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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 2000


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Carsten Stahn


IV. Wirkungen und Grenzen staatlicher Souveränität

2. Anerkennung fremder Hoheitsakte

      15. Durch Beschluß vom 29.6.2000 (IX ZB 23/97 = IPRax 2001, 50) entschied der BGH, daß ein ausländisches Urteil, welches darauf beruht, daß dem Schuldner die Vertretung durch einen in der Verhandlung anwesenden Rechtsanwalt nur deswegen verwehrt wurde, weil er selbst nicht persönlich erschienen war, in Deutschland nicht anerkannt werden kann. Damit knüpfte der BGH an das Urteil des EuGH vom 28.3.2000 (Rs. C-7/98 = IPRax 2000, 406) zu den Grenzen des ordre public i.S.d. Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ an, worin dieser entschieden hatte, daß der Vollstreckungsstaat im Rahmen des ordre public berücksichtigen dürfe, ob dem Beklagten das Recht versagt worden sei, sich verteidigen zu lassen ohne persönlich zu erscheinen. Der BGH führte aus, daß die Vollstreckung des Urteils des Schwurgerichts Paris vom 13.3.1995, im Rahmen dessen dem Verteidiger des Schuldners untersagt worden war, für diesen persönlich im Adhäsionsverfahren aufzutreten, die deutsche öffentliche Ordnung verletzte. Eine in Deutschland verklagte Partei dürfe sich in jeder Lage eines Zivilverfahrens durch einen Rechtsanwalt mit der Wirkung vertreten lassen, daß sie nicht säumig sei. Zwar könne in gewissen, eng begrenzten Fällen eine erstinstanzliche Hauptverhandlung in einer Strafsache ohne Anwesenheit des Angeklagten stattfinden, doch sei er nach � 234 StPO stets befugt, sich durch einen bevollmächtigten Verteidiger vertreten zu lassen. Dies gelte nach � 404 Abs. 5 S. 2 StPO zugleich gegenüber einem im Adhäsionsverfahren geltend gemachten Entschädigungsantrag des Verletzten. Zudem schreibe Art. 103 Abs. 1 GG vor, daß vor einem deutschen Gericht jedermann einen Anspruch auf rechtliches Gehör habe. Dieses Recht dürfe regelmäßig auch durch einen Rechtsanwalt ausgeübt werden. Soweit der Rechtsanwalt das Recht auf Gehör für seine Partei ausübe, sei er es, den das Gericht auf jeden Fall durchgängig am Verfahren zu beteiligen habe. Insbesondere dürfe das Gericht keinen Vortrag unberücksichtigt lassen, der ihm in dieser Form in der anberaumten Verhandlung unterbreitet worden sei. Gemessen an diesen Maßstäben könne das Urteil des Schwurgerichts Paris, das unter Verletzung des rechtlichen Gehörs des Schuldners ergangen sei, in Deutschland nicht anerkannt werden. Nach der Sachlage sei auch nicht auszuschließen, daß das französische Gericht über den Schadensersatzanspruch anders entschieden hätte, wenn es die Verteidigung des Schuldners bei seiner Entscheidung berücksichtigt hätte.