Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law Logo Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law

You are here: Publications Archive Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland 1998

Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1998


Inhalt | Zurück | Vor

Karen Raible


XV. Europäische Union und Europäische Gemeinschaften

3. Sonstige Einzelfragen

    197. Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft am 1. Januar 1999

    In der 14. Sitzung des deutschen Bundestages am 10. Dezember 1998 zum Thema "Vorschau auf den Europäischen Rat in Wien am 11./12. Dezember 1998 und Ausblick auf die deutsche Präsidentschaft in der 1. Jahreshälfte 1999" umriß Bundeskanzler Schröder die Ziele der deutschen Präsidentschaft wie folgt:

"Wir wollen erstens deutliche Fortschritte hin zu einer wirksamen Beschäftigungspolitik, einer Politik, die in eine Politik der Innovation und der ökologischen Modernisierung in Europa eingebettet ist, zweitens eine bessere Bekämpfung des grenzüberschreitenden Verbrechens und klare Absprachen innerhalb Europas in der Frage der Zuwanderung nach Europa und drittens eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die diesen Namen wirklich verdient und die ... an den europäischen Werten des Friedens und der Menschenrechte ausgerichtet ist, aber auf ein effizientes Krisenmanagement durchaus nicht verzichtet.

Vor allen Dingen aber geht es uns viertens darum, die Agenda 2000 erfolgreich abzuschließen. Ich weiß, daß das ein sehr ehrgeiziges Ziel ist. Aber wenn wir für die kommende Finanzierungsperiode 2000 bis 2005 die notwendigen Voraussetzungen wirklich schaffen wollen, dann müssen wir schon aus technischen Gründen die Agenda im März des nächsten Jahres abgeschlossen haben."496

    Zum Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft am 1. Januar 1999 führte Bundesaußenminister Fischer am 30. Dezember 1998 zu den Schwerpunkten der Bundesregierung näher aus:

"Erstes und wichtigstes Anliegen ist der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit und für mehr Beschäftigung für ein Europa im globalen Wettbewerb. Denn Arbeitslosigkeit ist die drängendste Sorge vieler Menschen in Europa. Sie erwarten zu Recht, daß nicht nur die nationalen Regierungen gegen die Arbeitslosigkeit vorgehen, sondern daß auch die europäische Ebene ihren Beitrag leistet. Deshalb wollen wir beim Europäischen Rat in Köln am 3./4. Juni einen europäischen Beschäftigungspakt verabschieden.

Zweitens: Innere Festigung und Fortentwicklung der Union. Neue zentrale Herausforderung für die deutsche Präsidentschaft ist die termingerechte Verabschiedung der Agenda 2000, d.h. die politische Einigung über das Gesamtpaket bis zur Sondertagung des Europäischen Rats am 24./25. März in Brüssel. Dies wird ein schwerer Brocken werden. Von meiner Sondierungsreise durch die EU-Hauptstädte bin ich jedoch mit vorsichtigem Optimismus zurückgekehrt: Bei allen EU-Partnern war die Bereitschaft zu spüren, über den eigenen Schatten zu springen. Alle wollen, daß wir das Reformpaket pünktlich abhaken.

Mit der Verabschiedung der Agenda 2000 schaffen wir auch eine wichtige Voraussetzung für die möglichst rasche Aufnahme der Beitrittsländer in die Europäische Union. Der Beitritt der mittel- und osteuropäischen Partner liegt in unserem ureigenen Interesse: Nur so lassen sich Wohlstand, Frieden und Stabilität für ganz Europa dauerhaft sichern. Es ist als Vorhaben von historischer Dimension: Aus dem zunächst durch die Teilung Europas erzwungenermaßen auf Westeuropa begrenztes Projekt der Europäischen Einigung wird endlich ein gesamteuropäisches. Ein solcher historischer Prozeß braucht natürlich seine Zeit. Realismus ist angesagt. Das heißt nicht, daß wir die Erweiterung auf die lange Bank schieben wollen. Ganz im Gegenteil: Wir werden die Verhandlungen unter deutscher Präsidentschaft mit großem Nachdruck vorantreiben. Wichtig bleibt auch die weitere Heranführung der Türkei an die Europäische Union.

Drittens geht es darum, die Europäische Union nach außen zu stärken und ihr außenpolitisches Profil fortzuentwickeln, damit sie in den internationalen Beziehungen ihr volles Gewicht in die Waagschale werfen kann. Nicht zuletzt die Krisen in Bosnien und im Kosovo haben gezeigt, daß die EU auf dem Weg zu einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik noch eine gute Strecke vor sich hat. Was wir brauchen, sind konkrete Schritte nach vorne. Dazu gehört die Ernennung des Hohen Repräsentanten für die GASP, die während des deutschen Vorsitzes ansteht. Zu seiner Unterstützung wird außerdem die im Amsterdamer Vertrag vereinbarte Strategieplanungs- und Frühwarneinheit ihre Arbeit aufnehmen. Und wir werden die britische Initiative zur Schaffung einer eigenen europäischen Verteidigungsidentität aufnehmen und energisch weiterführen."497

    198. Agenda 2000

    Beim 8. Deutsch-Ungarischen Forum am 4. Dezember 1998 in Bonn erklärte Staatssekretär von Ploetz zur Agenda 2000 folgendes:

"Unter der Überschrift "Agenda 2000" wird die Festlegung der EU-Finanzen für die Jahre 2000 bis 2006 verstanden, der Einnahmen wie der Ausgaben. Es geht also um zentrale Fragen für das Finanzsystem der Europäischen Union. Hinter den Haushaltsansätzen stehen aber immer Politikinhalte, und um diese geht es selbstverständlich und vor allem für die EU, so wie sie jetzt besteht, d.h. mit 15 Mitgliedern. Deshalb haben alle Mitgliedstaaten in Pörtschach die Bundesregierung bestärkt in der Entschlossenheit, die Verhandlungen politisch bis Ende März 1999 abzuschließen.

Die Agenda 2000 hat aber eine ebenso große Bedeutung auch in der Perspektive der Erweiterung um eine heute noch nicht bestimmbare Anzahl von Ländern. Die Kommission hat in ihrem Vorschlag 45 Mrd. ECU Strukturhilfe für solche Mitglieder vorgesehen, die bis 2006 beitreten. Ein stattlicher Betrag, nominal dreimal so hoch wie die ganze Marshall-Plan-Hilfe. Die Verabschiedung der Agenda 2000 ist also von zentraler Bedeutung auch für die Beitrittskandidaten, denn sie schafft unverzichtbar notwendige innere und nach außen wirkende Voraussetzungen, um die EU erweiterungsfähig zu machen! Die zeitgerechte Verabschiedung der Agenda 2000 kann nur gelingen, wenn beim Europäischen Rat in Wien nächste Woche ... eine deutliche Annäherung der gegenwärtig teilweise noch weit auseinanderliegenden Positionen erreicht wird."498

    Zu dem durch die Erweiterung der Europäischen Union notwendig werdenden institutionellen Reformen erklärte von Ploetz:

"Die Bewältigung der Agenda 2000 stellt materiell die Erweiterungsfähigkeit der Europäischen Union her. Sie muß auch institutionell erweiterungsfähig werden. Das war von Anfang an klar, im Zusammenhang mit dem Abschluß des Vertrags von Amsterdam wurden hierzu verbindliche Festlegungen getroffen. Die deutsche Position ist auch in dieser Frage von Kontinuität gekennzeichnet. Bundeskanzler Kohl hat wiederholt, auch gemeinsam mit unseren französischen Freunden, das festgestellt, was Bundeskanzler Schröder zuletzt gemeinsam mit Präsident Chirac in Potsdam unterstrichen hat, daß die institutionellen Reformen vor der nächsten Erweiterungsrunde abgeschlossen sein sollen. Das ist keine neue Bedingung oder Bremse, es ist ein Gebot der politischen Vernunft."499



    496 Bull. Nr. 80 vom 14.12.1998, 965 f.

    497 Pressearchiv des Auswärtigen Amtes (Anm. 10): http://www.auswaertiges-amt.de/6_archiv/98/p/P981230a.htm.

    498 Pressearchiv des Auswärtigen Amtes (Anm. 10): http://www.auswaertiges-amt.de/6_archiv/98/r/R981204a.htm.

    499 Ibid.