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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1998


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Karen Raible


XIV. Außenwirtschaftsverkehr und Welthandelsordnung

1. GATT und WTO

    162. Im Rahmen einer Kleinen Anfrage zu den Beziehungen zwischen Indien und der Bundesrepublik Deutschland erklärte die Bundesregierung am 5. Mai 1998, daß sie etwaige indische Befürchtungen, daß die Umsetzung der Verpflichtungen aus dem TRIPS-Übereinkommen zu einer Verschlechterung der gesundheitlichen Grundversorgung der indischen Bevölkerung führen könnten, unbegründet erscheinen:

"Zum einen stellt ein für pharmazeutische Produkte bestehender Patentschutz nur eines von zahlreichen Kriterien, die sich auf die Preisgestaltung des Produktes auswirken, dar; zum anderen unterliegen in Indien mehr als 90% der von der WHO für medizinische Basisversorgung empfohlene Produkte, z.B. Penicillin, Sulfonamide keine Patentschutzregelung. Im übrigen ermöglicht Art. 8 des TRIPS-Übereinkommens Ausnahmen bzw. Schutzmaßnahmen im Interesse der öffentlichen Gesundheit, zum Schutze der Ernährung sowie zur Förderung des öffentlichen Interesses in lebenswichtigen Sektoren."333

    163. Auf die Kleine Anfrage, welche Maßnahmen die Bundesregierung ergriffen habe, um den Herausforderungen der Globalisierung noch besser gerecht zu werden und ihre Chancen für die deutsche Außenwirtschaft besser zu nutzen, antwortete die Bundesregierung am 15. Mai 1998, daß sie sich international für weitere multilaterale Handelsliberalisierung einsetze:

"Oberstes Ziel ist die dauerhafte Sicherung stabiler Rahmenbedingungen für weltweiten Handel und Investitionen. Offene Weltmärkte fördern Wachstum und Beschäftigung durch verstärkten Wettbewerb, durch neue Möglichkeiten der Nutzung internationaler Arbeitsteilung, durch internationalen Transfer von Know-How, durch Handel und grenzüberschreitende Investitionen.

Die Bundesregierung engagiert sich konsequent für die Beseitigung tarifärer und nichttarifärer Handelshemmnisse sowie für die weitere Liberalisierung der Finanzdienstleistungen.

Auf der zweiten WTO-Ministerkonferenz vom 18. bis 20. Mai 1998 in Genf wird die Bundesregierung gemeinsam mit der Europäischen Kommission die Zielsetzung unterstützen, eine Grundorientierung für eine neue globale multilaterale Runde von Handelsverhandlungen ab dem Jahr 2000 zu erreichen. Die wesentlichen Elemente einer neuen WTO-Runde sind aus deutscher Sicht die in der WTO bereits festgelegten Themen, u.a. Dienstleistungshandel, Schutz geistiger Eigentumsrechte, Landwirtschaft, aber auch weiterer Abbau tarifärer und nichttarifärer Handelshemmnisse, Verhandlungen über Handel und Umwelt, Handel und Investitionen, Handel und Wettbewerb."334

    Weiter erklärte die Bundesregierung, daß sie das Arbeitsprogramm der WTO über Investitionen mit dem Ziel, die Verhandlung über ein weltweites Investitionsabkommen aufzunehmen, unterstütze.335

    164. Am 17. Juni 1998 berichtete die Bundesregierung, was aus ihrem Vorschlag, der WTO eine Weltumweltorganisation (WEO) gleichberechtigt gegenüberzustellen, geworden ist:

"Anläßlich der VN-Sondergeneralversammlung 1997 wurde gemeinsam von den Staats- und Regierungschefs Deutschlands, Brasiliens, Singapurs und Südafrikas die 'globale Initiative für nachhaltige Entwicklung' vorgestellt. Sie enthält u.a. die Anregung, eine VN-Dachorganisation für Umweltfragen zu gründen. Eine solche Institution könnte aus UNEP heraus entwickelt werden und ihren Sitz in Nairobi haben. Der Vorschlag steht in Zusammenhang mit der ... Notwendigkeit einer verstärkten Koordinierung der Umweltaktivitäten des VN-Systems insgesamt. Dabei geht es allerdings nicht darum, der WTO eine Art 'Gegenorganisation' gegenüberzustellen. Die Bundesregierung hat mit ihren Überlegungen wesentliche Anstöße für die Reformdebatte gegeben. Sie ist sich mit den Partnern mit der 'globalen Initiative' und mit ihren Partnern in der EU wie in der G 8 einig, daß jetzt die Vorlage des bereits erwähnten Berichts der speziellen Reform-Arbeitsgruppe unter Leitung des UNEP-Exekutivdirektors und die daraus resultierenden Vorschläge des VN-GS abgewartet werden müssen, bevor die Debatte in der nächsten VN-Generalversammlung fortgesetzt wird. Der Bundesregierung kommt es entscheidend darauf an, daß der Reformprozeß zu einer effektiven Vernetzung und Stärkung der Umweltaktivitäten im VN-System mit dementsprechenden organisatorischen Vorkehrungen führt."336

    165. Im Rahmen einer weiteren Großen Anfrage zu den Chancen der Globalisierung und Gestaltung der Außenwirtschaftspolitik nahm die Bundesregierung am 17. Juni 1998 ausführlich Stellung zu Fragen der WTO.337

    Die Umsetzung der Verhandlungsergebnisse in der Uruguay-Runde des GATT beurteilte die Bundesregierung als zufriedenstellend. Beim ersten Ministertreffen der WTO in Singapur im Dezember 1996 haben die WTO-Mitglieder in der Schlußerklärung festgestellt, daß sie der wirksamen Umsetzung der Vereinbarung Priorität zumessen in Übereinstimmung mit dem Ziel der Handelsliberalisierung. Das zweite WTO-Ministertreffen in Genf im Mai 1998 habe betont, daß die vollständige Umsetzung der WTO-Abkommen und Minister-Entscheidungen zwingend sei für die Glaubwürdigkeit des multilateralen Handelssystems. Sie werde gleichzeitig als unabdingbar bezeichnet für die Wahrung des Momentums mit Blick auf eine Steigerung des Welthandels, die Förderung der Schaffung von Arbeitsplätzen und die Erhöhung des Lebensstandards weltweit.

    Obwohl die Bundesregierung der Auffassung sei, daß der in der Uruguay-Runde vereinbarte Zollabbau im allgemeinen und nicht in einzelnen Fällen beschleunigt werden soll, schätzte sie die Chancen, einen solchen Beschleunigungsprozeß WTO-weit in Gang zu setzen, eher gering ein. Zum einen beharren die Entwicklungsländer noch auf eine Umsetzung nach Plan, zum anderen werden die weitaus meisten Endzollsätze im gewerblichen Bereich bereits im ersten Jahr 1999 und für Agrarprodukte zum 1. Juli 2000 erreicht sein.

    Das neue Streitschlichtungsverfahren der WTO habe sich aufgrund der bisherigen Erfahrungen nach Ansicht der Bundesregierung bewährt. Für die 1998 anstehende vollständige Überprüfung des WTO-Streitschlichtungsverfahrens vertrete die Bundesregierung den Standpunkt, daß sich die WTO-Mitgliedstaaten darauf konzentrieren sollten, wie angesichts der verstärkten Inanspruchnahme des WTO-Streitschlichtungsverfahrens weiterhin effektiver Rechtsschutz geleistet werden könne. Besonderes Augenmerk müsse auf die Grundsätze der Verfahrensbeschleunigung und -vereinfachung gelegt werden.

    Weiter machte die Bundesregierung deutlich, daß sie sich in der Europäischen Union und in der WTO mit unverändertem Nachdruck für den weiteren Abbau von Handelshemmnissen und eine Verbesserung des Marktzugangs weltweit einsetzen wolle. Der Abbau von Handelsschranken biete die Möglichkeit zur Steigerung des Welthandels mit positiven Wirkungen auf Wachstum und Beschäftigung, von denen die Bundesrepublik Deutschland maßgeblich profitiere. Die Forderung nach Abbau von Handelshemmnissen gegenüber Drittländern bedinge zugleich die Bereitschaft der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union, den europäischen Binnenmarkt weiter zu öffnen. Im Hinblick auf notwendige Fortschritte in der WTO verwies die Bundesregierung auf die in den Verhandlungen der Uruguay-Runde vereinbarte umfangreiche Agenda, nach der die bestehenden Abkommen überprüft und/oder neu verhandelt werden sollen.

    Außerdem äußerte sich die Bundesregierung zu WTO-Beitrittsgesuchen anderer Staaten. Dem WTO-Beitritt der Volksrepublik China und der Russischen Föderation messe sie größte Bedeutung zu. Da für alle Beitrittskandidaten die Akzeptanz und volle inhaltliche Übernahme der WTO-Regeln als Voraussetzung für deren Beitritt gelte, folgen die Verhandlungen weitgehend den spezifischen Bedingungen beider Staaten, die in tiefgreifenden Transformationsprozessen zu stärkerer marktwirtschaftlicher Orientierung begriffen sind. Außer der Volksrepublik China und der Russischen Föderation sei Taiwan ein bedeutender Teilnehmer am internationalen Wirtschaftsverkehr, so daß seine Einbindung in das Regelwerk der WTO sowohl im Interesse der Bundesrepublik Deutschland als auch im Interesse der Europäischen Union liege. Die Bundesregierung unterstütze auch die 29 weiteren Beitrittskandidaten.

    Zum Stand der Verhandlungen hinsichtlich der internationalen Seeschiffahrt erklärte die Bundesregierung:

"Das GATT erfaßt grundsätzlich auch Dienstleistungen im Seeverkehr. Die Verhandlungen über Liberalisierungen in den Bereichen internationale Seeschiffahrt, maritime Hilfsdienste und Hafendienstleistungen konnten allerdings in der letzten Verhandlungsrunde nicht zu einem erfolgreichen Abschluß gebracht werden. Die WTO-Ministerkonferenz verständigte sich daher im Dezember 1996 in Singapur auf eine 'Decision on Maritime Transport Services' als Interimslösung für die Behandlung der Schiffahrtsdienste im GATT bis zur nächsten Liberalisierungsrunde, die ab ca. 2000 stattfinden wird; die Interimslösung sieht unter anderem den Verzicht auf neue handelsbeschränkende Maßnahmen (Ausnahme: Retorsion) vor.

Die Bundesregierung hat den grundsätzlichen Wert des globalen Liberalisierungssystems des GATS auch für Dienstleistungen wie die Schiffahrt betont und hätte einen Einstieg in dieses System begrüßt. Fortschritte waren jedoch angesichts der politischen Situation nicht erreichbar. Die Bundesregierung bemüht sich um bilaterale Kontakte und im Rahmen der OECD darum, frühzeitig Möglichkeiten für einen erfolgreichen Abschluß der nächsten Liberalisierungsrunde für diese Schiffahrt zu entwickeln."338

    Abschließend äußerte sich die Bundesregierung zu den Ursprungsregeln im Textil- und Bekleidungsabkommen der Uruguay-Runde. Im Bekleidungsbereich sehe sie die strengen Ursprungsregeln als Hindernis für die Einfuhren von Waren aus den am wenigsten entwickelten Ländern an und habe sich aus diesem Grunde immer für Ausnahmen eingesetzt. Solche befristeten Abweichungen seien bisher Laos, Kambodscha, Nepal und Bangladesch zugestanden worden. Des weiteren räumte die Bundesregierung ein, daß die unterschiedlichen präferentiellen Ursprungsregeln je nach ihrer Ausgestaltung ein nicht-tarifäres Handelshemmnis darstellen können. Daher setze sich die Bundesregierung für die liberale und administrativ einfache Harmonisierung der präferentiellen Ursprungsregeln ein.

    166. Das Memorandum der Europäischen Union für die 53. Generalversammlung der Vereinten Nationen enthält folgende allgemeine Erklärung zur WTO:

"The EU welcomes the outcome of the Second WTO Ministerial Conference in Geneva, 18-20 May 1998. The EU continues to attach importance to the full implementation of existing commitments by all the WTO-members within the agreed time scales, as was reaffirmed in the Ministerial Declaration adopted at Geneva. This declaration also established a wide ranging process within the WTO to prepare for the third session of the Ministerial Conference, looking forward to further liberalization. The EU underlines the importance and attaches to this process. It will play a key-role in ensuring that the commitments agreed in Geneva are met. It will in particular be seeking a broad based agenda, with the aim of taking the decisions necessary for launching a new comprehensive round at the end of 1999.

In line with its stated policy objective of gradually integrating the least developed countries (LDC's) into the multilateral trading system, the EU contributed significantly to the success of the High Level Meeting on Least Developed Countries held in Geneva in October 1997 and is determined to insure that commitments made at that meeting are probably implemented. In March 1998, the EU decided for its part to further improve the access of products originating in these countries to its market.

The Union welcomes with satisfaction the successful conclusion of the WTO negotiations on financial services in December 1997, which led to a broad, permanent and MFN-based agreement covering more than 95% of trade in banking, insurance, securities and financial information.

The EU attaches great importance to the negotiations on accession to the WTO, including those with China, Russia, Ukraine and the Baltic States. The EU considers that it is important to maintain the objective of successful completion of these negotiations, on the basis of respect for WTO-rules and effective commitments in the area of market access, in order to achieve the aim of global membership of the WTO."339



    333 BT-Drs. 13/10595, 10 f.

    334 BT-Drs. 13/10728, 2 f.

    335 Ibid., 6.

    336 BT-Drs. 13/10995, 10.

    337 BT-Drs. 13/10996, 10 ff.

    338 BT-Drs. 13/10996, 12.

    339 Das Memorandum der Europäischen Union kann im Internet unter der Adresse http://www.undp.org/missions/austria/53Gvmemo.htm eingesehen werden.