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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1998


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Karen Raible


XI. Rechtshilfe und Auslieferung

1. Rechtshilfe

    92. Auf eine Kleine Anfrage berichtete die Bundesregierung am 13. Januar 1998 über den Fortschritt ihrer Bemühungen, mit Staaten, die von Sextourismus und Kinderprostitution besonders betroffen sind, Rechtshilfeabkommen abzuschließen, um damit eine Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung und der Ermittlung gegen deutsche Täter zu ermöglichen.184 Mit den polnischen, tschechischen und ungarischen Strafverfolgungsbehörden habe sich ein intensiver und effizienter Rechtshilfeverkehr auf der Grundlage des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen (EuRHÜbk) vom 20. April 1959 entwickelt. Zusätzlich bestehen mit diesen Ländern seit Jahren informelle Absprachen zur Vereinfachung des Geschäftsweges. Mit Polen bestehe seit 1993 der unmittelbare Rechtshilfeverkehr zwischen den deutschen und polnischen Gerichten und Staatsanwaltschaften. Die mit der ehemaligen Tschechoslowakei im Jahre 1992 getroffenen Geschäftswegabsprachen gelten zwar im Verhältnis zu Tschechien fort, regeln aber nur den unmittelbaren Rechtshilfeverkehr zwischen den deutschen und tschechischen Gerichten. Eine deutsch-tschechische Vereinbarung über den unmittelbaren Rechtshilfeverkehr zwischen deutschen und tschechischen Staatsanwaltschaften stehe kurz vor ihrem Abschluß. Mit Ungarn sei in einer informellen Absprache aus dem Jahre 1991 festgelegt worden, daß gerichtliche Rechtshilfeersuchen zwischen dem Bundesministerium der Justiz und dem ungarischen Justizministerium, staatsanwaltliche Rechtshilfeersuchen zwischen den deutschen Generalstaatsanwaltschaften und der ungarischen Generalstaatsanwaltschaft übermittelt werden. Trotz der bestehenden informellen Absprache sei beabsichtigt, mit Tschechien, Polen und Ungarn bilaterale Verträge zur Ergänzung des EuRHÜbk und zur Erleichterung seiner Anwendung abzuschließen. Die Vertragsentwürfe sehen den unmittelbaren Rechtshilfeverkehr zwischen den Staatsanwaltschaften und Gerichten vor. Im Gegensatz zu den genannten osteuropäischen Staaten erfolge der Rechtshilfeverkehr mit Thailand, Sri Lanka und den Philippinen vertraglos. Mit Vertretern der Generalstaatsanwaltschaft Thailands habe die Bundesregierung im Jahre 1995 mündlich eine Absprache zur Vereinfachung des Geschäftsweges bei der Ermittlung von Rechtshilfeersuchen getroffen, die durch einen Notenwechsel förmlich bestätigt werden solle. Ein solcher Notenwechsel sei auch in bezug auf die Philippinen beabsichtigt, nicht jedoch in bezug zu Sri Lanka. Da der legal advisor des srilankischen Außenministeriums und nicht das srilankische Justizministerium für Rechtshilfeersuchen fremder Staaten zuständig sei, sei eine solche Vereinfachung des Geschäftsweges nicht möglich.

    93. Das Zustimmungsgesetz zum Übereinkommen vom 8. November 1990 über Geldwäsche sowie Ermittlungen, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten erging am 8. April 1998.185 Mit diesem Übereinkommen soll die internationale Zusammenarbeit bei der Ermittlung, Durchsuchung, Beschlagnahme und Einziehung der Erträge bei allen Arten der Kriminalität ermöglicht werden, insbesondere bei illegalem Drogen- und Waffenhandel, bei terroristischen Aktivitäten, bei Kinder- und Mädchenhandel sowie bei allen sonstigen Deliktsarten, die üblicherweise hohe Gewinne für die Täter abwerfen. Das Übereinkommen umfaßt das gesamte Verfahren von den ersten Ermittlungen bis zum Erlaß und der Vollstreckung von Einziehungs- und Verfallsanordnungen. In den Art. 2-6 verpflichten sich die Vertragsparteien, die erforderlichen gesetzgeberischen und anderen Maßnahmen zu treffen, um Tatwerkzeuge und Erträge oder Vermögensgegenstände, deren Wert den Erträgen entspricht, einziehen zu können. In den Art. 7-35 werden dann die Grundsätze der internationalen Zusammenarbeit, die Verpflichtung und Durchführung der Unterstützung, die Verpflichtung zur Anordnung vorläufiger Maßnahmen und deren Durchführung, die Verpflichtung zur Einziehung und Vollstreckung der Einziehung, Gründe für die Ablehnung und Aufschiebung der internationalen Zusammenarbeit, Maßnahmen zum Schutz der Rechte Dritter bei dieser Zusammenarbeit sowie allgemeine Verfahrensfragen geregelt.

    Am 3. Dezember 1998 verabschiedete der Rat die Gemeinsame Maßnahme betreffend Geldwäsche, die Ermittlung, das Einfrieren, die Beschlagnahme und die Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten.186 Über das eben erwähnte Geldwäscheübereinkommen des Europarats hinaus verpflichten sich alle Mitgliedstaaten, die Geldwäsche bei Gewinnen aus schweren Straftaten unter Strafe zu stellen und sicherzustellen, daß Einziehung- oder Verfallsanordnungen anderer Mitgliedstaaten im Inland vollstreckt werden können.

    94. Am 4. Mai 1998 wurde das Gesetz über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda (Ruanda-Strafgerichtshofgesetz) verabschiedet.187 In dem Gesetz erfüllt die Bundesrepublik Deutschland ihre Verpflichtungen zur Zusammenarbeit, die sich aus den vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen beschlossenen Resolution 955 (1994) ergeben. Geregelt wird das Verhältnis zu nationalen Strafverfahren (� 2), die Überstellung und Durchbeförderung von Personen auf Ersuchen des Ruanda-Strafgerichtshofs (� 3), Rechtshilfe sonstiger Art (� 4), Rechtshilfe durch Vollstreckung (� 5) sowie die Vorrechte und Immunitäten der dem Ruanda-Strafgerichtshof angehörenden Personen (� 6).188

    95. Auf der Tagung des Rates vom 28. Mai 1998 wurde das Übereinkommen über die Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen sowie das Protokoll betreffend die Auslegung des Übereinkommens durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften durch die Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet.189 Das sogenannte Brüssel II-Übereinkommen beinhaltet die gemeinschaftsweite Vereinheitlichung der gerichtlichen Zuständigkeit für Entscheidungen in Ehesachen und damit zusammenhängenden Sorgerechtssachen sowie die Anerkennung und Vollstreckung dieser Entscheidungen. Es soll im Interesse rechtsuchender Bürger die Zuständigkeiten transparenter machen und Parallelprozesse in verschiedenen Mitgliedstaaten verhindern, die unter Umständen zu einander widersprechenden Entscheidungen führen.

    96. Am 17. Juni 1998 unterzeichneten alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union das Übereinkommen über den Entzug der Fahrerlaubnis.190 Das Übereinkommen ermöglicht die unionsweite Vollstreckung von Entscheidungen über den Entzug der Fahrerlaubnis.

    97. Durch Gesetz vom 16. Juli 1998 stimmte der Bundestag dem Übereinkommen vom 29. November 1996 über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie zum Protokoll betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof zu.191 Für die Bundesrepublik Deutschland trat das Übereinkommen am 1. Januar 1999 in Kraft.192

    98. Am 16. Juli 1998 erging ebenfalls das Zustimmungsgesetz zu einem weiteren Beitrittsübereinkommen, nämlich dem Übereinkommen vom 29. November 1996 über den Eintritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zu dem Übereinkommen von 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht sowie zu dem 1. und dem 2. Protokoll über die Ausübung des Übereinkommens durch den Gerichtshof.193 Für die Bundesrepublik Deutschland trat das Übereinkommen am 1. Januar 1999 in Kraft.194

    99. Die Zusammenarbeit von Staaten mit dem Internationalen Strafgerichtshof wird in Teil 9 des am 17. Juli 1998 von der Diplomatischen Bevollmächtigtenkonferenz der Vereinten Nationen angenommenen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs geregelt.195 Art. 86-88 des Statuts enthalten allgemeine Bestimmungen der Zusammenarbeit. Nach Art. 87 Abs. 7 kann der Internationale Strafgerichtshof für den Fall, daß ein Vertragsstaat einem Ersuchen des Gerichtshofs um Zusammenarbeit nicht Folge leistet, eine entsprechende Feststellung treffen und die Angelegenheit der Versammlung der Vertragsstaaten oder, wenn der Sicherheitsrat die Angelegenheit dem Gerichtshof unterbreitet hat, dem Sicherheitsrat übergeben. Art. 89-92 des Statuts widmen sich der Überstellung verdächtiger Personen an den Internationalen Strafgerichtshof. Eine völkerrechtliche Besonderheit stellt es dar, daß auch eigene Staatsangehörige von der Überstellungspflicht erfaßt sind. In Art. 93-99 des Statuts sind andere Formen der Zusammenarbeit dargestellt. Nach Art. 93 Abs. 4 kann ein Vertragsstaat ein Rechtshilfeersuchen nur dann ablehnen, wenn das Ersuchen die Beibringung von Unterlagen oder die Offenlegung von Beweismitteln betrifft, die seine nationale Sicherheit betreffen. Art. 100-102 des Statuts haben den Charakter von Schlußbestimmungen.

    100. Dem Übereinkommen vom 25. Mai 1987 zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über das Verbot der doppelten Strafverfolgung wurde durch Gesetz vom 7. September 1998 zugestimmt.196 Das Übereinkommen wurde von der Bundesrepublik Deutschland am 4. August 1992 unterzeichnet und erstreckt das Verbot der Doppelbestrafung, das in Art. 103 Abs. 3 GG geregelt ist, auf ausländische Urteile von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften. Ein Staat soll grundsätzlich gehindert sein, eine Person erneut strafrechtlich zu verfolgen, die wegen derselben Tat im Ausland bereits rechtskräftig abgeurteilt worden ist. Die Sperrwirkung tritt jedoch nur ein, wenn der Angeklagte freigesprochen wurde oder im Falle einer Verurteilung wenn die Sanktion vollständig vollstreckt wurde oder gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaates nicht mehr vollstreckt werden kann. Ein Mitgliedsstaat kann jedoch bei der Ratifikation durch Erklärung bestimmen, daß in bestimmten, in dem Übereinkommen aufgeführten, Fällen die Sperrwirkung ausländischer Urteile nicht gilt.197



    184 BT-Drs. 13/9595, 12.
    185 BGBl. 1998 II, 519.
    186 ABl. EG Nr. L 333, 1 vom 9.12.1998.
    187 BGBl. 1998 I, 843.
    188 Vgl. im übrigen Bank (Anm. 1), Ziff. 113.
    189 ABl. EG Nr. C 221, 1 vom 16.6.1998.
    190 ABl. EG Nr. C 216, 1 vom 10.7.1998.
    191 BGBl. 1998 II, 1411.
    192 BT-Drs. 14/711, 90.
    193 BGBl. 1998 II, 1421.
    194 BT-Drs. 14/711, 90.
    195 UN Doc. A/CONF.183/9. Vgl. hierzu auch schon Ziff. 1 dieses Berichts.
    196 BGBl. 1998 II, 2226.
    197 Vgl. die Denkschrift der Bundesregierung vom 16.6.1998, BT-Drs. 13/10968.