfG zu beschließen.93

    44. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage machte die Bundesregierung am 10. August 1998 Angaben zu ihrer Kooperation mit der Türkei zur Verhinderung der Einreise von Flüchtlingen und Migranten.94

    Die Türkei beschränkt den Anwendungsbereich der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 und das Protokoll von 1967 durch innerstaatliches Recht geographisch auf Europa. In diesem Zusammenhang bekräftigte die Bundesregierung, daß die Asylrechtsordnung der Türkei von 1994, die Bestimmungen zur Behandlung von Asylbegehren nichteuropäischer Flüchtlinge enthält, internationale Standards "nicht in vollem Umfang" berücksichtige. Die Zahl der nichteuropäischen und von der türkischen Regierung als "illegal" bezeichneten Asylbewerber sei nach Kenntnis der Bundesregierung allerdings stark zurückgegangen. Die Bundesregierung führe zur Lösung der Problemlage für nichteuropäische Flüchtlinge keine Gespräche mit der Türkei. In Betracht gezogen werde ein Projekt im Zusammenwirken mit dem UNHCR zur Ausbildung türkischer Grenzbeamter zur Verbesserung der Bearbeitung von Asylersuchen. Soweit der Bundesregierung bekannt sei, gestalte sich die Zusammenarbeit des UNHCR mit der türkischen Regierung und der für Flüchtlingsfragen zuständigen sonstigen Stellen zufriedenstellend. Die Zusammenarbeit habe zu einer erheblichen Verbesserung der Lage der Asylbewerber in der Türkei geführt, dazu trage auch die verstärkte Präsenz der UNO-Behörde in den Grenzgebieten des Landes bei. Zu Angaben, die Türkei verweigere bei der Errichtung von Auffanglagern für nicht rechtmäßig sich im Land aufhaltende Personen eine Zusammenarbeit mit dem UNHCR, teilte die Bundesregierung mit, seitens der Vereinten Nationen werde nach ihrer Kenntnis seit Jahren der türkischen Regierung die Idee nahegelegt, Gemeinschaftsunterkünfte in Zusammenarbeit mit dem UNHCR der Vereinten Nationen vorwiegend im Osten der Türkei einzurichten.

    In ähnlicher Weise äußerte sich die Bundesregierung auch am 13. August 1998 in einer weiteren Antwort auf eine Kleine Anfrage.95 Die türkische Regierung habe diesem Vorschlag offenbar deshalb ablehnend gegenüber gestanden, weil sie fürchte, derartige Einrichtungen entfalteten eine Sogwirkung für Asylbewerber. Der UNHCR wiederum sei an einer Kooperation nicht interessiert, wenn diese sogenannten Zentren lediglich die Abschiebung von Flüchtlingen erleichtern sollen.

    45. Andere Stellungnahmen der Bundesregierung im Berichtszeitraum betrafen Flüchtlinge aus dem Kosovo. Am 21. August 1998 erklärte Bundesaußenminister Kinkel zur deutsch-französischen Initiative zur Rückführung von Flüchtlingen im Kosovo:

"Hubert Védrine und ich haben Belgrad aufgefordert, die Voraussetzungen für die Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Dörfer und Häuser zu schaffen. Belgrad muß seine Sicherheitskräfte in der Region Orahovac und Malisevo auf ein Mindestmaß reduzieren. Als vertrauensbildende Maßnahme für die Flüchtlinge verlangen wir, daß in diesem Gebiet die internationale Beobachtermission eine ständige und starke Präsenz zeigen kann. Auf diese Weise sollen die zurückkehrenden Flüchtlinge wieder Vertrauen fassen können und neue Zwischenfälle verhindert werden. Wir bitten den UNHCR und das Internationale Rote Kreuz, diese vertrauensbildenden Maßnahmen durch konkrete Hilfen und Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten zu flankieren. Wir gehen davon aus, daß Präsident Milosevic in seinem ureigenen Interesse diese Initiative unterstützt. Mit ihrer Initiative wollen die deutsche und französische Außenpolitik dazu beitragen, daß das schwierige Schicksal der Flüchtlinge gemildert wird und Flüchtlingsströme aus dem Kosovo in die Nachbarstaaten und darüber hinaus nach Deutschland vermieden werden."96

    In ihrer Antwort vom 23. September 1998 auf eine Schriftliche Parlamentarische Anfrage machte die Bundesregierung Angaben zu den Schritten, die zur Lösung der Flüchtlingsfrage im Kosovo gefunden werden müssen. Zum Zweck der sofortigen humanitären Hilfe und der Ermöglichung einer raschen Rückkehr der geflohenen Menschen in ihre Heimatgemeinden unterstütze die Bundesregierung das regionale Flüchtlingskonzept des UNHCR, das darauf abziele, Aufnahmekapazitäten in Grenznähe zu schaffen, um eine baldige Rückkehr zu ermöglichen. Das auf deutsch-französische Initiative ins Leben gerufene erste Rückkehrprojekt sei angelaufen und werde von der Europäischen Union in Zusammenarbeit mit UNHCR, IKRK und der Diplomatischen Beobachtermission Kosovo umgesetzt. Zur Vertrauensbildung bei den Rückkehrern werde die Zahl der internationalen Beobachter aufgestockt.97

    46. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage betreffend die Abschiebung einer kurdischen Familie in die Türkei lehnte die Bundesregierung am 1. Oktober 1998 ein Recht auf Asyl aufgrund von Wehrdienstverweigerung ab:

"Die Tatsache, daß A. D. in der Türkei wegen seiner Desertion strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wird, steht nach deutschem Recht einer Abschiebung nicht entgegen und begründet daher grundsätzlich keinen Anspruch auf Schutz vor politischer Verfolgung. Mit entsprechenden Sanktionen hat jeder türkische Staatsbürger zu rechnen, der sich in der Türkei seiner Wehrpflicht entzieht."98

    Ein Recht auf Asyl aufgrund von Wehrdienstverweigerung ergebe sich weder aus der Resolution des 4. Ausschusses der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 8. März 1993 zur Wehrdienstverweigerung, noch aus Art. 18 des Kopenhagener Dokuments vom 29. Juni 1990 der Teilnehmerstaaten der OSZE, noch aus dem Beschluß Nr. R (87) 8 der Ministerkonferenz des Europarates aus dem Jahre 1987 noch aus dem vom Europäischen Parlament am 13. Oktober 1998 verabschiedeten Aufruf zum Thema Kriegsdienstverweigerung und Zivildienst.99

    47. Der Bayerische Innenminister Beckstein forderte nach Gesprächen mit den EU-Kommissaren Gradin und Flynn die Einrichtung einer zentralen europäischen Stelle, die für eine Verteilung von Asylbewerbern auf die Staaten der Europäischen Union entsprechend ihrer Größe und Einwohnerzahl zuständig sein soll. Außerdem sprach er sich für eine Vereinheitlichung der sozialen Leistungen sowie ein einheitliches Verfahren für Asylbewerber aus.100

     48. Im 3. Ausschuß der Generalversammlung der Vereinten Nationen nahm der österreichische Vertreter Sucharipa im Namen der Europäischen Union am 11. November 1998 Stellung zu dem Bericht des UNHCR. Er betonte, daß der Schutz von Flüchtlingen zunächst in die Verantwortlichkeit des Heimatstaates selbst falle:

"Therefore international solidarity and burden-sharing cannot and must not be a prerequisite for respecting the fundamental principle of non-refoulement. Most of all, States must address the root causes of displacement. The respect for human rights, notably those of persons belonging to minorities as well as good governance based on democratic inclusiveness are crucial in preventing refugee outflows. The same is true for the search for and implementation of durable solutions after displacements have occurred. States have the primary responsibility for preventing involuntary displacements and creating conditions conducive to the voluntary repatriation of their own citizens in safety and dignity. In this context, we wish to re-emphasize the right of all persons to return to their countries and the obligation of states to receive back their own nationals and to facilitate their return and reintegration."101

    Im folgenden forderte der österreichische Vertreter im Namen der Europäischen Union alle Staaten auf, der Flüchtlingskonvention von 1951 sowie dem Protokoll von 1967 beizutreten und diese Instrumente auch umzusetzen. Abschließend äußerte er sich zur Institution des Asyls:

"The European Union remains firmly committed to the institution of asylum which provides a structured framework for the protection and assistance to persons in need of international protection, for which respect for human rights is a prerequisite, while ensuring that appropriate durable solutions can be achieved."102

    In diesem Zusammenhang sprach er sein Bedauern aus, daß viele, die des internationalen Schutzes nicht bedürfen, das Asylverfahren mißbrauchten mit dem Ziel, das reguläre Einwanderungsverfahren zu umgehen. Ein solcher Mißbrauch wirke sich nachteilig auf die Aufnahmebereitschaft von wirklichen Flüchtlingen durch die örtlichen Bevölkerungsgruppen aus, drohe die Institution des Asyls in Verruf zu bringen und könnte die nationale Asylpolitik negativ beeinflussen.



    82 BT-Drs. 13/9715.
    83 Vgl. teilweise Bank (Anm. 1), Ziff. 46.
    84 BVerfGE 80, 315 (335, 340 f.); 83, 216 (230).
    85 BT-Drs. 13/9792, 5 f.
    86 Ibid., 10.
    87 BT-Drs. 13/10404.
    88 BT-Drs. 13/10310.
    89 BT-Drs. 13/10405.
    90 BT-Drs. 13/10389.
    91 BT-Drs. 13/10492, 3.
    92 BT-Drs. 13/11079.
    93 BT-Drs. 13/11332.
    94 BT-Drs. 13/11337.
    95 BT-Drs. 13/11347.
    96 Pressearchiv des Auswärtigen Amtes (Anm. 10): http://www.auswaertiges-amt.de/6_archiv/p/P980821C.html.
    97 BT-Drs. 13/11459, 1 f.
    98 BT-Drs. 13/11456, 4.
    99 Ibid., 5.
    100 FAZ vom 27.10.1998.
    101 Permanent Mission of Austria to the United Nations (Anm. 14): http://www.undp.org/missions/austria/r111198.htm.
    102 Ibid.