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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1998


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Karen Raible


XIV. Außenwirtschaftsverkehr und Welthandelsordnung

2. Außenwirtschaftskontrollrecht

    167. Im Berichtszeitraum ergingen folgende Rechtsakte auf dem Gebiet des Außenwirtschaftskontrollrechts:
- Bundesministerium für Wirtschaft, 41. Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung vom 20. Januar 1998;340
- Bundesministerium für Wirtschaft, 43. Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung vom 27. Juli 1998;341
- Bundesministerium für Wirtschaft, 44. Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung vom 12. August 1998;342
- Bundesministerium für Wirtschaft, 45. Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung vom 10. September 1998;343
- Bundesministerium für Wirtschaft, 137. Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste; Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz - vom 24. August 1998;344
- Bundesministerium für Wirtschaft, Runderlaß Außenwirtschaft Nr. 1/98 betreffend VI, 1: außenwirtschaftsrechtliche Vorschriften, Verzeichnis der Runderlasse Außenwirtschaft vom 15. Januar 1998;345
- Bundesministerium für Wirtschaft, Runderlaß Außenwirtschaft Nr. 2/98 betreffend VI: 41. Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung vom 20. Januar 1998;346
- Bundesministerium für Wirtschaft, Runderlaß Außenwirtschaft Nr. 3/98 betreffend I: Wareneinfuhr, Änderung der Einfuhrvorschriften für bestimmte Stahlerzeugnisse mit Ursprung in Kasachstan vom 26. Januar 1998;347
- Bundesministerium für Wirtschaft, Runderlaß Außenwirtschaft Nr. 4/98 betreffend I: Wareneinfuhr, Änderung der Einfuhrvorschriften für bestimmte Stahlerzeugnisse mit Ursprung in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien vom 26. Januar 1998;348
- Bundesministerium für Wirtschaft, Runderlaß Außenwirtschaft Nr. 11/98 betreffend VI: 44. Verordnungsänderung der Außenwirtschaftsverordnung vom 12. August 1998;349
- Bundesministerium für Wirtschaft, Runderlaß Außenwirtschaft Nr. 12/98 betreffend VI: 43. Verordnungsänderung der Außenwirtschaftsverordnung vom 27. Juli 1998;350
- Bundesministerium für Wirtschaft, Runderlaß Außenwirtschaft Nr. 13/98 betreffend I: Wareneinfuhr, 137. Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste - Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz vom 24. August 1998;351
- Bundesministerium für Wirtschaft, Runderlaß Außenwirtschaft Nr. 14/98 betreffend VI: 45. Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung vom 10. September 1998.352

    168. Im Berichtszeitraum waren Rüstungsexportkontrollen in der Bundesrepublik Deutschland Thema einer Großen und zwei Kleiner Anfragen an die Bundesregierung.

    In ihrer Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend den Sachstand und die Perspektiven von Rüstungsexportkontrollen verwies die Bundesregierung am 11. März 1998 zunächst auf die umfassenden Aussagen und Darstellungen in ihren Antworten zur Großen Anfrage der Fraktion der SPD über die "Rüstungsexport-Kontrollpolitik"353 sowie zur Großen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen über die "Exportkontrollpolitik bei Rüstung und rüstungsrelevanten Gütern"354, die nach wie vor gültig seien. Die Bundesregierung bekräftigte in diesem Zusammenhang, daß sie auch nach dem Wegfall des Ost-West-Gegensatzes und den Veränderungen in Osteuropa an dem in Art. 26 GG verankerten Bekenntnis zu einer besonders vorsichtigen Rüstungspolitik festhalte.355

    Zu den Grundlagen ihrer Rüstungspolitik machte die Bundesregierung folgende Angaben. Da Rüstungsgüter und zivile Güter, die militärisch verwendet werden (sog. dual-use-Güter), friedlichen und unfriedlichen Zwecken dienen können, könne der Handel mit diesen Gütern nicht allein den Marktgesetzen überlassen werden, sondern müsse staatlicher Kontrolle unterworfen sein. Diese staatliche Kontrolle folge den Vorgaben des Grundgesetzes, den internationalen Vereinbarungen sowie den einschlägigen Rechtsvorschriften und den politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern. Außen- und sicherheitspolitische Erwägungen bestimmen die Anwendung dieser Regelung. Die politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern aus dem Jahr 1982 konkretisieren das der Bundesregierung eingeräumte politische Ermessen bei der Entscheidung einzelner Exportvorhaben entsprechenden Vorschriften des Kriegswaffenkontrollgesetzes (KWKG) und des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG). In ihrer Außen- und Sicherheitspolitik verfolge die Bundesregierung die Ziele der Friedenssicherung unter Bewahrung der Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland sowie der NATO. Verhindert werden solle die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und einer Anhäufung konventioneller Waffensysteme, die das friedliche Zusammenleben der Völker bedrohen. Daneben könne und wolle die Bundesregierung anderen Staaten nicht die Verwirklichung dessen Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen niedergelegten Rechts auf Selbstverteidigung verwehren. Die Bundesregierung sei daher bereit, im Rahmen einer Gesamtabwägung aller relevanten Umstände auf der Grundlage ihrer rüstungsexportpolitischen Grundsätze zur Selbstverteidigung dieser Staaten auch durch Rüstungsexporte beizutragen.356

    In bezug auf die Überwachung des Außenwirtschaftsverkehrs teilte die Bundesregierung mit, mit welchen Mitteln sie die exportierende Wirtschaft über die geltenden Exportkontrollregelungen im militärischen und zivilen Bereich informiere:

"Die Bundesregierung betrachtet die Information der exportierenden Wirtschaft über die geltenden Kontrollregelungen als eine 'Bringschuld'. Aus diesem Grund werden gesetzliche Regelungen/Änderungen jeweils im Bundesanzeiger durch entsprechende Bekanntmachungen erläutert. Änderungen des europäischen Rechts, die sich aus den Beschlüssen der EU ergeben, werden ebenfalls vorher im Bundesanzeiger im nicht amtlichen Teil veröffentlicht. Das Bundesausfuhramt veröffentlicht darüber hinaus eine Reihe von erläuternden Bekanntmachungen zu wichtigen Fragen der Ausfuhrkontrollpraxis. Es gibt verschiedene ständige Fachgruppen aus Vertretern der Wirtschaft und der Behörden, die sich jeweils zu einzelnen Fachthemen beraten und austauschen. Je nach Bedarf wird der Dialog zwischen der Bundesregierung und der Dach- und Fachverbänden der Wirtschaft über aktuelle Fragen der Ausfuhrkontrolle aufgenommen. Die Bundesregierung unterrichtet die Wirtschaft zudem durch ihr Frühwarnsystem über vorliegende Erkenntnisse zu sensitiven Beschaffungsvorhaben dritter Länder. Zu den diversen Aus- und Fortbildungsveranstaltungen der Wirtschaft stellen die Behörden ihre sachkundigen Beamten als Referenten zur Verfügung."357

    Ebenfalls nahm die Bundesregierung eine Bewertung des Systems der Bundesrepublik Deutschland zur Überwachung des Außenwirtschaftsverkehrs vor. Als Vorteile nannte sie dabei die Schaffung einer umfassenden rechtlichen Basis für die Ausfuhrkontrolle, die Gewährleistung einer wirksamen Umsetzung durch die entsprechende organisatorische und personelle Ausgestaltung der Verwaltung, eine grundsätzliche Akzeptanz der betroffenen Wirtschaft sowie ein weitgehendes Verständnis für die Notwendigkeit dieses Kontrollsystems. Probleme könnten sich aber aus dem Konflikt einer möglichst weitgehenden Exportkontrolle auf der einen Seite und den Wertvorstellungen und Schranken des Rechtsstaates auf der anderen Seite, welche der Freiheit des einzelnen höchsten Rang einräume, ergeben.358

    In einem weiteren Punkt ging die Bundesregierung auf die Strukturen und Kompetenzen der Exportkontrollverwaltung ein. Die Überwachung des Außenwirtschaftsverkehrs obliege nach geltendem deutschen Recht dem Bundesausfuhramt (Genehmigungsbehörde), der Zollverwaltung (Ausfuhrkontrolle) und dem Zollfahndungsdienst/Zollkriminalamt (Verfolgung von Straftaten). Im Rahmen begrenzter Zuständigkeiten seien auch das Bundesamt für Verfassungsschutz, das Bundeskriminalamt und der Generalbundesanwalt tätig. Wenn es um Informationsgewinnung gehe, sei der Bundesnachrichtendienst eine besonders wichtige Informationsquelle bei Vorgängen, die das Ausland betreffen.359

    Einzelheiten teilte die Bundesregierung zum Ablauf des Genehmigungsverfahrens für Rüstungsexporte sowie für die Ausfuhr von dual-use-Gütern mit. Anträge für die Ausfuhr von Kriegswaffen seien beim Bundesministerium für Wirtschaft, Anträge für die Ausfuhr von sonstigen Rüstungsgütern beim Bundesausfuhramt als den zuständigen Genehmigungsbehörden einzureichen. Über bedeutsame Einzelvorhaben entscheide der Bundessicherheitsrat. Bei Anträgen für die Ausfuhr von dual-use-Gütern werde die Genehmigungspflicht anhand der Ausfuhrliste sowie der Kontrolltatbestände für nicht-gelistete Güter festgestellt und der vom Antragsteller angegebene Verwendungszweck unter Berücksichtigung der vorliegenden Risikoinformationen über Ausführer und Empfänger bewertet.360

    Die Bundesregierung konnte keine grundlegenden Unterschiede in den legislativen Rahmenbedingungen für Rüstungsexporte aus den einzelnen Mitgliedstaaten der europäischen Union in Drittländer feststellen. Jede Ausfuhr bedürfe einer vorherigen behördlichen Genehmigung. Allerdings ermöglichen die Beschlüsse der europäischen Räte von Luxemburg und Lissabon unterschiedliche Rüstungsexportpolitiken. Dies bedeute, daß in einigen Mitgliedstaaten Ausfuhrvorhaben genehmigt werden, für die andere Mitgliedstaaten vermutlich keine Genehmigung erteilen würden. Ziel der Bundesregierung sei es, bei Anwendung gemeinsamer Kriterien auch zu tatsächlich harmonisierten Genehmigungspraktiken zu kommen. Die Bundesregierung führte weiter aus, daß sie einer Erörterung exportkontrollpolitischer Fragen auf der Regierungskonferenz in Amsterdam aufgeschlossen gegenübergestanden habe. Sie teilte dabei die Auffassung der Mehrheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, wonach eine Initiative zur Aufhebung oder Änderung des Art. 223 EG-Vertrag derzeit nicht sinnvoll wäre, wohl aber eine verstärkte Zusammenarbeit.

    Abschließend gab die Bundesregierung Auskunft über bestehende Exportkontrollsysteme in mittel- und osteuropäischen Staaten, die militärische und dual-use-Güter erfassen. Ungarn, Polen, die Slowakische Republik, die Tschechische Republik, Lettland, Bulgarien und Rumänien, Rußland und die Ukraine arbeiten in den internationalen Exportkontrollregimen mit. Die Teilnahme daran setze voraus, daß die Staaten über wirksame Exportkontrollen und entsprechende Behörden verfügen. In der Ausstattung und Arbeitsfähigkeit der Kontrollbehörden gebe es natürlich Unterschiede. Die Öffnung der NATO für mittel- und osteuropäische Staaten unterstütze die Bundesregierung allein aus politischen Gründen und nicht im Hinblick auf mögliche zusätzliche Absatzchancen für deutsche Rüstungsgüterlieferungen an Neumitglieder.361

    Die Kleinen Anfragen im Berichtszeitraum betrafen Exporte von Rüstungs- und rüstungsrelevanten Gütern, die im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen verwendet werden können. Aus Anlaß einer Vielzahl von Berichten von Menschenrechtsorganisationen, daß im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen unter "Rüstung" sehr viel mehr zu verstehen sei als allein Kriegsgerät im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes und des Außenwirtschaftsgesetzes, ging die Bundesregierung am 4. August 1998 auf die Ausfuhrkontrollen von Elektroschockgeräten ein.362 Sie erachte die von ihr eingeführte Kontrolle der Ausfuhr von Elektroschockgeräten etc. als wirksam und auch ausreichend. Eine Ausfuhr müsse je nach Einzelfall möglich sein, da Elektroschockgeräte legitime Geräte zur Selbstverteidigung gerade auch für Frauen sein können. Das deutsche Ausfuhrkontrollrecht trage dieser Notwendigkeit durch die Einführung einer Genehmigungspflicht Rechnung. Die innere Lage und damit auch die Menschenrechtssituation in den Empfängerländern von Rüstungsexporten werden von der Bundesregierung bei ihren Entscheidungen über sensitive Exporte berücksichtigt. In ihrer Antwort auf eine andere Kleine Anfrage bekräftigte die Bundesregierung am 27. Juli 1998, daß sowohl das deutsche rechtliche Instrumentarium als auch die im Rahmen der Europäischen Union eingegangenen Verpflichtungen ausreichend seien, Exporte von Kleinwaffen in bewaffnete Auseinandersetzungen, bei denen Kindersoldaten zum Einsatz kommen, zu unterbinden. Entsprechend der Regelungen des Kriegswaffenkontrollgesetzes werden keine Genehmigungen für den Export von Kriegswaffen erteilt, wenn die Gefahr bestehe, daß diese zu einer friedensstörenden Handlung, insbesondere bei einem Angriffskrieg verwendet werden. Entsprechend dem Verhaltenskodex der Europäischen Union für Waffenausfuhren vom 8. Juni 1998 haben sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union darüber hinaus verpflichtet, keine Ausfuhrgenehmigungen zu erteilen, wenn eindeutig das Risiko besteht, daß der angegebene Empfänger das zur Ausfuhr bestimmte Gerät zu aggressiven Zwecken gegen ein anderes Land oder zur gewaltsamen Durchsetzung eines Gebietsanspruchs benutzen würde.363



    340 BAnz. Nr. 19 vom 29.1.1998.

    341 BAnz. Nr. 139 vom 30.7.1998.

    342 BAnz. Nr. 162 vom 1.9.1998.

    343 BAnz. Nr. 174 vom 17.9.1998.

    344 BAnz. Nr. 165 vom 4.9.1998.

    345 BAnz. Nr. 22 vom 3.2.1998.

    346 BAnz. Nr. 19 vom 29.1.1998.

    347 BAnz. Nr. 24 vom 5.2.1998.

    348 Ibid.

    349 BAnz. Nr. 162 vom 1.9.1998.

    350 BAnz. Nr. 165 vom 4.9.1998.

    351 Ibid.

    352 BAnz. Nr. 174 vom 17.9.1998.

    353 BT-Drs. 12/4241 vom 1.2.1993.

    354 BT-Drs. 13/5966 vom 6.11.1996.

    355 BT-Drs. 13/10104, 1 f.

    356 Ibid., 2.

    357 Ibid., 4.

    358 Ibid., 4 f.

    359 Ibid., 5.

    360 Ibid., 10 und 13.

    361 Ibid., 30.

    362 BT-Drs. 13/11322.

    363 BT-Drs. 13/11308, 13.