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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1998


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Karen Raible


IX. Menschenrechte und Minderheiten

2. Praxis im Rahmen der VN-Organe

    59. Vor der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen erklärte der Bundesaußenminister Kinkel zur Aufgabe der Menschenrechtspolitik am 17. März 1998:

"Friede braucht Menschenrechte. Diesen Zusammenhang dürfen wir niemals aus den Augen verlieren. Wir sind nicht nur verantwortlich für das was wir tun, sondern auch für das, was wir geschehen lassen. ... Zentrale Aufgabe unserer Menschenrechtspolitik muß die Vorbeugung sein. Wo Krieg ist, werden Menschenrechte verletzt. Deshalb muß der Kampf gegen die Ursachen gewaltsamer Auseinandersetzungen im Zentrum einer präventiven Menschenrechtspolitik stehen. Vorbeugende Menschenrechtspolitik ist eine Querschnittsaufgabe, bei der außen-, entwicklungs-, umwelt- und rechtspolitische Instrumente verzahnt werden müssen. Die Diskussion um das Recht auf Entwicklung hat uns allen geholfen, diesen Zusammenhang deutlicher zu erkennen. Das Menschenrechtsinstrumentarium muß in seiner ganzen Breite eingesetzt werden. ... Die Menschenrechte sind Teil einer jeden Kultur. Sie können nicht unter Hinweis auf kulturelle oder religiöse Traditionen eingeschränkt werden. Wir müssen zu mehr Gemeinsamkeit bei der weltweiten Durchsetzung der Menschenrechte kommen. Nur wenn die Weltkulturen mit ihren unterschiedlichen Gesellschaftsentwürfen ein klares Bild voneinander haben, kann gegenseitiges Verständnis wachsen. Wissen schafft Vertrauen. Deshalb führt Deutschland mit vielen Staaten einen offenen bilateralen Menschenrechtsdialog. Deshalb plädiere ich für einen intensiveren Dialog der Kulturen auf internationaler Ebene."131

    60. Der Auswärtige Ausschuß des Bundestages sprach sich am 6. Mai 1998 für die Unterstützung des Hochkommissariats für Menschenrechte und des Menschenrechtszentrums der Vereinten Nationen durch die Bundesregierung aus. Es komme sowohl die finanzielle Erhöhung des Anteils für Menschenrechtsaktivitäten im Haushalt der Vereinten Nationen als auch ein weiterer Ausbau bilateraler Leistungen in Frage. Der Bundestag solle die Bundesregierung zudem auffordern, eine straffe und größere Kohärenz der Aktivitäten der Menschenrechtskommission anzustreben sowie auf schnellere und nachhaltigere Reaktionsmittel bei schweren Menschenrechtsverletzungen hinzuarbeiten.132

    61. Anläßlich der Verhandlungen über ein Fakultativprotokoll zum Internationalen Übereinkommen über die Rechte des Kindes von 1989 wurde am 29. Juni 1998 im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen über Kindersoldaten in bewaffneten Konflikten beraten. Das zukünftige Fakultativprotokoll soll ein höheres Mindestalter für eine direkte und indirekte Teilnahme an Kampfhandlungen als Art. 38 Abs. 2 des Übereinkommens festlegen, wonach bereits 15jährige als Soldaten an Feindseligkeiten teilnehmen können.

    Der Vertreter des Vereinigten Königreichs Weston drückte im Namen der Europäischen Union seine Unterstützung für die Rolle des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen als Anwalt der Kindersoldaten aus und hob die Bedeutung des Schutzes von Kindersoldaten auf völkerrechtlicher Ebene hervor:

"While we recognise that primary responsibility to protect the rights of the child under all circumstances rests with the states, we must also reinvigorate international efforts to protect children. We must ensure the demobilisation of child soldiers and also recognise the importance of action to promote physical and psychological recovery in social reintegration of the child victims of conflict. The international community must ensure that adequate resources are devoted to child rehabilitation programmes as an integral part of planning for post-conflict situations. EU development policy already addresses the right of children in armed conflicts."133

    Darüber hinaus versicherte er die aktive Mitarbeit der Europäischen Union an der Ausarbeitung des Fakultativprotokolls zum Internationalen Übereinkommen über die Rechte des Kindes sowie an der Aufnahme einer Bestimmung im Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, die den Einsatz von Kindersoldaten in bewaffneten Konflikten unter Strafe stelle.134

    Der deutsche Vertreter Henze schloß sich im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen den Ausführungen im Namen der Europäischen Union an und legte die Position der Bundesrepublik Deutschland in den Verhandlungen über das Fakultativprotokoll zum Internationalen Übereinkommen über die Rechte des Kindes dar:

"In the current negotiations on an optional protocol to the United Nations Convention on the Rights of the Child relating to children in armed conflict, my country advocates stipulation of 18 years as the minimum age of a direct participation in armed conflict. When depositing its instruments ratifying the Convention on the Rights of the Child, the German Government declared that it would not avail itself of the opportunity provided by the Convention to set the age-limit at 15 years, as allowed by � 2 of Art. 38 of the Convention. In the opinion of my Government, it would be desirable to enforce a minimum age of 18 years for indirect participation in armed conflict as well. In further negotiations, Germany will advocate, in close co-ordination with his partners in the European Union and the North Atlantic Treaty Organization (NATO), the highest possible standard of protection for children and juveniles involved in armed hostilities. We urge states parties to the Convention to contribute to ensuring the successful adoption of the optional protocol and, even prior to its adoption, to apply � 2 of Art. 38 in such a way that the age-limit is increased to 18 years."135

    Weiterhin betonte Henze, daß die Straflosigkeit einer der Hauptgründe für den Mißbrauch von Kindern in bewaffneten Konflikten darstelle und die Bundesrepublik Deutschland deshalb auf der Diplomatischen Bevollmächtigtenkonferenz in Rom die Aufnahme eines entsprechenden Straftatbestandes in das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs fordern werde.136

    In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage zu Kindersoldaten in bewaffneten Konflikten bekräftigte die Bundesregierung am 27. Juli 1998 ihre Forderung in den Verhandlungen über das Fakultativprotokoll zum Internationalen Übereinkommen über die Rechte des Kindes nach Festlegung eines Mindestalters von 18 Jahren bei der direkten und bei der indirekten Teilnahme an Kampfhandlungen. Die indirekte Teilnahme an Kampfhandlungen umfasse den Einsatz von Kindern als Köche, Boten und Träger in bewaffneten Konflikten. Während die Position der Bundesrepublik Deutschland inzwischen von der großen Mehrheit der beteiligten Delegationen unterstützt werde, wende sich die USA gegen die Schutzaltersgrenze von 18 Jahren. Nach Kenntnis der Bundesregierung wolle die US-Regierung dadurch einen Konflikt des Zusatzprotokolls mit US-Recht vermeiden, das den Militärdienst von 17jährigen nicht nur zu Ausbildungszwecken zulasse. Pakistan verlange in der Frage der Schutzaltersgrenze eine Ausnahmeregelung für den bewaffneten Kampf zur Durchsetzung des nationalen Selbstbestimmungsrechts.

    Ferner werden die auf die Problematik der Kindersoldaten gerichteten Programme von der Bundesregierung unterstützt. Die Arbeit von UNICEF werde durch den freiwilligen Regelbeitrag der Bundesregierung zum UNICEF-Haushalt, durch die Koordinierung einzelner bilateraler entwicklungspolitischer Maßnahmen mit den Aktivitäten von UNICEF und durch den erheblichen Beitrag des deutschen UNICEF-Komitees an die Mutterorganisation unterstützt. Projekte von Nichtregierungsorganisationen können im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel auf Antrag gefördert werden.137

    62. Am 23. Oktober 1998 erklärte der österreichische Vertreter Manz im Namen der Europäischen Union zum Beratungsgegenstand "Verhinderung von Rassismus und rassischer Diskriminierung" im 3. Ausschuß der Generalversammlung der Vereinten Nationen:

"Despite all efforts to combat these phenomena nationally, at the regional level or under the umbrella of the United Nations, we are still confronted with manifestations of racism, racial discrimination, xenophobia and related intolerance in all regions of the world. The EU therefore believes that it remains crucial to intensify efforts to combat racism and intolerance. In combating racism and intolerance, all avenues have to be pursued. We must ensure that neither national legislation nor administrative practice nor behaviour discriminate on the basis of race, culture or ethnic origin. Legal systems must provide effective remedies to respond to racist incidents. Action has to be taken against racist attitudes in society. Of particular importance is awareness-raising among young people, drawing them closer to the value of tolerance and bringing to their attention the dangers of racism and xenophobia. Efforts in awareness raising should also include civil servants, officers of the court and immigration and police authorities. Human rights education in all sectors of society is a key instrument to promote respect for human rights towards one's fellow human beings and helps to improve the ability to live together in harmony."138

    Im folgenden führte er die Maßnahmen der Europäischen Union bei der Bekämpfung von Rassismus und rassischer Diskriminierung auf. Hierzu zählen die Aufnahme einer Nichtdiskriminierungsklausel sowie die Schaffung neuer Kompetenzen zur Bekämpfung von Straftaten durch den Amsterdamer Vertrag von 1997, die aufgrund des Europäischen Jahres gegen Rassismus 1997 ergriffenen Maßnahmen und Aktionsprogramme und die Einrichtung einer neuen und wichtigen EU-Institution, dem "European Montitoring Centre on Racism and Xenophobia".139

    63. Zu Fragen der Todesstrafe äußerte sich der österreichische Vertreter Strohal im Namen der Europäischen Union im 3. Ausschuß der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 6. November 1998. Die Europäische Union sei der Ansicht, daß die Abschaffung der Todesstrafe zur Erhöhung der Menschenwürde und zur fortschrittlichen Entwicklung der Menschenrechte beitragen könne. Sie habe deshalb in den vergangenen Monaten entweder in Einzelfällen oder allgemein interveniert und sei in Kontakt mit einer Anzahl von Regierungen getreten.140

    64. Auf die Kleine Anfrage, welche Rolle die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 20. Dezember 1993 verabschiedeten Rahmenbestimmungen für die Herstellung der Chancengleichheit für Behinderte (standard rules) bei der zukünftigen Behindertenpolitik der Bundesrepublik Deutschland spielen, antwortete die Bundesregierung am 19. November 1998, daß die Rahmenbestimmungen neben anderen internationalen Texten, insbesondere den Entschließungen des Europarates von 1992 zur "kohärenten Politik für behinderte Menschen" und den Entschließungen der Europäischen Union zur Chancengleichheit behinderter Menschen, eine wertvolle Orientierungshilfe darstelle. Die Rahmenbestimmungen seien in Deutschland umgesetzt. Der Beirat für die Rehabilitation der Behinderten stelle das in der Rahmenbestimmung 17 geforderte Gremium des Nationalen Koordinierungskomitees in geeigneter und umfassender Weise dar. Über den Beirat für die Rehabilitation der Behinderten halte die Bundesregierung ständige Verbindung zu Behindertenorganisationen im Sinne der Rahmenbestimmung 18. Die Bundesregierung werde sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten dafür einsetzen, daß die Rahmenbestimmungen fester Bestandteil jeglicher nationaler Behindertenpolitik werden.141



    131 Bull. Nr. 21 vom 27.3.1998, 246 f.
    132 WIB 9/98, 47.
    133 UN Doc. S/PV.3896.
    134 Ibid.
    135 Ibid.
    136 Ibid.
    137 BT-DRS. 13/11308.
    138 Permanent Mission of Austria to the United Nations (Anm. 14): http://www.undp.org/missions/austria/r231098.htm.
    139 Ibid.
    140 Permanent Mission of Austria to the United Nations (Anm. 14): http://www.undp.org/missions/austria/r061198.htm.
    141 BT-Drs. 14/71.