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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1998


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Karen Raible


XIII. Umwelt- und Naturschutz

3. Luftreinhaltung und Klimaschutz

    144. Die Bundesregierung gab durch die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Merkel am 15. Januar 1998 vor dem Deutschen Bundestag eine Erklärung zum Thema "Kyoto - Erfolg und weitere Verpflichtungen im weltweiten Klimaschutz" ab, in der sie die erzielte Einigung auf das Klimaprotokoll würdigte und seine wesentlichen Inhalte an sechs Beispielen darstellte:

"Erstens geht es natürlich um die Reduktionsziele. Die Industrieländer müssen ihre Treibhausgase insgesamt um mindestens 5 % reduzieren, und zwar nicht nur die drei, die wir in unserer Diskussion immer wieder in den Mittelpunkt gestellt haben, nämlich CO2, Methan, Distickstoffoxid, sondern auch HFCs, PFCs und Schwefelhexaflorid, drei weniger bekannte Substanzen. ... Jedes Industrieland hat eine spezifische Reduktionsverpflichtung, die Mitgliedstaaten der Europäischen Union in diesem Zusammenhang 8 %. Aber die Europäische Union hat es geschafft - das war für uns ganz wichtig - das sogenannte EU-Bubble, also die gemeinsame Umsetzung dieser Ziele in unserer Staatengemeinschaft, zu realisieren. ...

Zum zweiten ist es der Europäischen Union mit Unterstützung der assoziierten Länder und der Schweiz in Kyoto gelungen, Politiken und Maßnahmen zu vereinbaren. ... Es ist gelungen eine nachhaltige Land- und Forstwirtschaft zu verankern sowie die Emissionen von Treibhausgasen in den Bereichen Verkehr, Abfall und Energie zu begrenzen. Es ist auch wichtig, daß es uns gelungen ist, eine Regelung über die Emissionen durch Flug- und Schiffstreibstoffe aufzunehmen. ...

Drittens: Ein viel diskutierter Punkt in Kyoto war der Handel mit Emissionsrechten, das sogenannte Trading. Beim Handel mit Emissionen können die einzelnen Länder untereinander Emissionsreduktionen kaufen. Damit wird ein Markt geschaffen, um effizient und kostengünstig Treibhausgasemissionen zu senken. Das heißt, man kann Zertifikate in Ländern kaufen, in denen eine CO2-Reduktion noch leichter machbar ist und damit billiger wird. So kann man Kosteneffizienz zum Klimaschutz nutzen. ... Wir haben - das war sehr wichtig - festgelegt, daß nur der Handel zwischen den Industrieländern erlaubt ist, und wir haben festgelegt, daß ein solcher Handel nationale Anstrengungen natürlich nicht ersetzen darf. Denn unser Ziel muß sein, daß die Länder die über die beste Technologie verfügen, diese Technologie weiter verbessern und dann insbesondere in Entwicklungsländer exportieren. ...

Ein noch kritischer Punkt sind - viertens - die Senken. Senken bieten die Möglichkeit, CO2 zu speichern. ... Die Einbeziehung von Senken ist methodisch umstritten. Man kann sich mit den verschiedenen Methoden - ich sage das einmal etwas platt - fast jede Reduktion ausrechnen, die man braucht. Deshalb ist es ganz wichtig, daß wir uns in Kyoto darauf geeinigt haben, daß bei der Erfüllung von Reduktionsverpflichtungen nur die CO2-Emissionen, die durch den Menschen verursacht werden, einbezogen werden dürfen und daß wir uns auf die Bereiche Aufforstung, Wiederaufforstung und Entwaldung beschränken. ...

Ein fünfter, ganz wichtiger Punkt, ist die gemeinsame Umsetzung von Klimaschutzprojekten, die sogenannte Joint Implementation. ... Es ist uns gelungen, daß das Instrument der Joint Implementation auch im Protokoll verankert wird. Das heißt, im Ausland kostengünstiger zu erzielende Reduktionen durch Investitionen in konkrete Projekte können angerechnet werden. ...

Damit zu dem sechsten Punkt, nämlich der Einbeziehung von Entwicklungsländern. Dies ist ein schwieriges Feld. ... Natürlich müssen die Entwicklungsländer, so wie im Montrealer Protokoll vereinbart, in absehbarer Zeit einbezogen werden, insbesondere jene, die über hohe jährliche Wirtschaftswachstumsraten, die mehr Wohlstand versprechen, verfügen."285

    Zur internen Aufteilung des europäischen Ziels von acht Prozent und zur nationalen Klimaschutzpolitik erklärte Merkel:

"Deutschland steht mit seinem 25-Prozent-Reduktionsziel in der Europäischen Union und weltweit vorbildlich da. Wir erbringen innerhalb der Europäischen Union bei dem "burden sharing" einen überproportionalen Anteil. Deshalb werden wir natürlich die nationalen Beiträge der anderen Länder überprüfen."286

    Die Fraktionen der SPD und der Bündnis-Grünen kritisierten in ihren Entschließungsanträgen zu der Klimakonferenz in Kyoto vom 1. bis 10. Dezember 1997 die erzielten Ergebnisse, die weit hinter den Forderungen der früheren Weltklimakonferenzen von 1988 und 1990 und den Empfehlungen des Erdgipfels von Rio 1992 zurückgeblieben seien.287 Weder habe die Europäische Union ihr Vorhaben, den Ausstoß der Treibgase bis 2010 um 15 % zu senken, durchgehalten, noch dürfe die Europäische Union zulassen, "daß die USA auch in Zukunft mit ihrer Politik des Klima-Dumpings auf UN-Vertragsstaatenkonferenzen durchkommt". Hingegen verdeutlichten die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und der FDP in ihrem Erschließungsantrag, daß die Verabschiedung des Klimaprotokolls von Kyoto in erster Linie auf eine erfolgreiche Wahrnehmung der Führungsrolle der Europäischen Union in den Gesprächen zurückzuführen sei. Die erstmals rechtsverbindlich festgelegte Reduktionsverpflichtung für Industrieländer, Treibhausgase um 5 % gegenüber 1990 im Zeitraum 2008 bis 2012 zu erbringen, stelle einen Fortschritt dar.288 Während die Anträge der Fraktionen der SPD und der Bündnis-Grünen abgelehnt wurden, wurde der Koalitionsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen von dem Ausschuß für Umwelt-, Naturschutz- und Reaktorsicherheit am 29. April 1998 gebilligt. Die Bundesregierung wurde darin aufgefordert, sich mit Blick auf die 4. Vertragsstaatenkonferenz 1998 in Buenos Aires dafür einzusetzen, daß die im Protokoll vorgesehenen Verpflichtungen auch umgesetzt werden. Zudem sollten längerfristig die Pflichten der Industrieländer verschärft und die Entwicklungsländer hinsichtlich der Begrenzungs- und Reduktionsziele mit einbezogen werden. Die Koalitionsfraktionen äußerten sich im Ausschuß für Umwelt-, Naturschutz und Reaktorsicherheit dahingehend, daß höhere Reduktionsziele zwar wünschenswert seien, aber gegen starke Widerstände insbesondere der USA nicht durchsetzbar gewesen seien. Aus diesem Grunde begrüße die CDU/CSU-Fraktion den Plan der Bundesregierung, an dem wesentlich höheren nationalen Reduktionsziel (25 %) bei der Verminderung von CO2-Emissionen festzuhalten.289

    Die Bundesrepublik Deutschland unterzeichnete am 29. April 1998 in New York das Klimaprotokoll von Kyoto. Nach eigenen Angaben wird die Bundesrepublik Deutschland in Abstimmung mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union das Klimaprotokoll von Kyoto ratifizieren, wenn bei der anstehenden näheren Ausgestaltung des Protokolls durch die 4. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention im November 1998 in Buenos Aires weitere Fortschritte insbesondere im Hinblick auf die vom Protokoll vorgesehenen Instrumente des Emissionshandels, der gemeinsamen Umsetzung von Klimaschutzprojekten und des Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung erreicht werden.290

    Am 2. November 1998 äußerte sich Bundesumweltminister Trittin skeptisch zu den Aussichten der Klimakonferenz in Buenos Aires. Bestandteil der weiteren Ausgestaltung des Klimaprotokolls von Kyoto müsse eine Regelung einer konkreten, quantitativen Obergrenze an Verpflichtungen sein, die im eigenen Land erreicht werden sollen. Der Handel mit Emissionsrechten werde erst möglich, wenn ein System der Kontrolle mit Sanktionen festgeschrieben sei.291

    145. Am 24. Juni 1998 unterzeichnete die Bundesrepublik Deutschland in ?rhus zwei neue Protokolle zur grenzüberschreitenden Luftverunreinigung im Rahmen des Genfer Luftreinhalteübereinkommens. Mit den beiden neuen Protokollen über Schwermetalle und persistente organische Schadstoffe (Persistent Organic Pollutants = POP) wird das Genfer Luftreinhalteübereinkommen nach den Regelungen über Schwefel, Stickstoffoxide und flüchtige Kohlenwasserstoffe nunmehr um den Bereich der gesundheits- und umweltgefährdenden Spurenstoffe in der Atmosphäre ergänzt. Das Schwermetallprotokoll ist noch auf die Schwermetalle Cadmium, Blei und Quecksilber beschränkt, ermöglicht jedoch die Aufnahme weiterer Metalle in das Protokoll. Zu den wichtigsten Maßnahmen im Rahmen des Schwermetallprotokolls zählen die Verringerung der Emissionen aus industriellen Quellen, die Bekämpfung von Emissionen aus Verbrennungsprozessen sowie die Begrenzung der Emissionen aus der Abfallverbrennung. Von Bedeutung für die osteuropäischen Staaten ist, daß das Schwermetallprotokoll überdies von den Vertragsstaaten den Ausstieg aus der Verwendung verbleiter Kraftstoffe verlangt. Das POP-Protokoll beabsichtigt die Kontrolle, Reduzierung bzw. völlige Eliminierung von Emissionen bzw. Verlusten von POP in die Umwelt. Zu diesem Zweck legt das POP-Protokoll drei verschiedene Arten von Verpflichtungen fest. Für einige Substanzen wird Produktion und Verbrauch verboten, für andere Substanzen der Verbrauch auf wenige, unvermeidliche Anwendungen eingeschränkt. Für die unbeabsichtigt emittierten Stoffe wird eine Obergrenze der Emission festgelegt. Außerdem werden Möglichkeiten technischer Reduzierungen auf der Basis des Standes der Technik empfohlen. In einer in ?rhus unterzeichneten Zusatzdeklaration sprachen sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und andere westeuropäische Staaten zu weitergehenden Maßnahmen zur Bekämpfung von POP aus, die nicht im Protokoll aufgeführt sind.292

    Am 25. Februar 1998 wurde dem Protokoll vom 13. Juni 1994 zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigungen betreffend die weitere Verringerung von Schwefelemissionen zugestimmt.293

    146. Im Berichtszeitraum ratifizierte die Bundesrepublik Deutschland die am 17. September 1997 in Montreal beschlossenen Änderungen des Montrealer Protokolls von 1987 über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen. Zentrales Thema der von der 9. Vertragsstaatenkonferenz des Montrealer Protokolls beschlossenen Änderung ist ein vorgezogener Verzicht auf das vorwiegend in der Landwirtschaft verwendete Bodenbegasungsmittel Methylbromid, das die Ozonschicht in der Stratosphäre schädigt.294



    285 Bull. Nr. 5 vom 20.1.1998, 42 f.

    286 Ibid., 43.

    287 BT-Drs. 13/8969 vom 12.11.1997, 13/9411 vom 10.12.1997 und 13/9602 vom 14.1.1998.

    288 BT-Drs. 13/9600 vom 13.1.1998.

    289 WIB 8/98, 15.

    290 Umwelt Nr. 6/1998, 274.

    291 FAZ vom 3.11.1998.

    292 Umwelt Nr. 9/1998, 421 f.

    293 BGBl. 1998 II, 130. Vgl. Bank (Anm. 1), Ziff. 168.

    294 Umwelt Nr. 11/1998, 531.