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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1998


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Karen Raible


XII. Zusammenarbeit der Staaten

5. Entwicklungs- und Finanzhilfe

    123. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage erörterte die Bundesregierung am 5. Januar 1998 den entwicklungspolitischen Beitrag der EXPO 2000 in Hannover.247

    Dabei unterstrich sie zunächst die Unterstützung, die ärmere Länder von der Bundesregierung erhalten, um an der EXPO 2000 teilnehmen zu können. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) könne diesen Ländern eine Förderung gewähren, die in Form unentgeltlicher Beratungsleistungen oder nichtrückzahlbarer Finanzierungsbeiträge erfolge. Als "ärmere" Länder gelten solche Länder, die die Voraussetzungen der Weltbank für IDA-Konditionen erfüllen, d.h. bezogen auf 1997, Länder mit einem Pro-Kopf-Einkommen von bis zu 1465 US-Dollar. Die EXPO 2000 GmbH biete darüber hinaus auch solchen Ländern, die nicht zu den "ärmeren" Ländern gehören, Beratung an. Ferner unterstütze die Bundesregierung die Bemühungen von Staatengemeinschaften und regionalen Gruppen um das Zustandekommen von Gemeinschaftspräsentationen, um Entwicklungsländern die Möglichkeit zu geben, ein sie gemeinsam betreffendes Thema attraktiv darzustellen.

    Danach ging die Bundesregierung auf die Berücksichtigung entwicklungspolitischer Themen bei der EXPO 2000 ein. Ihrer Ansicht nach treten entwicklungspolitische Themen in allen Programmbereichen in Erscheinung. Alle Länder müßten ihre Präsentation am Leitmotiv der nachhaltigen Entwicklung ausrichten. Da die vorgesehenen Themenbereiche des Themenparks den thematischen Schwerpunkten bilateraler und multilateraler, staatlicher und privater Entwicklungszusammenarbeit entsprechen, eröffne er in besonderem Maße die Möglichkeit zur Darstellung entwicklungspolitisch relevanter Themen. Die Bundesregierung sei auf vielfältige Weise zugunsten der entwicklungspolitischen Thematik in den EXPO-Programmen tätig geworden und setze diese Bemühungen fort.

    Schließlich brachte die Bundesregierung zum Ausdruck, daß sie sicherstellen wolle, daß die Bedeutung Deutschlands als einer der größten Geber im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit und als wichtigster Partner der MOE- und GUS-Staaten im deutschen Pavillon angemessene Berücksichtigung finde:

"Nach Ansicht der Bundesregierung wäre ohne die Darstellung der internationalen Zusammenarbeit das Bild Deutschlands im deutschen Pavillon unvollständig. Die internationale Zusammenarbeit ist ein integraler Bestandteil der vielfältigen Außenbeziehungen Deutschlands sowohl auf staatlicher als auch auf nichtstaatlicher Ebene. Staat (Bund, Länder, Kommunen), Wirtschaft und Gesellschaft leisten umfangreiche und weltweit anerkannte, bedeutende Beiträge zur nachhaltigen Entwicklung in der Welt. Ihre Leistungen, insbesondere als Partner von Regierungen, Wirtschaft und gesellschaftlichen Gruppen in Entwicklungsländern, MOE- und GUS-Staaten tragen in erheblichem Maße zu einem positiven Deutschlandbild bei, wie es im deutschen Pavillon einem Millionenpublikum aus dem In- und Ausland vermittelt werden soll."248

    124. Im Rahmen einer Großen Anfrage zur Umsetzung des Schlußdokuments der 2. Menschenrechtsweltkonferenz "Wiener Erklärung und Aktionsprogramm" vom Juni 1993 äußerte sich die Bundesregierung am 13. Januar 1998 ausführlich zu ihrer Entwicklungszusammenarbeit mit anderen Staaten.249

    Dem im Wiener Schlußdokument niedergelegten Grundprinzip, Menschenrechte "weltweit in gerechter und gleicher Weise, auf derselben Grundlage und mit demselben Nachdruck" zu behandeln, werde die Bundesregierung in ihrer entwicklungspolitischen Praxis gerecht. In ihrer entwicklungspolitischen Zusammenarbeit habe die Bundesregierung die Beachtung der Menschenrechte zu einem von fünf Kriterien gemacht, die über Art und Umfang der Entwicklungszusammenarbeit entscheiden:

"Zur Bewertung der Menschenrechtssituation werden insbesondere die Indikatoren Freiheit von Folter, Rechte bei Festnahmen und Justizverfahren, die Beachtung des Grundsatzes "keine Strafe ohne Gesetz", Religionsfreiheit und Minderheitenschutz herangezogen. Weitere politische Menschenrechte werden bei der Bewertung der Kriterien "Gewährleistung von Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit" sowie "Beteiligung der Bevölkerung am politischen Prozeß" berücksichtigt. Die Beachtung wirtschaftlicher und sozialer Menschenrechte wird bei der Bewertung der "Entwicklungsorientierung staatlichen Handelns" geprüft.250

    Die Bundesregierung legte des weiteren dar, daß negative Entwicklungen bei diesen Kriterien einer Ausweitung der Zusammenarbeit entgegenstehen und im äußersten Fall auch zur Einstellung führen können. Wegen negativer Rahmenbedingungen werden einige Länder nicht berücksichtigt. Außerdem verwies die Bundesregierung auf die von der Europäischen Union im Jahre 1995 beschlossenen Standardklauseln für Menschenrechte in den Abkommen mit Drittländern, die die Achtung der demokratischen Grundsätze und der Menschenrechte zu einem wesentlichen Bestandteil dieser Abkommen machen und es ermöglichen, bei Nichterfüllung dieser Vertragsbestimmungen angemessene Maßnahmen zu ergreifen.

    Darüber hinaus brachte die Bundesregierung zum Ausdruck, daß sie sich bei internationalen und regionalen Finanz- und Entwicklungsinstitutionen dafür einsetze, daß bei Strukturanpassungsprogrammen von vornherein auch die soziale Dimension berücksichtigt werde. Auch durch die Haltung der Bundesregierung habe die Weltbank ihre Strukturanpassungsprogramme fortentwickelt, um Armutsgesichtspunkten stärker Rechnung zu tragen. Ergänzend finanziere die Weltbank in zahlreichen Ländern zusätzliche Maßnahmen, um mögliche temporäre Anpassungslasten für gefährdete und sozial schwache Bevölkerungsgruppen abzufedern. Obwohl soziale und demokratische Politiken zur Stärkung der Menschenrechte nicht direkter Bestandteil des IWF-Mandats seien, berücksichtige der IWF im Rahmen seiner Kreditgewährung auch soziale Fragestellungen. Die Bundesregierung fügte hinzu, daß sowohl für die Weltbank als auch für den IWF Aspekte der guten Regierungsführung (good governance) eine immer größere Rolle spielen. Die Weltbank und die regionalen Entwicklungsbanken setzten sich zudem bei der Umsetzung ihrer Länderhilfsprogramme dafür ein, daß Gruppen der Zivilgesellschaft sowohl bei der Planung und Implementierung der Programme als auch bei der Politikgestaltung in zunehmendem Maße partizipieren können. Die Bundesregierung habe an dieser Entwicklung durch ihre Stellungnahmen in den verschiedenen Gremien der internationalen Finanzinstitutionen maßgeblichen Anteil.

    125. Die Förderung der Menschenrechte als Herausforderung für die Entwicklungszusammenarbeit war Thema einer Rede des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Spranger bei dem entwicklungspolitischen Forum der Deutschen Stiftung für Internationale Entwicklung am 19. Januar 1998.251 Er erklärte, daß die deutsche Entwicklungspolitik schon früh die Gleichrangigkeit sozialer und politischer Menschenrechte anerkannt habe. Die Achtung der Menschenrechte ziehe sich wie ein roter Faden durch alle fünf Kriterien, die Art und Umfang der deutschen Entwicklungszusammenarbeit bestimmen:

"Im ersten Kriterium, der Beachtung der Menschenrechte, sind vor allem bürgerliche und politische Freiheitsrechte, wie z.B. die Freiheit von Folter, Religionsfreiheit oder der Minderheitenschutz angesprochen. Dazu gehört auch die Ächtung aller Formen von Gewalt gegen Frauen und Kinder. Die Grundsätze einer unabhängigen Justiz und der Beachtung des Prinzips 'Gleiches Recht für alle' sind im Kriterium der Rechtsstaatlichkeit und der Gewährleistung von Rechtssicherheit verankert. Die Vereinigungs-, sowie Presse- und Informationsfreiheit finden bei der Bewertung der Beteiligung der Bevölkerung an politischen Entscheidungen Berücksichtigung.

Auch das Kriterium der Einführung einer sozialen Marktwirtschaft steht in engem Zusammenhang mit den Menschenrechten. Um es mit den Worten von Bundespräsident Herzog auszudrücken: 'Marktwirtschaft setzt zumindest ökonomische Freiheit voraus, und Menschen, die von dieser Freiheit Gebrauch machen und damit Erfolg haben, werden eines Tages auch politische Mitverantwortung und nichtökonomische Freiheiten verlangen.' Zudem hat sich die soziale Marktwirtschaft langfristig als ausgezeichnetes Konzept für die Befreiung der Menschen von Hunger und Armut erwiesen. Auch beim fünften Kriterium, der Entwicklungsorientierung staatlichen Handelns, geht es vor allem um die notwendigen Voraussetzungen zur Verwirklichung der wirtschaftlichen und sozialen Menschenrechte."252

    In diesem Zusammenhang stellte Bundesminister Spranger klar, daß der Begriff "Kriterien" nicht falsch verstanden werden dürfe. Die Kriterien seien keine absoluten Maßstäbe für bestimmte Leistungen, sondern Hilfsmittel für den Entscheidungsprozeß in der Entwicklungszusammenarbeit. Die Bundesregierung erwarte nicht die Übernahme von Überzeugungen und Institutionen, die in der Kultur der Industrieländer gewachsen sind, sondern die Verwirklichung grundlegender Menschenrechte und Freiheiten, wie sie für alle Menschen gelten.

    Er fuhr fort, daß die Bundesregierung in der entwicklungspolitischen Praxis die Menschenrechte bei den Regierungen offen anspreche und ihre Zusammenarbeit auf die Gebiete ausrichte, die langfristig die Grundlagen für eine Verbesserung der Menschenrechtssituation schaffen. Zu einem Schwerpunkt der deutschen Entwicklungszusammenarbeit habe sich die Rechtsberatung und die Förderung der Rechtssicherheit entwickelt.

    Zum Abschluß zeigte Bundesminister Spranger langfristige Perspektiven der deutschen Entwicklungspolitik auf:

"Erstens: Die Frage der Menschenrechte spielt in fast allen Projekten und Programmen der Entwicklungszusammenarbeit eine Rolle. Wir sollten uns diesen Bezug und inneren Zusammenhang noch stärker ins Bewußtsein rufen. ... Es geht darum, Einzelvorhaben so anzulegen, daß sie Breitenwirkung entfalten und strukturelle Verbesserungen bewirken.

Zweitens: Weitere Fortschritte sollten wir bei der Zusammenarbeit der verschiedenen entwicklungspolitischen Institutionen anstreben. Die Kirchen, politische Stiftungen, sonstige private Träger, multilaterale Institutionen und die staatlichen Entwicklungsorganisationen haben gemeinsam einen erheblichen Erfahrungsschatz in der Förderung von Menschenrechten angesammelt. Ein intensiverer Austausch und die gegenseitige Abstimmung von Vorhaben in einem Land wären der Sache sicherlich dienlich. ...

Drittens: Entwicklungszusammenarbeit zum Beginn eines neuen Jahrhunderts, das unter dem Zeichen der Globalisierung steht, muß sich noch stärker auf die positive Beeinflussung von politischen Rahmenbedingungen konzentrieren. Hier bedarf es weiterer Überlegungen, welche Rahmenbedingungen für die Verwirklichung der Menschenrechte besondere Bedeutung haben und wie wir diese im Rahmen unserer Zusammenarbeit beeinflussen können. ...

Viertens: Schließlich müssen wir uns für die kulturelle Dimension der internationalen Zusammenarbeit noch besser wappnen. Wer zu unbedacht moralische Maßstäbe anlegt und anderen Völkern die Übernahme eigener, historisch gewachsener Standards aufzwingen will, der provoziert Konflikte und trägt zur Lösung globaler politischer Fragen bei."253

    126. Auf die Kleine Anfrage zur Forderung des Bundesaußenministers Kinkel nach Aussetzung der Entwicklungshilfe an Partnerländer, die die Rücknahme abgewiesener Asylbewerber verweigern, antwortete die Bundesregierung am 18. Juni 1998, daß innerhalb der Bundesregierung Einvernehmen bestehe, daß auf Länder, die völkerrechtswidrig die Rückführung von ausreisepflichtigen Staatsangehörigen in ihre Heimatländer behindern oder verhindern, mit dem Ziel eingewirkt werden müsse, daß diese ihren Verpflichtungen nachkommen. Dabei müssen die politischen, die wirtschafts-, entwicklungs- und asylpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland stärker miteinander verbunden werden. Die Bundesregierung sei der Auffassung, daß im Rahmen dieses integralen Ansatzes alle ihr zur Verfügung stehenden und geeigneten Mittel grundsätzlich eingesetzt werden können, um auf eine Lösung des Problems der Rückführung abgewiesener Asylbewerber in ihre Heimatländer hinzuwirken. Dies schließe alle Politikbereiche ein, auch die entwicklungspolitischen Beziehungen. Leider sei die Erfolgsbilanz der verstärkten Bemühungen der Bundesregierung und der Länder, die Kooperationsbereitschaft der Herkunftsstaaten ausreisepflichtiger Ausländer bei deren Rückführung zu verbessern, uneinheitlich. In einigen Fällen seien deutliche Fortschritte erzielt worden, in anderen Fällen bestehen weiterhin deutliche Defizite bei der Rückübernahme Ausreisepflichtiger.254

    127. Im Berichtszeitraum war die Verschuldung der Entwicklungsländer und die HIPC-Initiative der Weltbank Gegenstand zahlreicher Stellungnahmen der Bundesregierung.

    Auf eine Kleine Anfrage erklärte die Bundesregierung am 13. Januar 1998, daß sie sich sowohl auf internationaler als auch auf bilateraler Ebene für die Überwindung der Verschuldungsprobleme der ärmsten Entwicklungsländer einsetze:

"Im Pariser Club, dem informellen Zusammenschluß von staatlichen Gläubigern, sind unter maßgeblicher Beteiligung Deutschlands die Umschuldungsbedingungen für die ärmsten Länder fortlaufend verbessert worden. Unter den seit Ende 1994 geltenden 'Neapel-Konditionen' können ärmste Länder einen Erlaß von bis zu 67 % der Handelsforderungen und unter bestimmten Voraussetzungen eine abschließende Schuldenstandsregelung erhalten.

- Ferner unterstützt die Bundesregierung die 'Initiative zur Unterstützung hochverschuldeter armer Länder' von Weltbank und IWF. Diese Initiative sieht für eine begrenzte Anzahl von Ländern erstmals Schuldenerleichterungen auch bei den Verbindlichkeiten gegenüber multilateralen Gläubigern (Weltbank, IWF, regionale Entwicklungsbanken) und parallel eine Anhebung der Erlaßquote im Pariser Club auf 80 % vor. Die Bundesregierung war schon bei der Diskussion der 'Neapel-Konditionen' bereit gewesen, in einigen Sonderfällen einen Erlaß von bis zu 80 % für Handelsforderungen zu gewähren; dieser Vorschlag war damals im Gläubigerkreis noch nicht konsensfähig.

- Darüber hinaus hat Deutschland gegenüber den ärmsten Entwicklungsländern ('least developed countries') seit 1978 den Verzicht auf bilaterale Forderungen aus Entwicklungshilfekrediten in einem Gesamtumfang von rund 9,1 Mrd. DM ausgesprochen oder in Aussicht gestellt."255

    In ihrer Antwort auf eine weitere Kleine Anfrage konkretisierte die Bundesregierung am 16. Juni 1998 ihre Haltung zur HIPC-Schuldeninitiative von Weltbank und IWF zur Entschuldung der ärmsten, hochverschuldeten Entwicklungsländer.256 Die Bundesregierung halte die Vorgehensweise und Abgrenzung der bestehenden HIPC-Schuldeninitiative für gerechtfertigt, da sie sich auf die Lösung der Schuldenprobleme der ärmsten Länder konzentriere und am ehesten geeignet sei, die konkreten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Für die HIPC-Schuldeninitiative kommen Länder in Frage, die nur ein sehr geringes Pro-Kopf-Einkommen aufweisen, die ehrgeizige und weitreichende wirtschaftspolitische Reformprogramme verfolgen, um die Ursachen der wirtschaftlichen Ungleichgewichte zu bekämpfen, und bei denen im Rahmen einer "Schuldentragfähigkeitsanalyse" festgestellt werde, daß der Verschuldungsgrad ohne zusätzliche über die bereits vorhandenen Schuldenerleichterungsmaßnahmen hinausgehende Hilfen ein tragbares Niveau überschreite. Ob und wieviel an zusätzlichen Hilfen unter der HIPC-Schuldeninitiative notwendig seien, werde auf der Grundlage einer detaillierten Analyse der Verschuldungssituation anhand bestimmter Kriterien für jeden Einzelfall geprüft und entschieden. Auf die Frage, wie die Bundesregierung die Forderung beurteile, zur dauerhaften Lösung der Verschuldungskrise ein internationales Insolvenzrecht zu schaffen, erklärte die Bundesregierung, daß mit den zur Unterstützung der hochverschuldeten Entwicklungsländer in den letzten Jahren entwickelten Maßnahmen einschließlich der HIPC-Schuldeninitiative ein ausreichendes Instrumentarium geschaffen worden sei, um auf die Verschuldungsprobleme spezifischer Länder flexibel und umfassend zu reagieren. Die Bundesregierung sehe daher keine Notwendigkeit für die Schaffung eines "internationalen Insolvenzrechts", dessen Verhandlung und anschließende Ratifizierung viele Jahre in Anspruch nehmen würde.

    Im Rahmen einer weiteren Kleinen Anfrage teilte die Bundesregierung am 2. Juli 1998 mit, daß sie zwar ebenso wie die britische und französische Regierung die rasche und entschiedene Ausweitung der Schuldenerleichterung für mehr Staaten im Rahmen der Bedingungen der HIPC-Initiative unterstütze. Allerdings halte sie einen pauschalen Schuldenerlaß für nicht hilfreich, da eine dauerhafte Lösung der Verschuldungsprobleme ohne nachhaltige Reformen in den Schuldnerländern selbst nicht erreicht werden könne. Die Bundesregierung nahm ebenfalls Stellung zu dem von der Bundesregierung eingeführten Schuldenumwandlungsprogramm. Mit dem Instrument der Schuldenumwandlungen sollen Mittel von Entwicklungsländern zugunsten von Vorhaben des Umweltschutzes, der Armutsbekämpfung oder der Bildungsförderung mobilisiert werden und ein Beitrag zur Reduzierung der Verschuldung geleistet werden.257

    Am 8. Juli 1998 äußerte sich die Bundesregierung erneut zur Verschuldung der Entwicklungsländer. Die Schuldenstrategie der Bundesregierung stehe allgemein auf den folgenden drei Säulen: Wirtschaftsreform bzw. Strukturanpassungen in den Entwicklungsländern, Förderung des Welthandels durch den Abbau von Handelsschranken insbesondere durch die Industrieländer sowie Fortsetzung des einzelfallbezogenen, die individuelle Situation eines jeden Landes reflektierenden Ansatzes von Schuldenerleichterungen bzw. Schuldenerlasse durch die Gläubiger. Einzelheiten gab die Bundesregierung bekannt über die Schuldenerleichterung bei der finanziellen Zusammenarbeit, den verbesserten Umschuldungskonditionen der HIPC-Schuldeninitiative und zu den Reduzierungsmöglichkeiten der Schulden bei multilateralen Institutionen. Die Schuldenerleichterungen bei der finanziellen Zusammenarbeit werden stets nur auf Antrag des Entwicklungslandes geprüft und beschlossen. Dabei sei zwischen drei Arten von Schuldenerleichterungen zu unterscheiden: dem Erlaß von Schulden aus der finanziellen Zusammenarbeit der am wenigsten entwickelten Länder, den Umschuldungen im Rahmen des Pariser Clubs sowie den Schuldenumwandlungen der finanziellen Zusammenarbeit zugunsten von Vorhaben des Umweltschutzes, der Armutsbekämpfung oder der Bildungsförderung. Im Zusammenhang mit der HIPC-Schuldeninitiative sei im November 1996 die Anhebung der maximalen Erlaßquote für Handelsforderungen auf 80 % beschlossen worden, nachdem die "Neapel-Konditionen" aus dem Jahre 1994 nur einen Erlaß von 67 % vorgesehen haben. Die Bundesregierung sei schon bei der Diskussion der "Neapel-Konditionen" bereit gewesen, in einigen Sonderfällen einen Erlaß von bis zu 80 % für Handelsforderungen zu gewähren. Die Bundesregierung erklärte weiterhin, daß sie die im Rahmen der HIPC-Schuldeninitiative entwickelten Ansätze zur Reduzierung der multilateralen Verschuldung unterstütze. Da die ärmsten Länder aber auch in Zukunft auf die finanzielle Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft angewiesen sein werden, sei wichtig, daß die HIPC-Schuldeninitiative die finanzielle Integrität der internationalen Finanzinstitutionen nicht beeinträchtige. Die Bundesregierung wende sich energisch gegen Konzepte, die diese finanzielle Integrität und damit letztlich die Leistungsfähigkeit der internationalen Finanzinstitutionen gefährden.258

    128. Bei der Aussprache vom 17. Juni 1998 über den Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, der sich vom 7. bis 19. März 1998 in China und in der Mongolei aufgehalten hatte, stimmten die Abgeordneten des Ausschusses mit der Bundesregierung überein, daß die Bundesregierung aufgrund der bisher erzielten Erfolge ihre entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit der Volksrepublik China und der Mongolei wie bisher fortsetzen solle. Bei dem Besuch in Shanghai standen der mit deutschen Entwicklungshilfemitteln geförderte U-Bahnbau im Vordergrund der Diskussion.259

    129. Im Rahmen einer Kleinen Anfrage betreffend den Einsatz von Kindersoldaten in bewaffneten Konflikten erläuterte die Bundesregierung am 27. Juli 1998 spezielle Projekte ihrer bilateralen Entwicklungshilfezusammenarbeit zugunsten von Kindersoldaten oder ehemaligen Kindersoldaten. Projekte zur Demobilisierung und Wiedereingliederung von Soldaten, darunter zahlreiche Kindersoldaten, seien in Angola mit 8 Mio. DM, in Uganda mit 5 Mio. DM und in Äthiopien mit 6 Mio. DM unterstützt worden. Darüber hinaus habe die Bundesregierung im Jahr 1996 in Mosambik gemeinsam mit dem Universitätskrankenhaus Eppendorf in Hamburg einen internationalen Kongreß zum Thema "Kinder, Krieg und Verfolgung - Wiederaufbau der Hoffnung" finanziell und inhaltlich unterstützt. Auf die Frage, inwieweit die Bundesregierung darauf achte, daß Empfängerländer deutscher Entwicklungshilfe nicht gleichzeitig den Einsatz von Kindersoldaten billigen oder fördern, antwortete die Bundesregierung, daß Art und Umfang der Entwicklungszusammenarbeit der Bundesregierung maßgeblich durch die fünf Kriterien zur Bewertung der internen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Entwicklung bestimmt werden. Der Einsatz von Kindersoldaten wirke sich negativ auf die Einschätzung sowohl des Kriteriums "Beachtung der Menschenrechte" als auch der "Entwicklungsorientierung staatlichen Handelns" aus.260



    247 BT-Drs. 13/9581.

    248 Ibid., 3.

    249 BT-Drs. 13/9595, 7 f.

    250 Ibid., 8 f.

    251 Bull. Nr. 7 vom 27.1.1998, 85 f.

    252 Ibid., 86.

    253 Ibid., 88.

    254 BT-Drs. 13/11079.

    255 BT-Drs. 13/9595, 8.

    256 BT-Drs. 13/11126.

    257 BT-Drs. 13/11236.

    258 BT-Drs. 13/11274.

    259 Blickpunkt Bundestag 2/98, 45.

    260 BT-Drs. 13/11308, 11.